ᴛᴡᴇɴᴛʏᴏɴᴇ

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Ilay

«Können wir raus?» Bevor ich ihm zunickte, warf ich ihr einen Blick, um ihr klar zu stellen, dass sie sich keine Sorgen machen müsse.

Draußen in ihrem Hintergarten wollte ich mich eigentlich setzten, aber er bevorzugte das Stehen.
Er sah mich nicht an, wahrscheinlich weil er sich schuldig fühlt. Es ist aber verständlich, wieso er so überreagiert hat. Er denkt bestimmt, dass er sich rechtfertigen muss. Aber er wäre der Letzte. Seine Intentionen und Gedanken werden alleine von seiner Vergangenheit gerechtfertigt.

«Ilay. Ich-» «Hör auf Ayaz.»
Kopfsenkend sah er zu Boden und ließ mich schlecht fühlen. Es ist nicht ohne Grund, dass er sich so verhält. Er hat jedes Recht sich solche Sorgen zu machen und mich deswegen zu beschuldigen.
Jeder in meiner Nähe leidet mit mir, nur ist es Ayaz, der am meisten daran leidet. Ich hätte daran denken müssen.

«Du weißt, dass es schwierig ist. Ich will kein Risiko eingehen. Auch wenn es nur ein kleiner Funken ist, kann ich nichts riskieren. Ich kann dich nicht auch verlieren.»

Meine Arme nach ihm ausstreckend, zeigte ich ihm, dass ich das verstehe. Ich kann ihn verstehen, nur brauche ich auch meinen Freiraum. «Ich will nicht, dass ihr dasselbe Schicksal teilt. Er hat nicht aufgepasst. Zumindest du musst das tun.» Endlich kam er die wenigen Schritte zu mir und schloss die Distanz. «Ruhig Junge. Alles ist gut. Mir geht's wirklich gut. Und wenn etwas passieren sollte, haben wir hier doch jemanden, die hier ist.»

Und da kommen wir zum Thema, wo ich ihn ein wenig beruhigen muss. Ich weiß, dass er jetzt aus Instinkt Mae blöd anmachen wird. Er wird ihr die Schuld geben und ihr vorhandenes schlechtes Gewissen ins tiefe schieben. Sie wird sich noch schlechter fühlen. «Bevor du etwas sagst, du wirst nichts ihr gegenüber sagen. Sie trägt keine Schuld.» Seine Miene verfinsterte sich und er brachte einen gewissen Abstand zwischen uns.

«Das kannst du vergessen. Sie ist verantwortlich.» Als er rein gehen wollte, hielt ich ihn auf und schubste ihn ein wenig nach hinten. «Nur ein Wort, was sie verletzten wird und deine Sorgen um mich kannst du vergessen.» Ungläubig blickte er dreist zu mir. «Was ist passiert? Hat sie dir besser gegeben als die anderen? Behandelst du sie deshalb besser als du uns jemals behandelt hast?»
Lachend schüttelte ich den Kopf, weil er wieder aus reinem Instinkt handelt. Alleine der Vorwurf, dass sie etwas mit mir hatte, würde sie unglaublich kränken. Aber ich bin nicht besser, weil ich auch am Anfang daran gedacht habe.

«Nein Ayaz. Steiger dich nicht rein. Sie tut nur nicht so, als sei ich ein sterbender Mann und bringt in mein Leben ein wenig Bewegung und Dynamik. Deshalb verbringe ich meine Zeit lieber mit ihr als mit euch. Jetzt beruhig dich.» Auch er fing an zu lachen. Das aber aus Wut. «Dein ernst? Du bevorzugst sie vor uns? Deine jahrelangen Freunde und Brüder.» Schon wieder will er Recht haben. Wieso kann er nicht nachgeben und es verstehen?

«Checkst du das nicht? Neben euch tut ihr so, als wäre ich ein kleines Zuneigung- brauchendes Kind, auf das man aufpassen muss. Es stört mich, dass ich in euren Augen als so schwach angesehen werde. Ihr stellt unwillkürlich Regeln auf. Geh nicht raus, arbeite nicht viel, guck nicht viel TV. Was soll ich sonst Zuhause alleine machen?» Auch mein Ton erhöhte sich, weil ich meine Gedanken aussprach. «Und weißt du was der Unterschied zwischen euch und ihr ist? Seitdem sie da ist, habe ich einige Freunde dazu gewonnen und kann wieder normal lachen. Ohne auch nur eine Sekunde daran zu verschwenden, dass ich jeden Moment zusammenbrechen könnte. Neben euch bin ich ein unfähiger kranker Mann. Neben ihr bin ich ein normaler Mensch.» Ich legte eine Pause ein, weil meine Schmerzen in meiner Magengrube wieder zunahmen. Ein Stich sorgte für meinen unregelmäßigen Atem. Vergeblich versuchte ich mich irgendwo festzuhalten und glücklicherweise kam er mir zur Hilfe.

𝐇𝐞𝐚𝐥𝐞𝐫Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt