Arbeitstag

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Seraphia

Mit einem lauten 'Pling' öffnete sich der Lift. Ich trat hinein, drückte auf den Knopf und fuhr hoch in den ersten Stock. Dort stieg ich aus, Gartenbücher nahmen mich in Empfang. Gleich vor den Liften hatten wir nämlich eine Gartenpyramide. Ich schlenderte um den Büchertisch herum und ging weiter nach hinten, passierte den grossen Plüschbär Theo und bog dann links ab. Nun gab es links und rechts eine Türe, ich wählte die Linke und stellte meine Tasche ab. In diesem kleinen Raum lagerten wir Bücher, die wir mehrfach an Lager hatten, und für die es im Gestell keinen Platz hatte. Aber auch Vorschauen, Artikel, die meine Arbeitskolleginnen, noch mit nach Hause nehmen wollten und natürlich unsere Jacken und Taschen. Bevor ich den Raum verliess, blickte ich auf unsere Motivationswand. An ihr hatten wir Fotos von attraktiven Männern aufgeklebt. So hing da zum Beispiel  Hugh Jackman, Tom Hiddleston (als Loki), Johnny Depp und viele weitere. Schliesslich löste ich meinen Blick von der Wand und stellte mich hinter die Infotheke, fuhr den Computer hoch und begrüsste die Anderen, die einer nach dem anderen eintrafen.

Heute waren wir zu dritt auf dem Stock, aber unser neuer Abteilungsleiter würde auch noch kommen. Einfach etwas später. Er war schon einmal hier gewesen und alle schwärmten von ihm. Jung, motiviert und sehr gebildet sei er, lobten sie ihn in hohen Tönen. Auch sein Aussehen war top. Ich schaltete mein Gehör auf Durchzug, als sie anfingen über seine unglaubliche Schönheit zu diskutieren.

Es war sehr ruhig, kaum jemand verirrte sich bei diesem schönen Wetter in eine Buchhandlung. Ich fing an die Bücher zurechtzurücken, zusammen zu schieben. Ich stand auf den Zehenspitzen und versuchte vergeblich die Sachbücher für Kinder wieder schön aufrecht stehend hinzubekommen. Leise fluchte ich vor mich hin und streckte mich noch mehr. Plötzlich spürte ich die Wärme eines anderen Körpers.

„Lass mich das machen.“ Die Stimme kannte ich. Ich blieb reglos stehen, wagte es nicht mich zu bewegen. Dann hätte ich ihn berührte und das wollte ich auf jeden Fall  vermeiden. Seine Nähe hatte schon eine zu starke Auswirkung auf mich. Verdammt!

Endlich trat er zurück, ich drehte mich um. Meine Gesichtszüge entglitten mir kurz. Aber es reichte, er hatte es gesehen, doch sein Gesicht blieb gleich. Kein Anzeichen dafür, ob er sich freute oder meine Reaktion in enttäuscht hatte.

„Ich bin Sten, der neue Abteilungsleiter.“

Wir gaben uns die Hände.

„Freut mich“, würgte ich mühsam hervor.

„Ja das sieht man dir an“, er sprach leise, so leise dass nur ich es hören konnte.

Ich wollte darauf gerade giftig etwas erwidern doch Petra, meine Arbeitskollegin, kam dazwischen.

„Sera, würdest du Sten nicht ein bisschen herumführen? Er hat bestimmt noch nicht alles gesehen.“

„Ich glaube nicht, dass Sera über das nötige Wissen verfügt“, merkte Sten an.

Am liebsten hätte ich ihm eine reingehauen. Was bildet der sich ein?!

„Es ist eine gute Übung für sie.“

So war es beschlossene Sache.

Zuerst fuhren wir hinab ins Zweite Untergeschoss, ich stand so weit wie möglich von Sten entfernt. Plötzlich fand ich den Lift erdrückend eng  und es war, als fehle mir die Luft zum Atmen. Sten, falls er sich ebenfalls unwohl fühlte, liess sich nichts anmerken. Diese ausdruckslose Miene musste ich unbedingt lernen. In der Logistik zeigte ich ihm die Remittenden-Wagen.

„Also Bücher die wir an die Lieferanten zurückschicken, laden auf diese Wagen. Wie du siehst, sind sie nach Auslieferung sortiert. Bei den grossen Lieferanten haben wir noch Unterkategorien. Aber die sind angeschrieben“, erklärte ich ihm. Sten sagte nichts, also ging ich weiter. Ich hatte keine Ahnung was in ihm vorging und das nervte mich. Gefiel ihm die Führung? Langweilte ich ihn?

Love me till the EndWo Geschichten leben. Entdecke jetzt