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Esmeralda wartet schon bei der Garderobe und hat ihre dicke, schwarze Winterjacke mit Kapuze und Fellkragen über ihr enges Kleid gezogen.

Als sie mich sieht, erhellt sich ihr Gesichtsausdruck postwendend. "Ich dachte schon, du hast es dir anders überlegt", begrüße sie mich schmunzelnd und scheint froh zu sein, dass sie falsch lag.

"Auf gar keinen Fall", erwidere ich sofort. "So eine einmalige Chance muss ich nutzen. Wir haben aber ein Problem", erkläre ich und halte Esmeralda höflich die schwere Eingangstür auf.

Beunruhigt sieht sie mich aus ihren runden Augen an.

"Ich bin nicht mit meinem Auto hier, weil ich getrunken habe. Was möchtest du denn jetzt unternehmen?", frage ich sie und lege meinen Arm schützend um ihre Schultern.

Es gefällt mir, dass ich endlich ungeniert ihre Nähe suchen kann und dass sie es zulässt, denn sie lehnt ihren Körper schutzsuchend gegen den meinen.

Wir beratschlagen uns und entscheiden uns schlussendlich aufgrund der Kälte, die uns schnell in unsere Kleidung kriecht, und der akuten Immobilität dazu, uns einfach spontan ein Hotelzimmer zu nehmen und dort unsere Zweisamkeit zu genießen.

Ich denke kurz auch darüber nach, sie mit zu mir nachhause zu nehmen, entscheide mich aber dagegen. Solange auch nur die kleinste Chance besteht, dass Esmeralda doch keine ernsten Absichten hat und sie oder ihre Familie mir schaden will, kann ich das nicht riskieren. Würde ich alleine wohnen, wäre die Situation eine andere, aber so muss ich meine Eltern schützen. Würde ihnen aufgrund meiner Naivität etwas passieren, könnte ich mir das nie verzeihen.

Mit meinem Handy buche ich uns in wenigen Sekunden ein schönes Doppelzimmer in einem mittelpreisigen Hotel am Duisburger Innenhafen.

Während der Taxifahrt zum Hotel hängen wir beide unseren Gedanken nach und schauen durch die beschlagenen Fenster auf die dunklen Straßen, die an uns vorbeifliegen, während Esmeraldas Finger mit meinen verschränkt sind. Auf eine Art macht mich ihre körperliche Nähe ziemlich nervös, andererseits fühlt es sich an, als wäre es nie anders gewesen.

Ob der Taxifahrer denkt, wir seien ein Paar, dass gemeinsam unterwegs war, mit Freunden aus einer anderen Stadt einen geselligen Abend in der Disco verbracht hat und nun gemeinsam schlafen geht? Vielleicht denkt er aber auch, ich habe mir die hübsche Dunkelhaarige aufgerissen und wir fahren jetzt ins Hotel für einen wilden One-Night-Stand.

Dass wir uns heimlich verabredet haben, um die einmalige Gelegenheit zu nutzen ein einziges Mal ungestört Zeit miteinander zu verbringen, bevor wir uns voneinander fernhalten werden, wird er jedenfalls bestimmt nicht vermuten.

Fernhalten müssen trifft es eher.

Esmeralda folgt mir still aber lächelnd ins Hotel. Wir checken ein, bekommen die Schlüsselkarte ausgehändigt und fahren mit dem Aufzug in den dritten Stock.

Ich öffne die Zimmertür und lasse dem Mädchen mit den schönen Locken den Vortritt. Ihre hellgrünen Augen weiten sich, als sie sich beeindruckt in dem großen Hotelzimmer umschaut.

Es ist ein gepflegtes, einfaches Doppelzimmer mit einem großen Bett, einem verspiegelten Kleiderschrank, einem schmalen Schreibtisch mit passendem Stuhl und einer kleinen Sitzecke mit einem hölzernen Kaffeetisch und zwei schwarzen Ledersesseln. Schön, aber nicht besonderes, doch Esmeralda ist so begeistert, als hätte ich sie gerade in die Präsidenten-Suite im Adlon geführt.

"Wow, das ist so schön", staunt sie leise und bleibt unschlüssig mitten im Gang stehen. Ich ziehe meine Winterjacke aus und lege sie ordentlich über einen der Sessel. "Freut mich, dass es dir gefällt", antworte ich lächelnd.

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt