Kapitel 5

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Als er fertig war, stand Nix auf und öffnete die Tür. Davor stand ein Angestellter, der ihm etwas gab. Nix bedankte sich und lief zurück. „Fang", sagte er und warf Tyron etwas hin. Es war ein Pichuu, ein süßes Gebäck, das er bei Sais Großeltern schon gegessen hatte.

Dankbar schaute Tyron das Gebäck an und biss hinein. Die Süße legte sich auf seine Zunge und er wurde ruhiger. Ein weiterer Biss folgte. Erst jetzt merkte er, dass er sich beruhigt hatte. War das Nix' Absicht gewesen? Er schaute zu seinem Wächter und sah, dass er noch an seinem nagte.

„Willst du meinen Rat oder sollen wir hier rumliegen?", fragte er und biss erneut von seinem Pichuu ab. Tyron war so froh, hier zu sein – es war genau das, was er brauchte. Er brauchte kein Mitleid, keine Hilfe.

„Nix. Wie kommst du damit klar, dass dich viele nicht mögen? Dass sie dich meiden, weil du ein verrücktes Orakel bist?"

Ein Kissen landete in Tyrons Gesicht und dieser schnappte nach Luft. „Kleiner Scheißer. Erstens bin ich kein verrücktes Orakel, sondern ein geniales Orakel mit eventuell verrückten Tendenzen. Dazu bin ich scharf und habe einen verdammt heißen Gefährten, den ich nachts flachlege, bis er meinen Namen schreit." Langsam leckte er sich die Finger und Tyron schaute erstaunt zu dem Dämon.

„Zweitens, ist es mir scheißegal, was die anderen von mir denken. Was juckt mich, wenn sie ihr Maul über mich zerreißen? Die sind nur neidisch auf Erstens", fügte er grinsend hinzu. Dann wurde er ernst. „Tyron, hör zu. Ich bin kein Lehrer, der dir wie Jaden den Verhaltenskodex und die Tischmanieren beibringt. Es gibt jedoch Dinge, die Mister Geschleckt und Geschniegelt nicht kann oder tut, auch wenn er es könnte. Jeder hat ein Päckchen zu tragen. Jeder eckt bei jemandem an. Du hättest mal deine Mutter erleben müssen. Er hat deinem Vater die Hölle heiß gemacht, er musste ihn durch die halbe Hölle und die Menschenwelt verfolgen. Jeder hat deine Mutter angestarrt, getuschelt, weil er ein Mensch ist."

Davon hatte Tyron noch nie gehört. Meine Mutter hat dasselbe durchgemacht? „Was hat er gemacht?", fragte er seinen Wächter.

„Er hat sie verdroschen. Er hat zwei Kommandanten auf einem Ball derbe vermöbelt und allen den Mittelfinger gezeigt. Ich möchte nicht prahlen, doch das war zu dreißig Prozent auch mein Verdienst", sagte er mit stolzer Stimme.

„Heißt das, ich muss sie auch verdreschen?", fragte Tyron.

Nix lächelte. „Nein. Viel schlimmer." Nun war Tyron neugierig. Was war schlimmer?

„Du musst ihnen so übers Maul fahren, dass sie sich verkriechen wie die Ratten", sagte sein Wächter mit bedeutungsschwangerer Stimme.

Er stand auf und zog Tyron ebenfalls auf die Füße. Mit einem Ruck zog er dessen Rücken grade und drückte seine Schultern nach unten. „Stell dich nicht wie ein Krümmling hin. Steh' aufrecht und schau mich mit festen Augen an. Du bist Tyron und niemand, ich wiederhole, niemand sieht auf dich herab. Wir zwei werden aus dir den Tyron machen, der du sein willst."

Tyron ballte die Faust und schaute seinen Wächter an.

„Schon besser. Fangen wir an. Lektion eins hast du geschafft. Nun zu Lektion zwei, das übers Maul fahren. Die Kunst daran, Idioten zum Schweigen zu bringen, besteht aus zwei Teilen. Der erste ist, du nimmst ihr Gesagtes und leitest es direkt an den Mülleimer hinter dir weiter. Alles, was sie sagen, prallt einfach an dir ab, denn es kommt erst gar nicht bei dir an.

Der zweite ist, die Antwort. Antworte ihnen auf eine Weise, die sie a) überrascht, b) schockt oder c) beides tut."

Tyron nickte. Er verstand, was Nix ihm sagen wollte und es machte Sinn. Er nahm das Gesagte und warf es in einen mentalen Mülleimer. Er nahm es einfach nicht an. So weit so gut.

Tyron - ein schicksalhafter Moment (BAND 8) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt