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Wir stehen eine gute halbe Stunde mit Nelu und Adonis am Straßenrand, nachdem Corneliu Serafin zugesichert hat, dass er sein Fahrzeug und seine Sprösslinge sofort abholt, und warten.

Er war nicht annähernd so schockiert und wütend, wie es mein Vater an seiner Stelle gewesen wäre, wenn Louis oder ich mit seinem Wagen ohne Führerschein in eine Verkehrskontrolle gekommen wären, doch traurigerweise überrascht mich das nicht sonderlich.

Zwischenzeitlich haben wir die Wartezeit damit überbrückt, den Wagen auf links zu drehen und zu durchsuchen. Neben einem Klappmesser, was aufgrund der Klingenlänge in Deutschland als Waffe eingestuft und damit verboten ist, haben wir auch ein kleines Tütchen mit schätzungsweise einem Gramm Gras in der Seitenablage gefunden.

Leonidas Serafin haben wir mittlerweile genau wie den Freund der Jungen nachhause geschickt, schließlich haben die beiden nichts verbrochen, da setzt Sam erneut an, den störrischen Adonis zu bekehren.

"Meinst du, dich kommt überhaupt jemand im Jugendvollzug besuchen?", stichelt er. "Dein Vater schien beim letzten Mal nicht besonders viel Mitgefühl zu haben, als du auf die Schnauze bekommen hast. Vielleicht erbarmt sich ja wenigstens deine Schwester, wobei mich das wundern würde, so wie du letztens mit ihr geredet hast."

Adonis' Miene verdunkelt sich. "Nur weil dein Kollege auf meine Schwester steht, musst du die jetzt nicht jedes Mal mit reinziehen", knurrt er und zieht abwehrend die Schultern hoch.

Ein leichtes Unwohlsein breitet sich in meiner Magengrube aus. Ich habe gehofft, ich würde dieses Thema einfach umgehen können, doch Adonis scheint der Vorfall noch immer auf der Seele zu brennen. Sam hingegen lacht schadenfroh auf. Wieder einmal ist es ihm mit Leichtigkeit gelungen, den kriminellen Jugendlichen aus der Reserve zu locken.

"Ich kann dich ja da besuchen kommen", schlägt mein Kollege zwinkernd vor und mir entgeht das leichte Schmunzeln nicht, dass über Nelus Lippen huscht.

Der Einzige, der über dieses Angebot nicht lachen kann, ist Adonis. "Ich hab genauso wenig Bock auf euch Bullen wie meine Schwester", entgegnet er ernst und sieht mir dabei mit festem Blick in die Augen. Es ist offensichtlich, worauf sich seine Anspielung bezieht.

Wie gerne würde ich ihm unter die Nase reiben, wie falsch er mit seiner Behauptung liegt, doch ich tue es nicht, schließlich habe ich Esmeralda mein Wort gegeben. Wie immer erscheint ihr schönes Gesicht vor meinem inneren Auge, wenn ich an sie denke. Das friedliche Lächeln, die grünen, funkelnden Augen, doch seit unserem gemeinsamen Wochenende mischen sich auch neue Gefühle unter meine Erinnerungen: ihre vollen, weichen Lippen sehnsüchtig auf die meinen gepresst, ihre samtweiche Hand in meiner, ihre Wärme, innerlich und äußerlich.

"Ich glaube, du bist eigentlich gar nicht so übel, wenn du nicht immer so 'ne Scheiße verzapfen würdest", kommentiert Sam und übergeht Adonis' Spitze damit gekonnt. "Und du", nun richtet er sich an Nelu. "Du bist doch komplett falsch in der ganzen Nummer. Du bist klüger als die anderen, vernünftiger. Wie zur Hölle bist du da nur reingerutscht? Ist das dieser Trugschluss mit "Blut ist dicker als Wasser", dass du ständig in diese Sachen verwickelt wirst?"

Nelu antwortet nicht, weicht stattdessen dem prüfenden Blick aus Sams himmelblauen Augen aus. Scheint, als hätte mein Partner den Nagel auf den Kopf getroffen.

"Ihr seid doch noch jung genug, um was zu ändern. Ihr könnt eure Schule beenden, einen Abschluss bekommen, eine Lehre machen."

"Und dann wie ihr beide den ganzen Tag im Büro vergammeln? Niemand muss Bulle werden", kommentiert Adonis und gibt sich betont hart und kämpferisch.

"Ach hör doch auf mit dem ACAB-Bullshit", lacht Sam höhnisch. "Wer bist du? Pablo Escobar? Willst du dein Leben lang von Euro zu Euro leben mit deinen Diebstählen, immer ein Bein im Knast?"

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt