Kapitel 21

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Cayden saß im Garten an einem Baum. Er schaute in den Himmel, die Leere in ihm quälte ihn unaufhörlich. Seine Hand streckte sich nach etwas aus, das er verloren hatte. Der graue Himmel verdunkelte sich und bald spürte er den ersten Tropfen. Immer mehr gesellten sich zu diesen, bis der Regen die Erde bedeckte. Seine Kleidung war völlig durchnässt, doch er bewegte sich nicht. Er spürte den Regen nur leicht. Als sich zwei Arme um ihn schlangen und ihn hochhoben, bemerkte er es kaum.

Lucas trug Cayden zum Haus. Ihn in diesem Zustand zu sehen, war schlimmer als jede Folter, die er erlebt hatte. Sein Gefährte litt auf einer Ebene, die er nicht erreichen konnte. Er konnte nichts tun. Der Mann in seinen Armen war ein Schatten, hatte jegliche Farben und Emotionen verloren. Kein Lachen, keine Wärme. Es war, als wäre Cayden tot, auch wenn er atmete.

In ihrem Schlafgemach zog er ihm die nassen Kleidung ab und rieb ihn trocken. Teilnahmslos schaute sein Gefährte nach vorne, sah ihn nicht. Als er gegen dessen Brust drückte, fiel er nach hinten und lag auf dem Bett, sein Blick nach wie vor ins Nichts gerichtet. Lucas beugte sich über ihn, legte eine Hand an dessen Wange. Cayden reagierte nicht. Nicht einmal, als er seine Zähne in dessen Schulter versenkte.

Das Blut seines Gefährten schmeckte schal, wie Wasser. Nicht einmal sein Blut ist lebendig. Frustriert zog er sich zurück. „Komm zu mir zurück. Wenn nicht werde ich dir folgen, denn mein Herz hält es nicht mehr aus", sagte Lucas und zum ersten Mal seit über hundert Jahren rollte eine Träne über seine Wange.

Sim stand vor dem Raum, schaute seinen besten Freund an. Sein Herz tat weh. Wieso tut ihr das? Ihr Götter könnt wirklich grausam sein.

Cayden starrte an die Decke. Immer wieder hörte er die Worte der Prophezeiung, immer wieder träumte er von seiner Wölfin, wie sie ihn verließ. Hörte ihre Worte.

„Er braucht dich. Cayden, du musst mich finden, uns geht die Zeit aus. Ich warte an dem Ort, an dem der Mond die Sonne berührt."

Wie soll ich dich finden, wenn du mich zurückgelassen hast?

»Wenn der Mond und die Sonne sich berühren,
vergeht die Finsternis, getaucht in silbernes Licht.
Der weiße Wolf erwacht in den Farben des Mondes getaucht,
verlässt den tiefen Schlaf.«

Immer wieder hörte er die Worte in seinem Kopf. Wenn der Mond und die Sonne sich berühren. Ein Schmerz schoss durch seinen Kopf und er kniff die Augen zusammen.

„Mama, was liest du?", fragte Cayden mit neugierigen Augen. Er krabbelte auf das Sofa neben seine Mutter und schaute in das Buch, das auf ihrem Schoß lag.

„Das, kleiner Wolf, ist ein Buch, das mir meine Großmutter vermacht hat. Es ist ein Märchen aus dem Reich der Vampire", sagte seine Mutter und streichelte durch dessen Haare.

„Vampire?", staunte der Kleine und sah zu den fremden Buchstaben. Er konnte sie nicht lesen, weshalb er fragend zu seiner Mutter schaute.

Diese las den Text vor und melodische Silben kamen über ihre Lippen. „Möchtest du sie lernen?", fragte sie mit warmer Stimme.

Wieso sehe ich diese Erinnerung? Immer wieder tauchten die Bilder auf. Wenn Mond und Sonne sich berühren. Der Schmerz nahm zu. Es war, als wollte sein Kopf ihm gewaltsam etwas mitteilen – etwas, das er vergessen hatte.

„Mama, was liest du?", fragte Cayden mit neugierigen Augen. Er krabbelte auf das Sofa neben seine Mutter und schaute in das Buch, das auf ihrem Schoß lag.

„Das, kleiner Wolf, ist ein Buch, das mir meine Großmutter vermacht hat. Es ist ein Märchen aus dem Reich der Vampire", sagte seine Mutter und streichelte durch dessen Haare.

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