30

221 13 8
                                    

"Was geht?", begrüßt Louis mich grinsend, der quer über der Couch im Wohnzimmer hängt. Ich lasse meine Sporttasche in den Flur fallen, streife die Sneakers von den Füßen und laufe zu ihm herüber.

"Wo warst du den ganzen Tag? Hattest du nicht frei?", erkundigt er sich und gibt mir ein Highfive.

Ich lasse mich ihm gegenüber in einen der zwei dunklen Ledersessel fallen. "Ich sage dir jetzt die Wahrheit, weil Miss Marple persönlich mich eh schon überführt hat."

Fragend sieht Louis mich aus seinen braunen Augen an, die Stirn in skeptische Falten gelegt.

"Anna. Ich habe sie vorhin am Hauptbahnhof getroffen", erkläre ich nüchtern.

"Achja, sie war heute in Köln bei einem Termin und ist mit dem Zug gefahren.. Aber was hast du da gemacht?"

"Ich habe Esmeralda zum Bahnhof gebracht, ich war heute mit ihr in Holland am Strand", verkünde ich, kurz und schmerzlos, als würde ich ein Pflaster abreißen.

Louis sieht mich prüfend an. Einige, quälend lange Sekunden, sieht er mir so tief in die Augen, dass es mich fröstelt. Ich mache mich schon auf den nächsten Vortrag gefasst, da fragt er: "Hattet ihr einen schönen Tag?"

Überrascht lächele ich ihn an. Damit habe ich nicht gerechnet. "Und wie. Es war einfach zu schön, um wahr zu sein."

"Hast du Fotos gemacht?", erkundigt er sich.

Aufgeregt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht nicke ich. "Zeig her", fordert mein älterer Bruder mich mit einem milden Lächeln auf.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche meiner Jeans und zeige Louis die Bilder, die Esmeralda und ich heute voneinander oder gemeinsam gemacht haben. Wir beide beim Mittagessen, ein Selfie von oben, wie wir im Sand liegen, ich, wie ich grinsend eine Bodybuilder-Pose mache. Ein paar Bilder haben wir sogar mit dem Selbstauslöser gemacht, beispielsweise wie ich Esmeralda vor der Kulisse des endlos weiten Meeres in die Luft hebe und küsse.

Louis betrachtet die Bilder schweigend, lacht immer mal wieder auf und schlägt mir abschließend auf die Schulter. "Sie ist so hübsch, sie sieht aus wie ein Model. Passt gar nicht zu dir."

Ich verdrehe die Augen. "Spaß", grinst er. "Du siehst selber aus wie ein Model. Du wirst immer breiter, du bestehst nur noch aus Muskeln, während ich immer fetter werde", klagt er und klopft auf seinen Bauch.

"Das sind die Wohlstandskilos, die man in einer Beziehung anhäuft", beschwichtige ich ihn.

"Na dann mach dich schon mal darauf gefasst, dass die Form deines Lebens bald auch nur noch Geschichte ist" feixt Louis wissend.

"Anna meinte, ich soll Esmeralda zu meinem Geburtstag einladen."

Mein älterer Bruder zuckt mit den Schultern. "Wenn mich jemand nach einem Beziehungsrat fragt, schicke ich denjenigen immer weiter zu Anna. Von daher - sie wird schon Recht haben."

"Du bist doch absolut gegen unsere Beziehung", entgegne ich unsicher.

Louis deutet auch mein Handy, auf dem noch ein Bild von Esmeralda und mir geöffnet ist. Wir lächeln uns glücklich und verliebt an, während ich sie fest in meinen Armen halte und an mich presse. Sie schaut zu mir auf, himmelt mich nahezu an, während ich auf sie herunter schaue. Unsere Augen leuchten miteinander um die Wette und wir sehen aus, wie aus einer kitschigen Werbung für irgendeine Dating-App, die suggeriert, man könne bei ihnen ganz sicher in 11 Sekunden die große Liebe finden.

"Wie könnte ich gegen etwas sein, dass dich so glücklich macht?"

Es passiert selten, doch Louis macht mich sprachlos. Er ist kein emotionaler, wortgewandter Mensch, doch wenn er mal einen raushaut, dann richtig.

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt