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Als ich am Abend meines ersten Arbeitstages durch die Tür des Polizeipräsidiums ins Freie trete, sind meine Gedanken noch immer bei Esmeralda. Ihr hilfloser Blick und ihre spürbare Angst lassen mich nicht los.

Ich bin mittlerweile das fünfte Jahr bei der Polizei. Mit 18 Jahren, gleich nach dem Abitur, habe ich meine Ausbildung im gehobenen Polizeidienst begonnen und diese mit 21 Jahren abgeschlossen.

Aber ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich in den fünf Jahren einen Einsatz hatte, bei dem ich im Nachhinein noch ein so schlechtes Bauchgefühl hatte.

Mein Gefühl sagt mir, dass mit Esmeralda irgendwas nicht stimmt, neben all der Dinge, die schon ganz offensichtlich nicht stimmen, wie ihre katastrophale Wohnsituation und ihre kriminelle Familie.

Gedankenverloren öffne ich die Fahrertür meines Autos. Ich fahre einen schicken Audi A5, der mein ganzer Stolz ist. Ich hätte mir für das selbe Geld auch einen BMW oder Mercedes holen können, aber die gängigen Modelle sind genau die Autos, die wir in allgemeinen Fahrzeugkontrollen regelmäßig aus dem Verkehr ziehen und das hat mich abgeschreckt. Ich halte nichts von PS-Posern und Leuten, die sich nur durch einen teuren Wagen profilieren und definieren und wollte mich durch die Wahl meines Autos nicht mit denen in eine Schublade stecken lassen.

Ausnahmsweise ist die A3 heute relativ leer und so brauche ich nur eine gute halbe Stunde von der Wache nachhause.

Mein Elternhaus steht in dem schönen Oberhausener Stadtteil Königshardt, direkt angrenzend an den Hiesfelder Wald in einer ruhigen Einfamilienhaus-Siedlung.

Obwohl ich mittlerweile schon seit zwei Jahren ausgelernt bin und mir wohl problemlos eine eigene Wohnung leisten könnte, habe ich dafür bisher noch keinen Bedarf gesehen.

Sowohl meine Eltern als auch mein älterer Bruder Louis und ich sind voll berufstätig und daher eh kaum zuhause. Ich genieße ehrlich gesagt den Luxus, dass ich in meiner spärlichen Freizeit nicht auch noch putzen, einkaufen oder Wäsche waschen muss. Darüberhinaus ist es für mich einfach schöner zu meiner Familie nachhause zu kommen, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis habe, als in eine leere Wohnung zu fahren und meinen Feierabend alleine zu verbringen. Hätte ich eine Freundin, wäre meine Einstellung vielleicht eine andere, aber aktuell bin ich mit der Situation zufrieden.

Ich schließe die weiße Eingangstür auf und werde schon schwanzwedelnd von Nike und Zeus, unseren beiden Weimeranern, begrüßt.

"Nick?", ruft meine Mutter durchs Erdgeschoss. "Ja", antworte ich und ziehe mir die schweren Einsatzstiefel von den Füßen. Dann laufe ich durch den Flur in die geräumige Küche, in der meine Mutter am Herd steht und in einem großen Topf rührt. Ihr blondes schulterlanges Haar hat sie wie so oft akkurat zusammengesteckt und über der feinen weißen Bluse trägt sie eine rotkarierte Kochschürze.

Ich drücke ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange und sie lächelt mich liebevoll an. Ihre blauen Augen strahlen und sind gerahmt von einigen deutlichen Lachfältchen.

"Wie war dein erster Tag?", fragt sie interessiert, legt den Kochlöffel beiseite und kippt ein paar kleingeschnittene Tomaten in den Topf.

"Das erzähle ich dir gleich ausführlich, ich muss nur erstmal die Uniform loswerden", erkläre ich entschuldigend und laufe über die schmale Wendeltreppe nach oben.

Mein Bruder Louis und ich haben im Dachgeschoss unsere Schlafzimmer, ein kleines Wohnzimmer und ein eigenes Bad.

Louis, zu dem ich ein gutes freundschaftliches Verhältnis habe, ist zwei Jahre älter als ich und arbeitet als JVA Beamter in der Jugendjustizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf. Den Sinn für Recht und Gerechtigkeit haben wir wohl von unserem Vater geerbt, der als Oberstaatsanwalt beim Landgericht Duisburg tätig ist. Unsere Mutter ist die einzige, die aus der Reihe schlägt, denn sie arbeitet als Personalleiterin beim Oberhausener Jobcenter.

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt