Die Szene auf dem See verschwamm. Tyron sah, wie sich Ambra vor ihre Geschwister stellte und sie mit ernstem Blick anschaute. Ambra sprach mit fester Stimme: „Ich habe jemanden gefunden. Jemand, der meiner Existenz einen Sinn zuweisen kann. Er hat mir ein Schicksal gegeben. Er hat mir ein Herz gegeben, ich muss es nur noch finden." Die drei Geschwister schauten sie entsetzt an, dann sahen sie den kurzen goldenen Faden, der aus ihrer Brust ragte.
„Wie konnte Niyati es wagen, sich an meiner Schwester zu vergreifen?", fauchte Mrityu.
„Warum war Mrityu so furios?", fragte Tyron. Die Göttin schaute ihn traurig an. „Götter besitzen kein Schicksal, keine Schicksalsfäden, denn das bedeutet Sterblichkeit. Wenn der eigene Schicksalsfaden endet, ist die Zeit des Todes gekommen, und jeder Faden endet. Niyati hat unsere Schwester sterblich gemacht, hat sie zum Tode verurteilt. Auch wenn dieser erst in ein paar hundert Jahren eintreten würde, so wäre er unausweichlich."
Tyron nickte, verstand. Dann war der Gott des Todes wütend auf den Gott des Schicksals. Woher weiß ich, dass Niyati der Gott des Schicksals ist? „Aber dadurch hat sie doch auch etwas Wertvolles erhalten, nicht wahr?", fragte er Aèrial.
Ihr Blick wurde undurchschaubar. Sie fuhr fort. „Ambra suchte nach ihrem Herz und die Jahre vergingen. Dann wurde sie erneut auf die Ernte geschickt und traf sie – ihr Herz. Sie traf ihr Herz, das gerade im Sterben lag, so grausam war das Schicksal. Sie hatte ihre Unsterblichkeit und ihre Familie aufgegeben, doch sollte im Gegenzug nur wenige Sekunden mit ihrer zweiten Hälfte erhalten. Das konnte Ambra nicht akzeptieren, also brach sie an diesem Tag ein Tabu. Sie erntete die Seele ihrer Liebsten nicht, sie verband ihr Leben mit dem der Sterbenden, holte sie ins Leben zurück."
Tyron schaute die Göttin an, dann zu Boden. Sie hat ihr Herz nicht sterben lassen. Er hätte wahrscheinlich gleich gehandelt, doch es war gegen die Regeln. Der Seele war es bestimmt gewesen, ins Jenseits zu gehen. Diesen Fluss hatte Ambra unterbrochen und das würde Konsequenzen haben.
„Mrityu war furios. Wir versuchten es zu vertuschen, doch es war nur eine Frage der Zeit, dass es jemand bemerkte. Ambra stand vor uns, den Körper ihrer Liebsten in den Armen und sagte mit einem traurigen Lächeln, dass sie nun gehen würde. Sie würde verschwinden und niemand würde sie finden, so konnten die anderen uns auch nicht in die Verantwortung ihrer Taten ziehen. Seit diesem Tag haben wir unsere kleine Schwester nicht wiedergesehen. Sie besaß den stärksten Schleier von allen, war vor allen Augen verborgen."
Das Gefühl, dass etwas Schlimmes passieren würde, keimte in Tyron auf. Es musste einen Haken geben.
„Die Seele ihrer Liebsten war zwar an deren Körper gebunden, doch sie besaß keine Lebensenergie mehr. Ambra nährte sie mit ihrer eigenen."
Wieso kam das Tyron so bekannt vor?
„Es gab nur ein Problem, Ambra zog ihre Energie aus den Seelen, die sie erntete. Seit diesem Tag hat sie jedoch keine einzige Seele mehr geerntet."
„Sie würde sterben, wenn ihre Energie verbraucht ist, nicht wahr?", fragte Tyron und der Blick der Göttin war Antwort genug.
„In der ihr verbleibenden Zeit hatte sie den Seelenbund mit ihrer Liebsten geschlossen und ein Kind gezeugt. Dieses führte ihre Blutlinie weiter, doch der Zeitpunkt ihres Todes rückte näher. Wir haben es alle gespürt - den Moment, in dem unsere Schwester den letzten Atemzug tat und ihre Seele ihren Körper verließ. Ihre Seele ging aufgrund ihrer Natur in den Seelenkreislauf über und nahm die ihrer Liebsten mit. Wir konnten es nicht verhindern, sie war für uns verloren. Mrityu hatte versucht, sie in eine Hülle zu sperren, doch der Seelenbund verhinderte es, denn die Seelen konnten nicht getrennt werden."
Er konnte ihre Trauer spüren, den Verlust über die geliebte kleine Schwester.
„Kurz darauf geschah es dann, Ambras Liebste wurde wiedergeboren. Sie erblickte als Dämon in der Hölle das Licht, doch Ambra konnte ihr nicht folgen."
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Tyron - ein schicksalhafter Moment (BAND 8) ✅️
FantasyDas Zimmer wurde hell und er sah die Person, die er gerade berührt, geküsst und gestreichelt hatte, vor sich. Blonde Haare, lustvernebelte obsidianfarbene Augen und von seinen Küssen geschwollene Lippen. Die Wangen waren leicht rot und in den Augen...