Kapitel 46

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A I D E N

Mit gehobenen Augenbrauen mustert mich Liam genaustes, während ich genervt seufze. Das Essen in dem fünf Sterne Restaurant in dem er unbedingt mit mir hinwollte, ist wohl keine nette Geste von ihn gewesen, sondern ein Ort, um seine Befragung in Ruhe führen zu können.

„Wieso zögerst du, Aiden?", wiederholt er seine Frage zum gefühlt zehnten Mal, weshalb ich ihn abermals die gleiche Antwort gebe, mit der er sich wohl nicht zufrieden geben kann. „Ich zögere nicht, Liam." In meinem Unterton liegt genauso viel Druck und strenge wie in seinem. „Dann verrate mir, auf was genau du wartest. Ethan ist schon seit einer Woche bei dir und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Morgan's davon erfahren werden.", erklärt er mir, als würde ich nicht selbst von all dem wissen. Emotionslos nehme ich mir einen Schluck von meinem Wein, ehe ich mich gelangweilt in den Laden umschaue.

„Ist es wegen Adeline?", fragt er und prompt blicke ich ihn in die grau glitzernden Augen. Ich ziehe die Brauen zusammen und lasse meine Finger um das Glas kreisen. „Adeline?" Überlegend tue ich so, als hätte ich keine Ahnung, von dem was er da sagt.
Liam's unbeeindrucktes Gesichtsausdruck zeigt mir allerdings, dass er mir meine Ahnungslosigkeit nicht abkauft. Ich bin mir sicher, dass mittlerweile alle von dem Kuss Bescheid wissen und das ist etwas, was mir ganz und gar nicht passt.

„Aiden, du hast sie geküsst, verdammt! Spiel mir und dir erst recht nichts vor.", spricht er energischer als davor und schaut mich verständnislos an. Meine Befürchtung bestätigt sich nun und ich schnaube.

Wann kommt das Essen, damit ich es ihn in sein hässliches Maul stopfen kann und er die Fresse hält?

„Als wäre sie das erste Mädchen, das ich geküsst habe.", lache ich und muss automatisch daran denken. Es ist nicht das erste mal, dass ich an diesen Kuss denken muss, nein. Womöglich tue ich das mindestens zwei mal am Tag. Denn so sehr ich es auch hasse, dieser Kuss war wie kein andere den ich bisher hatte.

Er war unschuldig, leidenschaftlich und brachte Gefühle hervor, welche ich noch nie zuvor gespürt hatte. Etwas, von dem ich nicht wusste, dass es überhaupt existiert. Nur weiß ich noch nicht, was zum Teufel es war.

„Du würdest alle Mädchen dieses Universums küssen, nur keine Morgan. Also erzähl mir was du willst, aber mich täuschen, wirst du nicht können." Seine Augen, welche mich mit ihren Blicken durchlöchern, scheinen mich von allen Ecken eingekreist zu haben und wie es aussieht, gibt es kein Entkommen für mich. Lange starre ich nur zurück und suche nach einer Antwort, die ich schweren Herzens nicht finde. Denn Liam hat mit seiner Erkenntnis direkt ins Schwarze getroffen. Und als er noch eine Schippe drauflegt, begrüßt mich die Wut in mir.

„Adeline macht dich schwach. Ethan lebt noch, weil sie in deinem Kopf rumschwirrt."

Gerade hasse ich Liam dafür, aber er hat tatsächlich recht. Der einzige Grund, weshalb Ethan noch am Leben ist, ist weil ich Adeline in meinem Kopf habe. Tag und Nacht. Und ich frage mich, wie sie es verflucht nochmal geschafft hat.

„Das ist so erbärmlich.", zische ich leise und schüttele verärgert meinen Kopf. Ich sehe, wie mein Bruder sich ein wenig nach vorne lehnt, ehe er erneut zu sprechen beginnt. „Hör mal, Aiden... es ist okay, wenn du deinen Plan jetzt änderst. Es ist besser, du unterlässt es, wenn du dir nicht zu hundert Prozent dabei sicher bist, als dass du später irgendetwas bereust.", sagt er ruhig, doch in mir brodelt es immer mehr. Was soll denn das Gelaber?

Verständnislos und mit Zorn gefüllt, blinzle ich perplex.

„Ich soll meinen Plan ändern?", werde ich lauter, weshalb er sich wieder zurücklehnt und mit seinen Augen zu den anderen Gästen rüberschaut. Ob sie uns anstarren, kann ich nicht sagen. Denn im Moment erfüllt mich eine tiefe Empörung.

„Ich soll meinen Plan für eine Morgan ändern, nur weil ich mich hingezogen zu ihr fühle? Sexuell? Dafür soll ich Rose hintergehen?"

Es ist zum Teil die Wahrheit und zum Teil eine Lüge. Es stimmt, dass ich mich zu Adeline hingezogen fühle, jedoch nicht nur sexuell.
Es ist um einiges mehr als das.

Liam starrt mich nun so an, als wäre ich ein Alien. Völlig verständnislos und irritiert.

„Rose hintergehen? Was redest du denn da für einen Unsinn? Denkst du Rose wäre überhaupt einverstanden mit dem was du da tust? Wäre sie glücklich, wenn sie hören würde, dass du Menschen verletzt und umbringst wegen ihr? Nein... sie war nicht so und sie hätte keine Rache gewollt. Du musst-"

Ich unterbreche Liam, in dem ich mich erhebe und ihn mit Feuer glühenden Augen anschaue. In mir tobt das Feuer selbst, während ich meinen Bruder am liebsten eine reinhauen würde.

„Ich brauche von dir keinen Vortrag über meine Schwester.", zische ich unter zusammengebissenen Zähnen und mit Nerven die zum zerreißen gespannt sind.

Bevor ich gehe lege ich einige Scheine auf den Tisch und stampfe dann, ohne Liam einen weiteren Blick zu würdigen, aus dem Restaurant.

Ich leugne nicht, dass Liam recht hat mit dem was er sagt. Jedoch bekam ich diesen Vortrag um die zisch Male zu hören und nichts von dem konnte meinen Ziel ändern. Bis jetzt.

Aufgebracht fahre ich nach Hause und dränge dabei alle möglichen Gedanken, sowie auch Gefühle, die mich von meinem Geschehen nun abhalten könnten bei Seite. Ich weiß, dass Adeline mich schwach macht. Diese Erkenntnis überkam mich schon vor einigen Wochen, doch sie ist nicht in der Lage dazu mich zu beeinflussen und über mich zu bestimmen. Über etwas, was ich mir seit Jahren vorgenommen habe. Etwas, was mir endlich das Gefühl von Zufriedenheit beschaffen wird.
Und das werde ich Liam beweisen.

Ohne das Auto abzuschließen steuere ich auf das Haus zu und ignoriere die Blicke der Männer, die davor stehen.

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