Blut für Blut

254 13 2
                                    

Tarek

Die Trommelschläge meiner Pfoten, die hart auf dem nieder gedrückten Gras, gepaart von Steinen, aufsetzten, schlugen im selben Rhythmus wie mein Herz. Rund um mich hingen Nebelschwaden, dicht an dicht und nahmen mir die Sicht. Ich brauchte meine Augen auch gar nicht um zu wissen, dass ich von mehreren Wesen verfolgt wurde. Ihre schweren Schritte und ihre zischende Laute drangen deutlich an meine Ohren. Schon seit zwei Tagen irrte ich in diesem Nebelmeer umher, blind und ohne Orientierung. Ich wusste nicht wo ich mich befand, geschweige denn an was für einen Ort mich diese Hexe geschickt hat. Die Angst hier zwischen dem Nebel ungesehen von der Welt mein Ende zu finden, hatte sich tief in meinem Herzen verankert. Zudem machte ich mir Sorgen um meine Freunde. Vor allem um Sera und Liv.
Wo waren sie? Waren sie zusammen? Oder irrten sie wie ich einsam durch eine neue Welt?
Ich versuchte alle meine Gedanken an sie zu verdrängen und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Wenn ich ihnen helfen wollte, musste ich zuerst einen Weg hier raus finden und meine Verfolger abhängen oder vernichten.
Ein grauer Umriss tauchte vor mir auf, es stellte sich als Felsen heraus und ich nutze die Chance. Mit einem Satz landete ich oben, drehte mich um und blickte in den Nebel. Hässliche Kreaturen schälten sich aus dem ihm heraus. Ihre Gesichter waren entstellten und wirkten wie  bemalte Fratzen. Sie trugen Rüstungen, ebenso grau wie die ganze Umgebung. Ihre Haare fielen ihnen verfilzt ins Gesicht. Ihre Münder standen offen und entblössten schwarze Zähne, wenn sie welche hatten. Ihr Atem kam rasselnd und ihre Augen leuchteten Gelb und Rot. Ich bleckte die Zähne, zog die Lefzen hoch und knurrte. Die Meute blieb unterhalb des Felsens stehen, drei spannten ihre schwarzen Bögen. Der Grösste trat vor.
„Hautwechsler! Du hast  hier nichts zu suchen! Komm runter und stell dich uns!“, brüllte er wobei er um sich spuckte.
Am liebsten hätte ich mich umgedreht und das Weite gesucht. Nicht weil ich mich fürchtete vor diesen Kreaturen. Nicht aus Angst ich könnte bei so einem Angriff das Leben verlieren. Nein, das konnte ich nicht. Doch hätte ich erst einmal das Blut geschmeckt, gab es kein zurück mehr. Das Blut weckte in mir die Wildheit des Wolfes, die Gier nach mehr, die unersättlich war. Dennoch sprang ich mit einem lauten Heulen vom Felsen, landete auf dem Grossen und zerfetzte ihm mit wenigen Bissen die Kehle. Dunkelrotes fast schwarzes Blut floss ihn meinen Maul, rann mir die Kehle hinunter. Behände sprang ich den Nächsten an, wich den Pfeilen aus, die dicht an mir vorbei flogen. Ich verbiss mich in der Wade und riss ein gutes Stück Fleisch heraus. Ich schlug zu, bearbeitete den Bauch bis die Gedärme heraus quollen. Erst dann wendete ich mich von dem Toten ab.
Ein Pfeil bohrte sich in meine linke Flanke, ich spürte keinen Schmerz, keine Angst nur blinder Hass. Ich war ganz die Bestie, von der in Legenden die Rede war. Nichts konnte mich aufhalten. Zwei weitere Kreaturen fielen meinen Klauen, die ihnen über Gesicht und Bauch gefahren waren, zum Opfer. Sie zuckten noch, versuchten zu Atmen. Ich liess sie zurück. Um den letzten der Meute zu töten. Er stand bereit, sein Schwert hielt er mit beiden Händen. Das Gesicht ausdruckslos. Ich umkreiste ihn, langsam, setzte immer wieder zum Sprung an und führte ihn nicht aus. Ich spielte. Wie eine Katze mit der Maus. Ein Spiel bei dem die Maus bereits ahnte, dass es keinen Ausweg mehr gab. Auch ich sah meinem Verfolger an wie die Hoffnung ihn verliess.
Genug gespielt! Mit einem weiten Sprung lande ich hinter ihm. Meine Zähne graben sich in das stinkende Fleisch seines Armes. Mit einem Brüllen, liess er sein Schwert fallen und ich beendete, was sie angefangen hatten. Zufrieden glitt mein Blick über das Schlachfeld. Abgetrennte Gliedmassen verteilten sich auf der Wiese, das Gras war schwarz und klebrig vom Blut. Aasvögel kreisten bereits über den Leichnamen und ich machte mich davon. Nach immer pumpte mein Herz das Blut der Bestie durch meinen Körper. Ich wusste, dass meine Augen gefährlich leuchteten und mein Fell war voller Blut. Blut lockte andere Raubtiere an. Ich musste ein Gewässer finden.

Ich war gerannt bis meine Beine drohten nachzugeben. Möglicherweise rannte ich auch im Kreis, bei dem dichten Nebel konnte ich mich nicht orientieren. Zumindest war ich nicht mehr am Schlachtfeld vorbei gerannt, diese Erkenntnis beruhigte mich. Das gleichmässige Aufschlagen meiner Pfoten war langsamer geworden und ab und zu geriet ich aus dem Takt. Endlich als die Nacht bereits hereinbrach, erreichte ich einen See. Zuerst trank ich gierig, versuchte den Geschmack vom Blut loszuwerden. Vorsichtig glitt ich hinein und wandelte mich zurück. Die Kälte traf mich wie ein Schlag und ich keuchte auf. Vorsichtig schwamm ich etwas in den See hinaus, wieder zurück. Ich zog mich aus dem See und setzte mich ans Ufer. Bevor ich mich wieder in einen Wolf verwandelte, wollte ich Klarheit in meinem Kopf, die Kälte würde mir dabei helfen.
Plötzlich fühlte ich etwas Kaltes, das sich an meinen Hals drückte.
„Sieh an, wen haben wir den da?“, fragte eine weiche Frauenstimme, „ein Hautwechsler.“
Ich ärgerte mich darüber, dass mich hier jeder zu erkennen schien.
„Was wollt ihr?“; frage ich genervt.
„Ich habe nach dir gesucht Tarek. Ein Freund schickt mich und er braucht deine Hilfe. Zieh dir das an, dann reden wir.“
Ein Bündel Kleider wurde mir hingehalten. Ich hörte wie sich ihre Schritte entfernten, erst dann erhob ich mich und schlüpfte ins Hemd, das Wams, die Hosen und Stiefel. Das Hemd kratzte, die Hose aus Leder klebte regelrecht an meiner Haut. Nur die Schuhe und das Wams aus weichem Leder fühlten sich bequem an. Ich drehte mich um und blickte in das wunderschöne Gesicht einer Elbe. Ich konnte nicht anders, ich starrte. Und sie schien es amüsant zu finden.
„Entschuldige bitte, aber ich habe schon so viel über dein Volk gehört, doch noch nie eine Elbe oder einen Elb gesehen.“
„Es sie dir dieses eine mal verzeiht“, erwiderte sie schmunzelnd.
„Wer braucht nun meine Hilfe?“
„Ich erzähle es dir unterwegs. Die Nebelfelder von Oiomúre sind gefährlich, man sollte nicht länger als nötig hier verweilen. Komm es gibt einen Gebirgspfad, haben wir ihn erst einmal erreicht, droht uns keine Gefahr mehr.“
Erneut drehte sie sich um und lief lautlos und schnell davon. Ich folgte ihr, hatte jedoch Mühe mit ihr Schritt halten zu können.

Wir erreichten den Gebirgspfad ohne weitere Zwischenfälle. Die Elbe führte mich über einen schmalen Pfad hin zu einer Höhle. Im Inneren brannten bereits Feuer und mehrere Elben sassen rundherum. Zwischen ihnen gab es auch einige Hobbits und Zwerge. Wir liessen und an einem Feuer in der hintersten Ecke nieder. Und sie begann zu erzählen.
„Gimli ist in die Hände von Thranduil geraten und in den Kerker gesperrt worden. Thranduil wird ihn nicht gehen lassen, niemals. Dafür ist er zu besessen von seinem Plan. Alleine kann ich Gimli nicht befreien, ich brauche deine Hilfe und am besten auch die deiner Freunde.“
„Wer bist du eigentlich? Ich meine natürlich werde ich Gimli helfen, aber ich habe keine Ahnung wo die anderen sind. Ich glaube wir sind an unterschiedlichen Orten gelandet.“
„Ich bin Tauriel. Ich kenne Legolas und Nevraiel von Früher. Ich denke ich weiss wo sie sind. Kennst du Aman? Denn hier sind wir. Aman, so nennt sich dieser Kontinent. Ich kann dir den Weg zu Nev zeigen.“
Ich gab mein Einverständnis und sie streckt die Arme aus um meinen Kopf zwischen ihren Händen zu halten. Ich konnte mir ein lautes Seufzen gerade noch verkneifen. Ihre Hände waren wunderbar weich und warm. In meinem Kopf sah ich den Weg, eine Stadt mit einem grossen Turm, der alles überragte. Dann eine Strasse, die aus der Stadt hinaus führt. Einen Wald und eine Hüte.
Langsam zog Tauriel ihre Hände zurück, streifte dabei meine Wangen. Ich blickte in ihre grüngoldigen Augen.
„Was ist mit Liv?“, brachte ich mühsam hervor und wandte meinen Blick ab.
„Ich werde zu ihr gehen. Zuerst überqueren wir gemeinsam das Gebirge, dann wirst du der Strasse nach Tirion folgen. Du wirst Nev dort irgendwo finden und Legolas auch. Unterdessen gehe ich nach Lórien. Dort befindet sich Liv in der Obhut von Frau Galadriel.“
„Gut und wo treffen wir uns?“
„Alles zu seiner Zeit Wolf“, erwiderte sie mit einem Lächeln, „nun ruh dich aus, der Kampf hat dich bestimmt einiges an Kraft gekostet.“
„Ich hatte gehofft, dass du das nicht mitbekommen hättest“, sagte ich und wagte es nicht den Kopf zu heben. 
„Der Wolf ist ein Teil von dir, ihr beide könntet nicht ohne den anderen Leben. Er hat dir dein Leben gerettet, ob es nun richtig war oder falsch, das weiss niemand. Aber ich habe bestimmt nicht das Recht darüber zu urteilen.“
Ich höre wie sie sich erhob und zu den Fellen ging, die auf dem Boden aufgereiht waren. Ich folgte ihr nach einigen Minuten und legte mich neben sie.  Sie hatte mir den Rücken zugedreht und unter der leichten Decke zeichneten sich die Umrisse ihres Körpers ab. Bestimmt war ihre Haut weich wie Seide und makellos wie ein polierter Edelstein. Ich verwarf diese Gedanken sofort wieder. Sie war eine Elbe. Ein wunderschönes, kluges und gütiges Wesen. Bei ihr standen meine Chancen schlecht. Und ich wollte nicht noch einmal mit einem gebrochenen Herzen davon kommen.

Love me till the EndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt