Was dann hinter den hohen Betonmauern zum Vorschein kommt, verschlägt mir jedoch trotz aller Reportagen und Vorwarnungen im ersten Moment die Sprache.
Der grau gepflasterte Innenhof liegt in der Mitte von drei hellgelben Mehrfamilienhäusern, die in U-Form stehen. Eins links, eins rechts, eins vor Kopf. An den Rändern stehen hochgewachsene verwilderte Büsche, auf der linken Seite befindet sich ein kahles Rasenstück.
An den Häuserfassaden stehen funktionslose Kühlschränke, Waschmaschinen und alte fleckige Polstermöbel, aus denen zum Teil schon die Federn rausgucken.
Überall liegt Müll, zu Bergen aufgetürmt, vom Wind über den ganzen Hof verteilt. Prospekte und Zeitungen, verschimmelte Lebensmittelreste, leere Verpackungen, kleine kaputte Elektrogeräte, alte Kleidung, einzelne Schuhe, Pfandflaschen, Scherben, Zigarettenstümmel wie Konfetti auf dem ganzen Boden.
Dazwischen ein paar abgemagerte Kätzchen mit stumpfem, verklebtem Fell und viel schlimmer: zwei kleine Mädchen im Grundschulalter. Sie sitzen barfuß auf dem dreckigen Boden zwischen Müll und Unrat, ein paar Meter von ihnen entfernt spaziert eine fette Ratte durchs Gebüsch, und die beiden spielen seelenruhig mit ein paar dreckigen Barbiepuppen, die aussehen, als seien sie gerade eben aus dem Müll gefischt worden.
Beide Mädchen haben lange braune Haare, die strähnig von ihren Köpfen hängen und wohl schon seit Tagen keine Bürste mehr gesehen haben. Die kleinen Füßchen und die dünnen braunen Beinchen sind schwarz gefärbt vom Dreck. Sie tragen fleckige Sommerkleidchen, dabei ist es bereits ein kühler Herbsttag.
"Stella, das ist meine Barbie. Tata hat mir die blonde geschenkt und dir die mit den braunen Haaren", schimpft das ältere Mädchen mit dem jüngeren und reißt ihr eine einarmige Barbiepuppe aus der Hand.
"Wow", entfährt es mir schockiert und ich will mich gerade an meine Kollegen wenden, als eine kleine, dürre und steinalte Frau aufgeregt auf uns zu geeilt kommt.
"Herr Wachtmeister, Herr Wachtmeister, da sind Sie ja endlich", ruft sie aufgeregt. "Die können es einfach nicht lassen. Die haben wieder da vorne ihren Müll verbrannt und fast den ganzen Sperrmüll in Brand gesetzt, und als ich dagegen vorgehen wollte, haben sie mich beleidigt und sogar weggeschubst. Die Jungen waren das wieder, dieser Adonis und seine Brüder."
Kuno nimmt sich der alten Dame an, legt ihr liebevoll den Arm um die schmalen Schultern und sagt beruhigend: "Frau Schiller, machen Sie sich keine Sorgen. Wir kümmern uns darum und nehmen Ihre Anzeige auf."
Der gebrechlichen Frau treten Tränen in die kleinen blauen, von Falten umzogenen Augen. "Ich kann das nicht mehr, Herr Dreher, wirklich", schluchzt sie.
"Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie nicht doch lieber umziehen wollen. Ich weiß, dass die Wohnung hier ihre Altersvorsorge ist und dass die Immobilienpreise im Keller sind, aber das sind doch wirklich keine Zustände mehr", redet er auf sie ein. Die beiden scheinen sich schon gut zu kennen.
Dann wendet er sich an Wolf und sagt: "Geht ihr doch schonmal rein. Ich kläre das hier mit Frau Schiller und schreibe die Anzeige."
Wolf läuft vor zu der hinteren Eingangstür, Sam und ich folgen ihm. "Macht euch darauf gefasst, dass es gleich rummelig wird. Die Serafins sind viele, und sie reden zwar viel, aber selten was Verwertbares. Das einzig positive an ihnen ist, dass sie in der Regel nicht aggressiv auf uns reagieren. Rotzefrech und ignorant, ja, aber nicht gewalttätig", weist er uns ein. "Nehmt die Personalien von allen auf, vor allem von den Jungen, und befragt sie zu dem Geschehenen."
Dann drückt er auf alle drei Klingeln. "Die Familie wohnt auf allen drei Etagen. Es sind zwei Brüder mit ihren Frauen und zahlreichen Kindern."
"Ja?", tönt es aus der Gegensprechanlage. Selbst durch die geschlossene Tür hört man den Lärm, der aus dem Inneren des Hauses dringt.
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Esmeralda - Smaragdgrüne Augen
RomansaDas erste, was ich sehe, sind ihre strahlenden Augen. Smaragdgrün, funkelnd wie zwei Edelsteine. Einmal mehr bin ich froh, dass meine Uniform mich nicht nur vor Wind und Wetter schützt und mir eine gewisse Autorität verleiht, sondern dass sie den Po...