Kapitel 13

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A D E L I N E

Nun sind es zwei Tage her, seitdem Liam und Aiden den Raum verlassen haben und mir meinten, ich solle mich meiner Familie wieder nähern. Vielleicht ist es aber auch gut so, dass sie mich nicht weiter damit behelligen, sondern mich erstmal in Ruhe lassen. Schließlich reicht es mir schon, dass ich seitdem kein bisschen Schlaf oder Appetit auf irgendwas habe.

Ich schaue, wie schon die letzten Tage, aus der prächtigen Fensterfront auf den großen Garten unter mir. Voller bunte Farben und Lebendigkeit, dazu auch noch diese außergewöhnliche Wärme, die einen allein vom Anblick umgibt, obwohl wir uns im Winter befinden. Diese betörende Aussicht, lässt mich vieles missachten und treibt mich mit meinen Gedanken weit weg. Wie gern ich einmal da unten entlang laufen will und die schöne reine Luft in mir aufsaugen möchte. Es ist nun etwas lange her, dass ich einen Spaziergang gemacht habe und frischer Wind mir entgegen kam und nur der Gedanke daran, dass es vielleicht noch sehr lange dauern würde, bis ich die Sachen wieder tuen kann, die ich liebe, lässt mich verzweifelt seufzen.

Abgesehen davon, dass es ganz und gar nicht fair ist, was sie mit mir machen, versuche ich dennoch zu verstehen, was das ganze soll. Was soll Ethan mit Aiden und Liam zutun haben? Warum wollen sie ihn unbedingt finden? Falls er wirklich noch lebt, wie sie behaupten...

Hat er ihnen vielleicht etwas Böses getan und jetzt wollen sie sich rächen?

Aber Ethan würde einer Menschenseele niemals etwas antun. Niemals. Dafür kenne ich ihn zu gut. Tausende von Fragen überfluten meine Gedanken, allerdings kann ich nichts mit all dem anfangen. Es frustriert mich, dass ich nichts weiß und so ahnungslos bin. Es nervt und macht mir zugleich auch eine riesengroße Angst, denn ich kenne die Konsequenzen nicht. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn ich ihnen nicht helfe und ebenso weiß ich nicht, was passieren könnte, wenn ich es tue.

Bringe ich Ethan dann vielleicht in Schwierigkeiten?

Es sieht nämlich nicht so aus, als würden Liam und vor allem Aiden Ethan suchen wollen, da sie eine langjährige Freundschaft hatten. Im Gegenteil... Ich spüre Hass, wenn sie über ihn reden.

Völlig vertieft in meinen Gedanken und mit starren Blick auf den wunderschönen Garten unten, bemerke ich kaum, dass jemand hinter mir steht. Erschrocken zucke ich auf, als ich mich umdrehe und halte mir meine Hand auf die Brust, die vor Schrecken bebt. Während ich erleichtert ausatme, schaue ich in Sophia's blauen Augen, die mich nur belustigt mustern.

„Schon wieder in Gedanken?", lacht sie auf und setzt sich auf das Bett hinter mir, an dem ich mich mit dem Rücken wieder anlehne. Ich ignoriere die Frage und bin in weniger als Sekunden erneut in meiner eigenen Welt. Doch Sophia hindert mich daran weiter nachzudenken, denn direkt kommt die nächste Frage.
„Warum hast du nicht gegessen?"
„Ich habe kein-"
Moment mal. Sophia kann mir doch bestimmt helfen.

Prompt drehe ich mich zu ihr mit weit geöffneten Augen. Sie aber schaut verwirrt zu mir runter und zieht ihre Augenbrauen zusammen.
„Sophia, du kannst mir helfen.", stelle ich fest und lege meine Hand auf ihr Knie, dabei strahle ich ihr Hoffnungsvoll entgegen. Doch von ihr kommt nicht mal ein Ton, immer noch nur die Verwirrung in ihr Gesicht. „Liam und Aiden...", fange ich an und sie nickt langsam, als Zeichen, dass sie mir folgt.
„Was wollen sie genau von meinem Bruder?", frage ich und werde zum Schluss immer leiser und ruhiger, da ich bemerkt habe, dass ich am Anfang ziemlich laut war. Ihr Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig. Sie sieht leicht überfordert aus. Wenn ich mich sogar nicht irre, dann sehe ich auch die Nervosität in ihren blauen Augen.

Sophia bricht auf einmal den Augenkontakt ab und schaut zu ihrer rechten Seite auf ihre Hand. Eine Stille herrscht plötzlich, doch ich warte. Vielleicht sagt sie gleich was. Sie atmet aus und spricht, jedoch ohne mich anzuschauen. „Adeline, ich darf mich bei dem ganzen nicht einmischen. Mir wurde das strengstens verboten." Sie klingt traurig und spricht ziemlich vorsichtig. So, als hätte sie Angst etwas falsches zu sagen. „Ich bin hier nur, um mich um euch zu kümmern und damit es euch gut geht.", fährt sie fort und legt ihre Hand auf meine, welche immer noch auf ihr Knie ist. Ich entziehe aber meine Hand und blicke enttäuscht weg.

Sie weiß etwas... ich bin mir sicher. Sonst würde sie sagen, ich weiß von nichts. Sie hat Angst zu reden.
Ich merke erst, dass sie vom Bett aufgestanden ist, als ich ihre zierlichen Schritte höre, die Richtung Tür wandern. Schnell stehe ich vom warmen Boden auf und rufe ihr ein „Warte" hinterher. Sophia bleibt stehen und dreht sich um. „Sag mir wenigstens, was ich tun soll.", bitte ich sie mir zu helfen. Allerdings starrt Sophia mich nur verstummt an, als würde sie nicht verstehen, worauf ich hinaus will.

„Du weißt doch was hier los ist. Also was würdest du an meiner Stelle tun?", frage ich verzweifelt, dabei fürchte ich mich ein wenig vor ihrer Antwort.
Nun macht sie den Anschein, als würde sie mich verstehen, denn sie schaut kurz zur Seite, atmet ein und aus und wendet sich wieder zu mir, um mit dem Sprechen zu beginnen. „Ich weiß, dass die Situation gerade schwer ist für dich, vor allem, da du nicht weißt was die Folgen sind und es auch noch dein Bruder ist.", beginnt Sophia mit einem sehr sanften Ton. Kurz macht sie eine Pause und läuft zwei Schritte auf mich zu. „Aber wenn du mich fragst, würde ich Aiden helfen. Nicht weil ich ihn liebe und auf seiner Seite bin, sondern weil ich weiß, was vorgefallen ist und wer im Recht liegt, Adeline."
Ihre Worte lassen mich ängstlich aufatmen.

Wer im Recht liegt?

„Was soll das heißen, Sophia?", frage ich sie. Dabei verschnellert sich meine Atmung und ich muss Schlucken.

Was hat Ethan verdammt nochmal getan?
Sie schüttelt mit entschuldigenden Blick ihr kopf und schiebt sich eine blonde Strähne hinter ihr Ohr. „Ich kann es dir nicht sagen, es tut mir leid. Aber ich kann dir versichern, dass du Aiden eine große Last abnehmen würdest, wenn du ihn hilfst.", sagt sie und dreht sich um. Bevor sie die Tür allerdings hinter sich schließen will, fügt sie noch was hinzu. „Nicht nur ihn, uns alle, Adeline."

Sophia ist weg und hat mich verdutzt und völlig überfordert hier zurückgelassen. Aber eben eins bin ich mir sicher... Ethan hat großen Mist angestellt.

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