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"Junge, Junge", stöhnt Sam auf und wirft den Whiteboard-Marker im hohen Bogen auf seinen Schreibtisch.

Wir haben den verhältnismäßig ruhigen Morgen dazu genutzt, die gestern aufgenommenen Personalien in Kombination mit Daten des Einwohnermeldeamtes und des Polizeiregisters, in dem Informationen gespeichert werden, dadurch dass die Personen im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme in Erscheinung treten, zu einem umfassenden Familienstammbaum zusammenzubringen.

Es hat mehrere Stunden gedauert, bis wir die einzelnen Puzzleteile zusammengefügt haben und langsam den Durchblick bekamen.

In der Henriettenstraße 16 wohnen verteilt auf zwei Etagen die Brüder Corneliu und Valeriu Serafin, so wie es bereits gestern Wolf treffend zusammenfasste: "mit ihren Frauen und zahlreichen Kindern".

Corneliu, der jüngere Bruder, hat mit seiner Frau Mariana ganze sieben Kinder. Stella, sieben Jahre, und Aurelia, neun Jahre, sind die beiden kleinen Mädchen, die bei unserem Eintreffen auf dem Hof mit ihren Barbies gespielt haben. Dann gibt es jeweils mit einem Jahr Abstand Ilarion, Nelu, Adonis und Casian, letzterer gerade volljährig, und Esmeralda, die zwanzig Jahre ist.

Valeriu, der ältere Bruder und seine Frau Florentina haben dagegen "nur" vier Kinder, wobei die älteste Tochter Leana bereits verheiratet und ausgezogen ist. Noch in der Henriettenstraße wohnend sind Oana, fünfzehn Jahre, Leonidas, siebzehn Jahre und Zeno, zwanzig Jahre.

Besonders aktenkundig ist neben den beiden erwachsenen Familienoberhäuptern allen voran Adonis, gefolgt von Leonidas und Oana. Die meisten Anzeigen und Ermittlungsverfahren beruhen auf Diebstählen, aber auch Körperverletzung, illegaler Drogen- oder Waffenbesitz tauchen immer wieder auf.

"Mir raucht der Schädel", pflichte ich ihm mit einem letzten Blick auf das vollgeschriebene Whiteboard bei und lasse mich erschöpft etwas tiefer in den schwarzen Drehsessel sinken.

Bei unserer Recherche haben wir auch herausgefunden, dass Valeriu und Corneliu noch weitere Geschwister haben, die in der ganzen Bundesrepublik und darüberhinaus in der gesamten Europäischen Union verteilt und der Datenbank zufolge nicht minder straffällig in Erscheinung getreten sind.

"Ich würde sagen, dass wir uns unsere Mittagspause wirklich redlich verdient haben. Frühstück?", schlägt Sam vor und sieht mich erwartungsvoll an. Ich grinse: "Sowas von!"

Schwerfällig erhebe ich mich von meinem Schreibtisch. Ein wenig Bewegung ist genau das, was ich jetzt brauche. Ich bin froh, dass die reine Schreibtischarbeit in meinem Job eher einen kleinen Teil ausmacht. Ich brauche körperliche Arbeit, Action, Adrenalin. Lieber zehn Stadion-Einsätze während eines Derbys als drei Tage reines Akten wälzen, auch wenn man das aufgrund meiner meist ruhigen und besonnenen Art eher nicht vermuten würde.

Sam klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. "Ich weiß auch schon, wo wir hingehen. Das wird uns beide für die Strapazen entschädigen."

"Ach ja? Dann lasse ich mich mal überraschen", antworte ich und schnappe mir den Autoschlüssel, bevor ich Sam zum Parkplatz folge.

Sam navigiert mich ein wenig stadtauswärts Richtung B8, eben jener Bundesstraße, die direkt nach Duisburg Marxloh führt.

"Ich wollte eigentlich etwas Abstand von den Serafins", seufze ich, während ich den Streifenwagen auf die rechte Spur lenke.

"Glaub mir, wir nähern uns ihnen nur physisch, gedanklich wird dich das Essen in ein anderes Universum katapultieren", spuckt Sam große Töne.

"Du solltest das nicht so anpreisen. Meine Erwartungen sind jetzt so hoch, dass ich eigentlich nur enttäuscht werden kann", warne ich ihn mit starrem Blick auf die Straße.

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt