Die zehn Tage bis zu unserem Termin beim Konsulat vergehen zäh wie altes Kaugummi. Dieser Termin ist der letzte Strohhalm, an den ich mich klammere. Ein zarter Hoffnungsschimmer am sehr dunklen Horizont.
Es macht mich wahnsinnig, nichts von Esmeralda zu hören. Ich habe keine Ahnung, wie es ihr geht und was sie macht. Ich weiß nicht, ob ihr Vater ihr noch schlimmeres angetan hat. Dumm zuhause rum zu sitzen und zur Hilflosigkeit verdammt zu sein, macht mich krank.
Ich habe keinen Appetit, nehme drei Kilogramm an Masse ab. Meine aufgestaute Energie lasse ich beim Sport raus, mehrere Stunden, jeden Tag, sodass ich immer drahtiger und definierter werde.
Ich kapsele mich ab, verbringe viel Zeit alleine und kaum noch mit meinen Freunden oder meiner Familie. Immer wieder suchen meine Eltern, Louis, Sam und Nedim das Gespräch mit mir, probieren mich aufzubauen und abzulenken, doch ich bin nur noch eine leere Hülle, die zu funktionieren versucht. Innerlich bin ich zutiefst gebrochen, mein Herz schmerzt bei jedem Atemzug und die Sehnsucht nach Esmeralda übermannt mich mehrmals am Tag heftig.
Gleichzeitig entwickelt sich in mir der Drang, irgendwas zu verändern. Wenn ich die Situation mit Esmeralda schon nicht kontrollieren kann und diese Ohnmacht aushalten muss, versuche ich wenigstens Kontrolle über das zu bewahren, was noch bleibt.
Ich suche nach Wohnungen und vereinbare kurzentschlossen einen Termin zu einer Wohnungsbesichtigung. Es ist ein hübscher, bezahlbarer Neubau, knapp 100 Quadratmeter, drei Zimmer, Küche, Hauptbadezimmer und kleines Gästebad im Erdgeschoss mit Terrasse und kleinem Gartenstück. Es gibt eine Kaufoption und sie ist sofort bezugsfertig. Ohne weiter darüber nachzudenken unterschreibe ich sofort den Mietvertrag.
Ich brauche eine Veränderung und mich Hals über Kopf in die Einrichtung meiner ersten eigenen Wohnung zu stürzen scheint mir das absolut richtige Projekt zu sein.
Außerdem nehme ich all meinen Mut zusammen und bewerbe mich beim SEK. Schon immer war es mein Traum, ein Teil des Spezialeinsatzkommandos zu sein. Die besondere Herausforderung durch schwierige Einsätze, der hohe Anspruch an die körperliche Fitness und der regelmäßige Adrenalinkick schreien einfach meinen Namen und ich wäre dumm, wenn ich es nicht wenigstens bversuchen würde, auch wenn ich eigentlich noch zu jung dafür bin.
"Machst du gerade einen Scherz?", reißt Louis mich aus meinen Gedanken. Dass ihm nicht die Gabel mit seinem Hähnchenschnitzel aus der Hand fällt, ist alles.
Ich schüttele entschieden den Kopf. "Ich hab's Mama und Papa auch schon gesagt. Ich habe mir eine Wohnung gesucht und werde ausziehen."
"Aber wieso denn auf einmal?", fragt er empört und ich weiß, dass er beleidigt ist, dass ich ihn vor vollendete Tatsachen stelle.
"Hat sich kurzfristig ergeben. Ich wollte eigentlich nur mal gucken und dann habe ich ein super Angebot bekommen." Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und zeige Louis Fotos meiner neuen Wohnung.
"Schön", antwortet er einsilbig.
"Boah Louis", jammere ich.
"Was denn? Ich sag doch ist schön", gibt er schulterzuckend zurück.
Ich rutsche auf meinem Stuhl nach hinten und sehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Du hast dich gerade mit Anna verlobt und wirst heiraten. Tu doch nicht so, als würdest du nicht bald selbst ausziehen."
"Bald. Nächstes Jahr oder so", grummelt er.
"Kannst du dich nicht einfach für mich freuen?"
"Tue ich ja.. Aber wenn wir nicht mehr zusammenwohnen, werden wir uns bestimmt gar nicht mehr sehen. Wir arbeiten beide im Schichtdienst und unternehmen so schon mega wenig miteinander. Wenn du jetzt auch noch ausziehst, sehen wir uns gar nicht mehr. Kein Abendessen zusammen, keine Hunderunden, kein kurzes Quatschen auf dem Flur."
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Esmeralda - Smaragdgrüne Augen
RomansDas erste, was ich sehe, sind ihre strahlenden Augen. Smaragdgrün, funkelnd wie zwei Edelsteine. Einmal mehr bin ich froh, dass meine Uniform mich nicht nur vor Wind und Wetter schützt und mir eine gewisse Autorität verleiht, sondern dass sie den Po...