Kapitel 42

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A D E L I N E

„Oh man, ich habe dich total vermisst.", sagt Sophia aufgeregt, während sie mich in eine feste Umarmung zieht. Erwidern tue ich sie nicht. Ich schlucke und warte darauf, dass sie mich loslässt.

Sophia war die Person, der ich mich am meisten aufgeschlossen habe. Und ich hatte ihr vertraut. Sie sagte, wenn ich Aiden helfe, dann würde ich das richtige tun. Doch sie erwähnte nicht, dass das richtige in deren Augen, sicher nicht das richtige in meinen wäre. Und ich denke, wir wissen beide so ziemlich genau, dass ich es nicht wie sie sehe. Es ist nicht richtig, jemanden umzubringen. Und schon gar nicht, jemanden auszunutzen, der nichts mit der Sache zutun hat, sein Vertrauen gewinnen, um dann jemandes Leben zu beenden. Trotzdem konnte sie mich überreden und nun trage ich schon sehr bald das Blut meiner Familie an den Händen.

Langsam löst sie sich von mir und blickt mir in mein Gesicht. Ich schaue auf den Boden, denn ihr in die Augen gucken, möchte ich nicht. Dennoch sehe ich, wie Sophia's glückliches Lächeln nach einigen Sekunden in sich hinein bröckelt und sie hörbar schluckt. „Alles okay, Adeline?", fragt sie und die Unsicherheit hinter den drei Wörtern sind lauter, als ihre Stimme selbst. Sie schaut zu Aiden, welcher einige Meter weiter von uns steht und telefoniert, während er uns beobachtet. „Ich würde gerne Schlafen.", sage ich monoton und sie nickt zögerlich. Mit verwirrtem Gesichtsausdruck wirft sie Aiden noch einmal ein Blick zu, bevor sie vor mir die Treppen hochgeht und in das alt bekannte Zimmer zusteuert.

„Was ist denn-", beginnt Sophia erneut, jedoch unterbreche ich sie schnell indem ich ihr nun doch in die Augen schaue. Sie zieht ihre Brauen zusammen, so dass eine Furche zwischen ihnen zum Vorschein kommt.

„Wieso sind deine Augen so rot? Was ist passiert, Adeline?" In ihrer Stimme hört man die Besorgnis gut raus, aber nichtsdestotrotz will ich nicht mit ihr reden. Also nehme ich mir schweigend einige Sachen aus dem Schrank und verschwinde im Badezimmer, ohne ihr weitere Beachtung zu schenken.

Unter der warmen Dusche, spüre ich erneut die Tränen fließen. Zwar gehen sie bei dem Wasser, das auf mir niederprasselt, unter, doch sie fühlen sich trotzdem so verdammt schwer an. Jede Träne ist gefüllt mit Traurigkeit, Verzweiflung und puren Schmerz. Und abgesehen von den Tausenden Emotionen, die meinen Verstand übernehmen, sind meine Gedanken ein reines Chaos. Ich weiß nicht, worüber ich mir als erstes den Kopf zerbrechen sollte.

Über Ethan, der Aiden's Schwester umgebracht hat? Oder über Aiden, welcher Rache nehmen will und meine gesamte Familie töten möchte? Vielleicht sollte ich aber auch den Kuss, vor dem ganzen Desaster nicht vergessen. Der Kuss, der mir wortwörtlich den Atem geraubt hat und welcher mir bis zu dieser Sekunde noch ein Kribbeln auf die Lippen bereitet. Möglicherweise, tat Aiden das nur, um die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen und damit kein Zweifel bei den Menschen entsteht. Jedoch bin ich mir ziemlich sicher, dass er das gleiche gefühlt hat wie ich. Dass Aiden es genauso genossen hat wie ich. Und ich bin mir sicher, dass er genauso überwältigt war wie ich.

Aber möglicherweise sollte ich ebenso nicht vergessen, dass Aiden mich genauso scheußlich findet, wie meine Familie. Seine Worte taten weh.
Sie verpassten mir einen heftigen Tritt in die Magengrube, der mir bis jetzt das Atmen erschwert.

Mag sein, dass Aiden mich nicht sonderlich mag. Ebenso ist es nicht auszuschließen, dass er mir trotz meiner Hilfe und ständigen Anstrengung nicht vertraut. Aber nur die wenigen Tage, welche wir miteinander verbracht haben, sollten Beweis genug gewesen sein, dass ich nicht wie meine Familie bin.

Es tut weh. Es tut weh, weil ich ihn erzählt habe, was mir damals angetan wurde. Und es tut weh, weil er mehr als nur ein Mal mit seinen eigenen Augen gesehen hat, wie die Angst meinen Körper durchströmte, sobald ich Daniel's Namen hörte.

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