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Der Rest der Nachtschicht verlief ziemlich ruhig und ich falle um halb sieben morgens erschöpft ins Bett. Jetzt, wo ich zur Ruhe komme und alleine mit meinen Gedanken bin, kommt alles wieder hoch, was ich in den letzten Stunden auf der Arbeit einigermaßen erfolgreich verdrängt habe.

Ich mache mir große Vorwürfe und habe Angst, Esmeralda mit meinem undurchdachten und unvorsichtigen Verhalten in Probleme gestürzt zu haben.

Wieder einmal brennt es mir auf der Seele, bei ihr vorbeizufahren und nach ihr zu schauen. Ob sie noch bei Nelu im Krankenhaus ist? Würde es auffallen, wenn ich mich ganz offiziell nach seinem Zustand erkundigen würde? Vermutlich nicht, aber die Gefahr auf Adonis oder den Vater der Jugendlichen zu treffen ist zu groß. Spätestens dann würden die Serafins wittern, dass mein Interesse nicht rein beruflicher Natur ist.

Ich drehe und wende mich in meinem Bett und finde einfach nicht in den Schlaf. Ich lasse leise Musik dudeln und wechsele dann zu einem Podcast, aber meine Gedanken sind lauter als mein Handy. Ich bin zwar körperlich erschöpft von der langen Schicht, aber mein Kopf arbeitet auf Hochtouren.

Irgendwann gegen halb acht höre ich Louis im benachbarten Badezimmer rumrödeln und kurz darauf dringen auch Geräusche aus der unteren Etage nach oben, die darauf schließen lassen, dass unsere Eltern sich ebenfalls für die Arbeit fertigmachen.

Seufzend stehe ich auf und schlurfe in meinem dunkelblauen Jogginganzug runter in die Küche. Louis sitzt mit einem Kaffee am Esstisch, einen Teller mit Marmeladenbroten vor sich drapiert und blättert in der aktuellen Tageszeitung.

Als er mich sieht, wirft er mir einen fragenden Blick zu. "Was machst du denn hier? Bist du nicht gerade erst von der Nachtschicht gekommen?"

"Ja, bin ich", seufze ich und lasse mich neben ihn auf einen der dunklen Ledersessel fallen.

"Solltest du dann jetzt nicht tief und fest schlafen? Oder war ich zu laut?", hakt er schuldbewusst nach und nimmt einen Schluck aus seiner hellblauen Kaffeetasse.

Auch wenn wir uns optisch kaum voneinander unterscheiden, tun wir es charakterlich umso mehr. Louis ist offen und gesellig, hat immer einen frechen Spruch auf Lager und gehörte schon in der Schule immer zu den Beliebtesten. Auch jetzt auf der Arbeit ist er total integriert und dank seiner gnadenlos ehrlichen aber immer fairen Art selbst unter den Insassen einer der beliebteren Beamten. Er reitet nicht auf Prinzipien herum sondern lässt auch mal fünfe gerade sein, das kommt gut an.

"Nein, ist nicht deine Schuld, irgendwie komme ich heute nicht zur Ruhe", erkläre ich müde.

"Ist es wieder wegen diesem Mädchen?", hakt er aufmerksam nach und mustert mich neugierig.

"Ehrlich gesagt schon. Ich habe sie heute wieder getroffen. Zwei ihrer Brüder sind am Bahnhof in eine Schlägerei geraten und Sam und ich wurden dahin beordert, da ein Kollege der Streife den älteren der beiden erkannt hat."

"Und was hat das mit dem Mädchen zu tun?" "Der kleinere Bruder hat wirklich ordentlich was abgekriegt und als ich mit ihm gesprochen habe und wir auf den RTW gewartet haben, ist sie auf einmal am Bahnhof aufgetaucht. Ganz ehrlich, Louis, sie hat sich gefreut mich zu sehen. Sie war total aufgelöst wegen ihres Bruders, aber auch nur wegen des kleineren und ich habe sie getröstet."

Louis lacht dreckig. "Wie edel von dir und so uneigennützig."

Ich seufze genervt auf und rolle mit den Augen. "Du bist so ein Idiot. Ich wollte ihr wirklich nur helfen, aber ihr älterer Bruder hat das mitbekommen und fand das nicht annähernd so edel wie du", beschwere ich mich voller Selbstmitleid.

"Natürlich nicht. Welcher kriminelle Jugendliche freut sich schon darüber, wenn seine Schwester mit einem Polizisten anbandelt? Der ist ja nicht dumm und checkt, dass das für die Familie zu einer ernsthaften Gefahr werden kann, wenn da irgendetwas zwischen dem Mädchen und dir läuft. Die denken wahrscheinlich eh, dass du es nur auf die Schwester abgesehen hast, um denen auf den Zahn zu fühlen oder so."

Esmeralda - Smaragdgrüne Augen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt