Kapitel 109 - Das Angebot - Teil 2

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Mehrere Stunden später saß Bahe oben in der Dachcafeteria an einem der unbeliebten Tische in der Nähe der Mülltonnen und wartete darauf, dass Muning sich endlich mit seinem Essen zu ihm gesellte.

Wie um sich zu rächen, erzählte ihm Muning nämlich nichts weiter und verwies ihn nur mit einem Grinsen auf die Mittagspause.

Aber Bahe nahm es seinem Kumpel nicht wirklich übel. Dafür hatte er sich viel zu sehr darüber amüsieren können, als Muning mit einer kreativen Erklärung dazu aufwartete, wieso er vollkommen durchnässt den Klassenraum betrat.

Dass er dabei seine Lehrerin mit Admiral ansprach und mit todernster Miene verkündete, dass seine Suche nach Meerjungfrauen im Gartenteich erfolglos geblieben war, verblüffte sie offenbar so sehr, dass sie mehrere Sekunden einfach nur sprachlos da stand.

Erst als Muning darum bat, den Schiffsarzt aufsuchen zu dürfen, um sich auf Anzeichen einer Erkältungsinfektion untersuchen lassen und die Uniform wechseln zu können, kam sie wieder zu sich und schickte ihn kopfschüttelnd, halb entrüstet, halb grinsend davon.

Eins musste Bahe seinem Kumpel lassen, er verstand es in den unmöglichsten Momenten wahrlich Eindruck zu schinden...

„Pah...", stöhnte Muning plötzlich wenige Meter von Bahes Tisch entfernt und hielt zugleich sein Tablett als auch seine Hose fest.

Als er sich gegenüber von Bahe niederließ, sagte er genervt: „Die Schlange bei der Pizza war ja mal dermaßen übervoll... Und kaum zu glauben, oder? Ich meine, ich bin ja schon fett, aber das diese Schule doch tatsächlich eine Schuluniform in Reserve hat, die selbst mir zu groß ist..."

Kopfschüttelnd ließ Muning seine Worte ausklingen und stopfte sich das erste Stück Pizza in den Mund.

„Wilschst ausch wasch?", fragte er mit vollem Mund nur halbverständlich.

„Nee, aber danke", antwortete Bahe und erklärte: „Sowas darf ich zurzeit nicht essen, wegen meinem Training und so."

„Dann bleibt halt mehr für mich", sagte Muning achselzuckend und meinte dann verschwörerisch: „Und nun endlich zu dem, weshalb wir hier sind."

Anschließend fummelte er mit seiner noch fettfreien Hand kurz am Prophone, welches als Sonderanfertigung in seiner Brille eingearbeitet war, ehe sich eine Projektion mit dem gesendeten Beitrag von Hall of Fame vor Bahe materialisierte.

Gebannt starrte er auf das Geschehen und erlebte die seltsame Erfahrung sich selbst in einer anderen Perspektive zu sehen. Wenn man von dem gelegentlichen Wackeln des Bildes durch Munings Kauprozess einmal absah, war der Fernsehbeitrag erstaunlich akkurat auf ihn zugeschnitten. Es war erstaunlich, wie krass all seine peinlichen Momente rausgeschnitten worden waren und stattdessen der Eindruck von einem übermächtigen Anael vermittelt wurde.

Verstärkt wurde der Effekt nur noch, weil die Kommentatoren im Vorfeld relative eindeutige Andeutungen dahingehend machten, dass es sich bei diesem Anael wahrscheinlich um den Anael-Spieler aus Dreamworld handelte.

Insgesamt musste sich Bahe eingestehen, dass der Trailer allein schon episch war, aber wie HoF die tatsächliche Schlacht dann in Szene setzte...

Bahes einziger Hoffnungsschimmer war die Tatsache, dass die Filmschnittleute perfekt darauf geachtet hatten nie sein Gesicht zu zeigen. In den Anfangssequenzen hatte er sich noch nicht die Kapuze aufgezogen. Es wäre ein Leichtes gewesen ihn zu demaskieren. Die Verantwortlichen waren ihm hier sehr entgegen gekommen.

Aber vielleicht war es auch nur ein Stilmittel, denn eine mysteriöse Gestalt mit einem Kapuzenmantel kam natürlich viel besser an, als irgendein dahergelaufener Spieler, dessen Gesicht das Publikum mit keinerlei großen Taten in Verbindung bringen konnte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Bahe nun wirklich keinem Schönheitsideal der Chinesen entsprach und mit einer Offenbarung seinerseits wohl auch die weibliche Zuschauerschaft nicht wirklich angesprochen wurde. Ein Geheimnis war da schon weit besser.

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt