Kapitel 118 - Unüberlegt - Teil 1

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Muning reagierte niedergeschlagen, als Bahe sich zehn Minuten später endlich zum Haupteingang schleppte. Sie wussten beide, dass er nicht wirklich etwas dagegen unternehmen konnte.

„Vielleicht sollte ich dir beim nächsten Mal folgen und ein Video machen?", überlegte Muning laut, als sie gemeinsam bis zur U-Bahn-Station liefen. „Das Internet vergisst nie..."

„Und was wären die Auswirkungen für dich und deine Familie?", hakte Bahe nach.

„In erster Linie haben wir eine Restaurantkette, so viel Einfluss wird die Ni-Familie nicht darauf haben können", meinte Muning.

„Oh und wie war das nochmal mit all den Filmstars?", nagelte Bahe ihn fest. „Was ist, wenn die alle erzählen, dass eure Restaurantkette arg zu wünschen übrig lässt?"

„Es muss ja nicht passieren", argumentierte Muning. „Solange er nicht weiß, von wem das Video stammt, kann er nichts machen, außer..."

„Außer?"

„Nun ja... wahrscheinlich würde er seinen Frust an dir und deiner Familie dann noch viel stärker auslassen...", gab Muning zögerlich zu.

„Also, egal wie man es dreht und wendet, es ist und bleibt eine beschissene Situation, aus der es keinen Ausweg gibt", ergab sich Bahe den unwiderlegbaren Tatsachen.

„Die Welt ist einfach unfair, Bahe...", meinte Muning noch deprimierter als zu Beginn ihrer Unterhaltung. „Ohne Macht, Reichtum und Einfluss kannst du dich so einer Kinderscheiße nicht erwehren, verfügst du wiederum über solche Mittel, bist du ein Sklave irgendwelcher beschissener Traditionen, dass du deine Stellung noch weiter verbessern musst und ja keinen schlechten Deal mit einer Beziehung geschweige denn Heirat eingehen darfst."

„Hä? Wo kam das denn jetzt her?", fragte Bahe überrascht. „Musst du irgendwen heiraten?"

„Nein, mir ging es nur so grundsätzlich darum, mit welchen Oberflächlichkeiten sich die Reichen abgeben", erklärte Muning. „Seit ich denken kann, verkehrt meine Familie am Rande in diesen Kreisen und als Kind kam ich ständig in Kontakt mit irgendwelchen verwöhnten Söhnchen reicher Eltern, die auf alle herabschauen, die weniger haben. Für mich war das noch nie etwas... und dabei hofft mein Vater bis heute, dass ich eines Tages genauso erfolgreich in seine Fußstapfen trete. Aber wie soll ich mich lächelnd in diese Kreise begeben, wenn ich an anderer Stelle Tag ein Tag aus erlebe wie Freunde von mir unter diesen Idioten leiden?"

Dazu wusste auch Bahe nichts zu sagen und so schwieg er lieber, während sie in die U-Bahn-Station hinab stiegen.

„Sorry, Bahe, ich weiß nicht was ich in dieser Sache machen soll", sagte Muning kurz bevor er einen anderen Gang nehmen musste, der zu seiner U-Bahn-Linie führte. „Vielleicht hilft es, wenn ich dich in nächster Zeit auf Schritt und Tritt begleite..."

„Ist schon gut, Muning", antwortete Bahe. „Ich werde es schon überleben. Der Mistkerl kriegt mich mit ein paar Prügeleinheiten schon nicht klein. Das habe ich schon früher erlebt. Außerdem kannst du auch nicht jeden Tag wie heute die meiste Zeit an meiner Seite sein. Die Idioten werden immer eine Möglichkeit finden, mich alleine abzufangen."

„Hmm...", nickte Muning nachdenklich, ehe er zwinkernd hinzufügte: „Dann solltest du wohl besser schnell ein paar Handgriffe bei deiner Meisterin lernen, um den Bastarden den Arsch aufreißen zu können."

„Sie trainiert mich nur...", winkte Bahe ab, der wusste worauf Muning hinaus wollte.

„Aber sie macht es freiwillig und das um sechs Uhr morgens...", ließ Muning seinen Satz vielsagend ausklingen.

„Hau schon ab, du Blödmann", grinste Bahe und wandte sich zum Gehen.

„Bis Morgen, Bahe", grinste diesmal auch Muning zum Abschied und verschwand wenig später im Gedränge des Feierabendverkehrs zwischen der Vielzahl von Menschen, die nach Hause wollten.

Bahe wartete nicht länger und machte sich ebenfalls auf den Heimweg.

Zu Hause angekommen, fiel niemanden auf, dass Bahe eine Tracht Prügel hatte einstecken müssen. Sein Gesicht war verschont geblieben und solange er sich nicht Oberkörper frei zeigte, sollte es vorerst sein Geheimnis bleiben können.

Als er in seinem Zimmer war, schloss er erleichtert seufzend die Tür und lehnte sich von innen dagegen. Was auch immer noch passierte, er würde sich nicht von Ni Munu und seinen Handlangern unterkriegen lassen. Das schwor er sich.



Die nächsten Tage verliefen in einem monotonen Trott ab.

In der Nacht arbeitete er in Raoie mit Feiying, Stallion und Alucard weiter am Abbau und an der Umwandlung der Upale, während er im realen Leben bemüht war, sein fehlendes Wissen in ausgewählten Unterrichtsfächern zu verbessern.

Ni Munu und seine Gruppe von wechselnden Handlangern schafften es Tag für Tag, ihn irgendwo abzufangen und jedes Mal fand sich Bahe am Ende auf dem Boden wieder. Meistens kam er mit erneuten blauen Flecken davon, aber manchmal erwischte es ihn auch so heftig, dass er Prellungen davon trug und sich anfangs nur schwerlich bewegen konnte.

Gerade im Sportunterricht machten ihm seine kleinen Verletzungen zunehmend zu schaffen. Wenn es so weiterging, würde er bald wahrscheinlich gar nicht mehr teilnehmen können. Manchmal meinte er von seinem Sportlehrern einen wissenden Blick auf sich zu spüren, nur um daraufhin von ihm noch extra herausgepickt zu werden, um die nächste Übung vor zu machen. Natürlich geling es Bahe in den meisten Fällen nicht, wodurch er ungewollt für einige Lacher in der Klasse sorgte. Bahe war sich sicher, dass Munu diesen Mistkerl irgendwie in der Tasche hatte...

Nach einer Woche lag der einzige Lichtblick darin, dass, trotz aller Strapazen, seine Kopfwunde gut verheilt war und er nicht mehr in die Klinik musste. Außerdem würde er Morgen wohl wieder mit seinem Kampfsporttraining beginnen können. Davon erhoffte er sich wirklich eine Menge.

In Raoie war ein neues Problem aufgetreten.

Denn eine Woche in der Realität entsprach etwa zwei Wochen in Raoie und so allmählich wurden die Vorräte knapp. Trotz ihrer ursprünglich reich gefüllten Speichergegenstande, besaßen sie nur noch Nahrung für maximal zwei Wochen. Niemand von ihnen hatte erwartet so lange in dieser Höhle festzusitzen.

Natürlich waren sie freiwillig hier, dennoch mussten sie nun vorausschauender planen. Die Ernte der Upale war im Grunde abgeschlossen und so entschieden sich Feiying, Stallion und Alucard dazu weiter in das Höhlensystem vorzudringen, um nach einem Ausweg zu suchen. Bahe sollte vorerst zurück bleiben und alleinig die Upale umwandeln.

Um allen Möglichkeiten begegnen zu können, hatten sie sich dafür entschieden die Upale zu gleichen Teilen in ihren Speichergegenständen zu lagern. Die Gründe lagen auf der Hand, zum einen nahmen die knapp vierhundert Upale viel zu viel Platz für einen einzelnen Speichergegenstand ein und im Fall der Fälle, dass einer von ihnen sterben sollte, ohne die Upale oder Helionen dabei zu haben, würden sie einen Viertel ihres zukünftigen Reichtums verlieren.

In diesem Zusammenhang fiel Bahe ein, dass noch immer der Speichergegenstand von seinem Meister in einer der hintersten Ecken des begrenzten dimensionalen Raums seines Startgürtels lag und nur darauf wartete von ihm gebunden zu werden. Wieso nutzte er nicht diese sichere Höhle, um es hinter sich zu bringen?




Wer weiß noch, um was für einen Speichergegenstand es sich handelt?

Und hey, ich bin endlich wieder pünktlich mit meinem Upload dran :-)

Teil 2/2!

Bis Donnerstag!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt