16

268 18 15
                                    

Esmeralda versteift sich neben mir, doch ich drücke beruhigend ihre Hand, bevor ich vom Bett aufstehe. "Das wird das Essen sein."

Zielstrebig öffne ich die Zimmertür und nehme ein silbernes Tablett mit einer großen Pizza entgegen. Mir steigt der herrliche Duft von frischem Teig, Knoblauch und geschmolzenem Käse in die Nase. Nach all dem Alkohol, den ich an diesem Abend fast wahllos ich mich reingeschüttet habe, wird mir diese fettige Mahlzeit gut tun.

"Hast du heute Abend eigentlich auch Alkohol getrunken?", frage ich Esmeralda und lege mich mit dem Tablett wieder neben sie. Hier im Hotel, wo die Bettwäsche morgen sowieso wieder gewechselt, gewaschen und gemangelt wird, kann man den Luxus genießen und im Bett essen.

"Ein wenig", gibt sie zu und grinst schief.

"Trinkst du öfter?", frage ich weiter. Ich versuche all die kleinen Puzzlestücke von Esmeraldas Charakter nach und nach zu einem großen Ganzen zusammenzubringen.

"Manchmal am Wochenende, wenn ich weggehe. Aber ich muss immer aufpassen, dass mich keiner meiner Brüder erwischt oder jemand, der mich bei ihnen verpetzt", erklärt sie, verdreht ihre schönen Augen genervt und nimmt selbstsicher ein Stück Pizza vom Teller. Der Käse zieht lange Fäden und Esmeralda beißt herzhaft hinein.

Es gefällt mir, dass sie sich nicht ziert oder vor mir geniert. Sie taut immer mehr auf, wird lockerer und ihre Augen leuchten wie Sterne.

Immer wieder muss ich mich zusammenreißen, sie nicht zu penetrant anzustarren, aber es fällt mir wirklich schwer. Sie ist ungelogen die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.

"Wie ist das eigentlich mit deinen vielen  Brüdern? Mit Adonis kommst du nicht so gut klar und Nelu scheint dir besonders am Herzen zu liegen, aber was ist mit den anderen?", erkundige ich mich und nehme mir nun auch ein Stück der Käsepizza.

Esmeralda überlegt kurz, wobei sich ihre hohe Stirn in Falten legt. Sie trinkt einen Schluck Cola und sieht mir dann direkt in die Augen.

"Mit Adonis komme ich nicht besonders gut klar, das habe ich dir ja schon erzählt. Wir sind acht Kinder, drei Mädchen und fünf Jungs, allerdings sind Stella und Aurelia noch kleine Kinder, demnach bin ich so gut wie alleine mit fünf Brüdern: Adonis, Casian, Nelu, Corvin und Ilarion." Sie stockt kurz und mustert mich aufmerksam, ihr Gesichtsausdruck ist unergründlich.

"Du weißt das alles schon, nicht wahr?", fragt sie offen und beißt unsicher auf ihrer Unterlippe herum.

Ich atme tief durch. "Natürlich weiß ich, wer deine Geschwister sind", gebe ich zu. "Aber ich möchte gerne wissen, wie es dir mit ihnen geht - nicht als Polizist, sondern als Nick. Aber wenn du nicht darüber reden willst,-", beginne ich, doch Esmeralda fällt mir ins Wort: "Schon gut", sagt sie und legt ihre Hand an meine Wange. Sanft streicht sie von meinem Ohr meinen Kiefer entlang und schenkt mir ein liebliches Lächeln.

Ich schließe für eine Millisekunde die Augen und genieße das Gefühl, dass Esmeraldas Zuneigung in mir auslöst, das wohlig warme Kribbeln in meiner Magengrube, wenn sie mir ein Lächeln schenkt oder einen tiefen Blick aus ihren smaragdgrünen Augen.

"Nelu ist ein guter Junge, er ist halt mein kleiner Bruder. Er liegt mir sehr am Herzen, das stimmt. Wir sind eng zusammen aufgewachsen und ich fühle mich für ihn verantwortlich. Aber er ist halt sehr naiv und.."

Wieder einmal hält sie inne und scheint mit sich zu hadern. Mehr und mehr kriege ich das Gefühl, dass sie sich mir gerne offenbaren würde, aber Gewissensbisse hat. So schlecht ihre Familie vermutlich zu ihr ist, ist es immer noch ihre Familie und diese zu verraten widerstrebt schlichtweg den Urinstinkten jedes Menschen.

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt