9: Überranntes Einkaufszentrum

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"Sshh", machte Newts Stimme und ich entspannte mich, als Winston meinen Arm los lies und wir einen Hügel aus Sand hinab stolperten. Hier drinnen war es stockfinster und es dauerte eine kurze Zeit, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. "Okay wir- wir müssen weiter- wir" "Thomas" "-wir müssen-" "THOMAS!", sagte Teresa erneut nun etwas lauter und der Junge hielt inne. Im schwachen Licht, das von draußen hereinschien, erkannte ich die Silhouetten meiner Freunde und war erleichtert, alle zu entdecken. "Ich will wissen was zur Hölle hier los ist!" Keiner sagte etwas oder regte sich, alle starrten wir Thomas und Teresa an. "Es ist immer noch WCKD. Aris und ich wir- wir haben Körper gefunden. Ganz viele- sie- sie hingen an Schläuchen an der Decke und haben sich nicht bewegt" "Willst du damit sagen, sie waren tot?", fragte Minho leise und bei diesem Gedanken wanderte eine Gänsehaut über meinen Körper. "Nein aber- lebendig waren die auch nicht. WCKD zapft- die holen irgendeine Flüssigkeit aus ihnen raus" "Das Heilmittel", murmelte ich und sah Thomas langsam nicken. "Okay. Wie ist der Plan?", fragte Newt und stemmte abwartend die Arme in die Seite. Fragend blickten wir alle den Frischling an, der uns gerettet hatte. "Tja alsoo- es- ehem-" "Du hast keinen Plan, richtig?", fragte Newt genervt und ich schluckte. "Wir sind dir hierher gefolgt Thomas-" "Ich weiß-", stammelte der Frischling unsicher, als Aris ihn plötzlich zur Hilfe kam. "Wartet. Janson hat etwas vom rechten Arm gesagt" "Ja, Leute die WCKD angegriffen haben. Sie befinden sich in den Bergen-" "Menschen. In den Bergen. Bergmenschen. Das ist dein Plan?!", fragte der zweite Anführer vollkommen fertig und Thomas nickte. "Sie sind gegen WCKD. Sie können uns helfen" "Na schön dann- auf in die Ber-" "Hey Leute seht mal", unterbrach Minho Pfanne und leuchtete mit seiner Taschenlampe auf etwas auf dem Boden.

Fußspuren.

"Hier war schonmal jemand" "Wo sind die jetzt?", fragte Teresa leise und Thomas trat einen Schritt nach vorne. "Werden wir bald herausfinden"

Wir hatten uns in mehrere kleine Gruppen aufgeteilt, die in dem riesigen Gebäude nun umherstreiften auf der Suche nach sinnvoller Ausrüstung für den Weg in die Berge. Ich war mit Newt, Pfanne, Winston und Teresa in den ersten Stock gegangen, während Thomas mit Minho im Erdgeschoss geblieben war. Das ganze schien wie eine Art Mall oder Einkaufszentrum - nur vollkommen menschenleer. "Seht mal hier" Pfanne griff nach etwas im Regal und ich fing eine der Taschenlampen, die er mir zuwarf. Voller Hoffnung betätigte ich den Schalter und kaltes Weißlicht blendete mich für einen Augenblick. "Die Dinger funktionieren ja noch", hörte ich Newt überrascht sagen während er nach einer Zweiten griff. Er hatte Recht und das konnte nur eins bedeuten - so lange waren die Menschen noch nicht weg. Immerhin funktionierten die Batterien noch. Langsam wanderte Pfanne umher und lief in einen angrenzenden Raum, während Newt begann, die Regale zu inspizieren. Ich tat es ihm gleich und griff nach einem verstaubten Buch mitten im Chaos eines hohen Schrankes. 'Der Pferdeflüsterer' Ich lächelte. Womöglich hatte ein Kind einst das Buch gelesen und dann hier zurückgelassen. Nur - wo waren sie jetzt? Plötzlich klickte es leise hinter mir und ich zuckte zusammen. War das... "Musik?", fragte ich und drehte mich zu Newt, der vor einem Kastenradio stand. Ein paar leise Töne klangen aus den staubigen Sprechern. Ich kam neugierig näher. "Ich frag mich ob-" Ohne seinen Satz zu Ende zu führen, drehte Newt an einem kleinen Rad. Die Töne wurden lauter und zum ersten Mal seit ich mich erinnern konnte, klang Musik in meinen Ohren. Ich erstarrte und lauschte den wundervollen Tönen. "Love is in the air - everywhere i look around" Die Stimme des Mannes war sanft und ich genoss sie. Langsam sah ich auf zu Newt, der mich bereits anblickte. Seine Hand streckte sich nach mir aus und er zog eine Augenbraue nach oben. "Darf ich um diesen Tanz bitten?" Mir entwich ein ungläubiges Glucksen, als ich seine Hand ergriff. Die Musik wurde lauter, während er mich sanft im Takt zu wiegen begann. Ich streckte meinen Arm und brachte uns in Tanzhaltung. "Newt-" Ich begann zu lachen, als er mich im Kreis drehte und er prustete los, als ich ihm auf die Füße trat. "And i don't know if you're illusion - don't know if i see trough" Glück durchströmte meine Adern, als ich mit dem großen, blonden Jungen tanzte. Mein Herz raste, ich lachte vor Freude. Jeder unserer Schritte war im Takt, seine Hände legten sich an meine Hüften und wirbelten mich im Kreis um ihn herum. "But it's something that i must believe in - and it's there when i look in your eyes" "Love is in the air-", sang Newt leise in mein Ohr und jagte mir eine Gänsehaut über die Arme. Sanft strich seine große Hand über meinen Rücken und unsere Körper schmiegten sich aneinander. Ich legte meine Arme um seine Schultern und lies mich durch das staubige Zimmer drehen. Glücklich lachte ich auf, während die Musik und Newts Singen meine Ohren erfüllten. Kurz lösten wir uns voneinander und ich hüpfte lachend auf und ab, meine Schritte hallten von den Wänden wieder. Ich drehte mich, sprang, rannte um Newt herum, lies mich wieder zu ihm ziehen. Sanft drückte er mich erneut an seinen großen Körper und ich lehnte die Stirn gegen seine Brust. "Ich bin froh, das ich dich hab", raunte seine tiefe Stimme durch die laute Musik und ich lächelte, während ich seinen Kopf zu mir herab zog. "Ich weiß" Sanft drückte ich meine Lippen auf seine, schloss die Augen und lies mich von seinem Duft umhüllen. Unsere Münder öffneten sich und liebevoll umschlangen sich unsere Zungen. Sein warmer Atem strich über meine Wange und in jenem Moment existierte nichts - nur wir Beide. Und dieser Moment. Er gehörte uns. Er erinnerte mich daran, wie wichtig mir dieser einzelne Junge doch tatsächlich war. Seit er mich aus dem Loch nach meinem Fluchtversuch am ersten Tag gezogen hatte, war an meiner Seite gewesen. Immer hatte er mich beschützt, stets das Richtige für mich getan. Ich wusste - mit ihm würde vermutlich sogar der Tod sich wie ein Fiebertraum anfühlen. Als die Musik leiser wurde, lösten wir uns. Newts dunkle Augen funkelten zu mir herab, tiefe Zuneigung lag in ihnen. Oh, wie ich diesen Jungen liebte. Ein Rascheln erklang hinter Newt und ich blickte an seinem großen Körper vorbei. Pfanne stand im Türrahmen gelehnt und lächelte uns zu. "Das ist das Süßeste, was ich jemals von Newt gesehen hab" Wir grinsten, als der zweite Anführer schnaubte und sich von mir löste. "Wird auch das Einzige bleiben, wenn du nicht die Klappe hältst" "Wow wow ganz ruhig Man", erwiderte Pfanne sofort und hob abwehrend die Hände. "Ich mein ja nur" Teresa erschien neben ihm und lief - ohne uns eines Blickes zu würdigen - in einen angrenzenden Raum. Ich drehte mich herum und wollte ihr folgen.
"Sei vorsichtig, Y/n", murmelte Newt und umschlang meinen Oberarm. "Wir wissen nicht, ob hier noch irgendwer rumläuft- oder irgendwas" Ich nickte, was ihn zum Loslassen brachte und er folgte Pfanne zu einem verstaubten Wasserspender. "Teresa? Teresaa", fragte ich leise und leuchtete in die rechte Ecke. Plötzlich erstarrte ich und stieß einen spitzen Schrei aus: was im ersten Moment wie ein Mensch ausgesehen hatte, war nur eine angemalte Schaufensterpuppe. "Scheiße", keuchte ich und hielt mir die Hand an die Brust, als Newt und Pfanne hereinstürmten. "Y/n? Y/n alles okay?!", wollte der zweite Anführer hektisch wissen und ich nickte, als er mich erreichte. "Nur- nur er-erschreckt", meinte ich mit zitternden Händen und wischte mir übers Gesicht. "Ich bleib bei dir in der Nähe- ruf wenn was ist. Oder ihr irgendwas findet", meinte er an Teresa gewandt, die mit einem unterdrückten Grinsen und verschränkten Armen im Türrahmen stand. Dumme Pute. "Machen wir Newt", antwortete sie und stolzierte an uns vorbei zu mehreren Beuteln, aus denen Klamotten hingen. "Sie ist nun mal da und Thomas mag sie also musst du dich mit ihr arrangieren", flüsterte mir Newt ins Ohr, als ob ich das nicht selber wüsste und er drehte sich herum, um mit Pfanne weiterzugehen. "Y/n, brauchst du Klamotten? Hier liegen genügend für uns Beide rum", hörte ich das schwarzhaarige Mädchen sagen und etwas überrascht lief ich zu ihr. Warum bot sie mir etwas an? Sie hielt einen weiten, schwarzen Pullover in den Händen, den sie mir nun entgegenstreckte. "Hier" Ich stellte die Lampe ab, um ihn entgegen zu nehmen und zog ihn mir über den Kopf. Er war kuschlig warm und die Nacht kalt. "Danke", murmelte ich, bevor ich ebenfalls die Säcke nach passendem Zeug durchwühlte. "Schau mal", meinte Teresa nach einer Weile und griff nach etwas im Schrank neben uns. Es war ein Bild von einem sehr jungen Mädchen, welches einen großen Teddybär umarmte und in die Kamera strahlte. "Wo bist du nur?", murmelte Teresa und ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Klamotten. "Was ist das mit dir und Thomas?", wollte ich wissen und das Mädchen neben mir räusperte sich. "Was soll was sein?" "Ich seh doch das ihr euch mögt" "Oh ja aber- das würde nichts werden", murmelte sie und hielt kurz inne. Warum sollte es nichts werden? Thomas würde alles für sie tun und das wusste sie genau. "Ich will nicht weiter drüber reden", sagte sie sofort, als ich wieder den Mund öffnete und ich zuckte mit den Schultern. Das würde hundertprozentig etwas werden mit den Beiden. Mit einem Lächeln zog ich einen kleinen, pinken Rock mit Blümchen hervor und betrachtete ihn. Vielleicht hatte er dem Mädchen auf dem Bild gehört. Womöglich lief es noch hier irgendwo herum und schlief jetzt nur. "Leute? Wir wollen in die nächste Etage", hörte ich Pfanne vom Eingang sagen und rasch nahm ich die ausgesuchten Sachen vom Tisch, gemeinsam mit einem leeren Rucksack vom Boden. "Komm Teresa" Wir liefen mit Newt und Pfanne gerade an ein paar Regalen vorbei, als ich plötzlich über etwas am Boden stolperte und fiel. Sofort richtete Teresa ihre Taschenlampe darauf und ich wich blitzschnell zurück. Ein toter, bereits verwesender Hund lag alle Viere von sich gestreckt auf der Erde, seine Augen blickten mich starr an. "Y/n weg da", zischte Teresa und zog mich an den Armen nach oben. "Das ist ja widerlich" Pfanne machte einen weiten Bogen um das tote Tier und Newt wollte uns bereits anführen. Aus dem Nichts tauchte überraschend helles Licht am Ende der Rolltreppe um die Ecke
auf - weitere Glühbirnen gingen an, Lichterketten erstrahlten, sogar ein Radio begann leise zu spielen. "Wow", machte Newt begeistert und ich knipste meine Taschenlampe aus. Aus allen Ecken erstrahlte nun warmes, gelbes Licht und man konnte bis in jeden Raum des ehemaligen Einkaufszentrums blicken. Größtenteils herrschte Chaos: umgestürzte Schränke, seltsame, schwarze Flecken am Boden, überall Klamotten und Scherben. Klamotten säumten den Boden, Bretter und andere Kommoden waren an den Wänden aufgereiht. Nun, da alles sichtbar war, lief ich in einen kleinen Raum neben einer riesigen Fensterfront. Hier lagen leere Packungen aus Plastik überall verstreut herum. Neugierig bückte ich mich und wühlte umher - es waren Essensverpackungen. Vielleicht lag hier noch etwas Nützliches. Triumphierend grinste ich und zog zwei noch versiegelte Dosen aus dem Müll. "Erbsen - Bohnen...", murmelte ich vor mich hin und stopfte sie in meinen Rucksack, bevor ich mich nach mehr bückte. "Wahnsinn", erklang Pfanne's Stimme hinter mir und stolz reichte ich ihm eine der beiden Dosen. "Ohhh Erbsen, da kann man vielleicht noch was draus machen. Oh nein!" Ich zuckte zusammen, als er plötzlich die Stimme erhob und er streckte mir die Dose entgegen. "Was ist?", wollte ich wissen und besah sie gründlich. Nirgendwo war ein Loch oder sonstiges zu entdecken... "Abgelaufen!" "Idiot", seufzte ich und gab dem Koch einen Klaps auf den Hinterkopf, den er unter Lachen mit einem Schnipsen gegen meine Schläfe erwiderte. "Hier liegt bestimmt noch mehr rum - mach dich nützlich und hilf mir suchen" Ohne Widerrede folgte er meinen Worten und schon bald durchwühlten wir unter lautem Rascheln die Säcke, vollgestopft mit Plastikverpackungen. "Haha!" Pfanne steckte mir eine Dose mit Bohnen in den Rucksack und ich nickte anerkennend. "Gute Arbeit, du-" Sofort verstummte ich, als er den Finger an die Lippen legte. "Was?" "Hörst du das?" Ich lauschte und nun hörte ich es auch. "Stimmen?" Ein mehrstimmiges Brüllen hallte leise von den Wänden wieder. Plötzlich erklangen hastige Schritte. Rasch rannte ich hinaus auf den Gang, in dem Newt mit Teresa stand. Sie blickten ans Ende des Ganges und ich folgte ihrem Blick. Irritiert hoben sich unsere Augenbrauen: Thomas schoss, gefolgt von Minho, wild mit den Armen wedelnd um die Ecke. Irgendwas stimmte nicht. "HEY. HEYYY! LAUFT SCHON" Als ich bereits nachfragen wollte, schossen weitere Menschen um die Ecke - sie stießen seltsame Laute aus und ihre Klamotten waren zerrissen und dreckig. Von Ihnen war also das Brüllen gekommen. "Pfanne- komm raus!", rief ich dem Koch zu, der jetzt den Kopf hob und zu uns trat. "Oh Scheiße-", hörte ich Newt sagen und mein Herz begann zu rasen. "NA LOS - RENNT" Was hatte Thomas dieses Mal nur wieder angestellt?

Verloren im Feuer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt