Kapitel 13

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Rafe spürte die Aura und stand auf. Er ist da. Das Oberhaupt der Mitte hatte ihm vor über einer Woche einen Boten geschickt und um ein Treffen gebeten. Worum es sich handelte, wusste er nicht, doch er tat seine Pflicht und empfing ihn. Es änderte jedoch nichts daran, dass dessen Nähe seinen inneren Wolf nervös machte. Jedes Tier wusste, wenn ihm ein stärkeres Raubtier gegenüberstand.

Die Türen öffneten sich und er sah, wie zwei Gestalten auf den Eingang zuliefen. Die eine war ein Oberhaupt der Vampire, das war deutlich. Dessen Aura, Blick und Haltung – alles schrie nach Macht. Doch er wirkte nicht bösartig, sondern einfach nur kühl. Beruhige dich, es ist nicht der erste Vampir, dem du begegnest.

Zwar hielten sich solche Treffen in Grenzen, doch sie waren schon vorgekommen. Der Friede. Halte immer das Ziel in Sicht. Ein erneutes Massaker wollte er nicht riskieren, weil er ein anderes Oberhaupt verärgert hatte. Rafes Blick löste sich von dem Vampir, der ihn mit den eisblauen, unmenschlichen Augen angeschaut hatte, und wanderte zu dem Begleiter. Dieser hatte den Kopf gesenkt und schien sich unwohl zu fühlen. Das würde ich mich in einer Horde von Vampiren wahrscheinlich auch. Wieso hatte der Vampir einen Begleiter mitgebracht?

Als diese vor ihm zu stehen kamen, nahm Rafe einen Geruch von Kräutern wahr, die der Begleiter ausstrahlte. Es verwirrte ihn etwas – vor allem, dass dessen Gesicht mit einem Schleier unterhalb der Augen bedeckt war. Die Vampire hatten sehr wahrscheinlich ihre eigenen Traditionen und das musste eine davon sein.

Pflichtbewusst streckte er dem Oberhaupt die Hand hin und hieß ihn willkommen. „Seid Willkommen in meinem Heim. Ich biete euch meine Gastfreundschaft nach den Regeln unserer Spezies an."

Der Vampir nahm die Hand, erwiderte seinen Blick mit einem respektvollen Nicken und sagte: „Ich bedanke mich und nehme die Gastfreundschaft an."

So weit so gut. Es lief alles gut. Daraufhin machte Rafe eine Verbeugung vor dem Begleiter und nahm dessen Hand. „Ich begrüße auch Euch als willkommenen Gast."

Die Hand des Begleiters und die bernsteinfarbenen Augen erinnerten ihn für einen Moment an seinen kleinen Bruder. Reue und Trauer stieg in ihm auf. Der Begleiter erinnerte ihn an Cayden, doch dessen Geruch und Haarfarbe waren völlig verschieden. Dieser nickte nur, dann drehte sich Rafe um und sie traten nach innen. Gemeinsam liefen sie mit fünf weiteren Wachen zum Empfangsraum, wo sie das Anliegen besprechen konnten. Der Vampir setzte sich ihm gegenüber auf die Sitzgelegenheit, dessen Begleiter neben ihm. Sofort legten sich dessen Arme um diesen und zogen ihn an sich. Für einen Moment glaubte Rafe, einen besitzergreifenden Blick und einen Hauch von Abneigung in dessen Augen zu sehen.

Ich wusste gar nicht, dass das Oberhaupt der Mitte einen Gefährten hat. Die Art, wie Lucas den jungen Mann hielt, erinnerte ihn an seine Eltern. „Gut, Ihr habt mich bezüglich eines Anliegens angeschrieben. Um was geht es?", fragte Rafe und lehnte sich zurück, die Augen nicht von dem Begleiter lösend.

Cayden spürte den bohrenden Blick seines Bruders. Er weiß es nicht, beruhige dich. Sein Herz schlug schnell und Angst breitete sich in ihm aus. Er verspannte sich in Lucas Armen.

Lucas strich ihm über den Nacken. „Chechak, vielleicht ist es besser, wenn du ein bisschen Luft schnappst – einen Ort besuchst, an dem du dich wohlfühlst."

Sobald Lucas das ausgesprochen hatte, schaute Cayden zu diesem. Dann nickte er leicht.

Der Vampir drehte sich zu dem Clanführer und fragte höflich: „Mein Begleiter fühlt sich etwas unwohl. Unsere Präsenz scheint ihn etwas unter Druck setzen, auch wenn er sich daran gewöhnen muss. Wäre es möglich, dass er die Zeit während unseres Gesprächs in Eurer Bibliothek verbringen kann? Er ist wahrlich ein Bücherwurm und das würde ihn sicherlich erden", sagte Lucas, fuhr mit den Fingern dabei über die Wangen des verschleierten jungen Mannes.

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