22: Der Anführer

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Neben Daniel und Newt ging die Autofahrt weiter. Die Gruppe hatte die Straße von Autos befreit und nun ging es wieder aus den Bergen hinaus, zurück auf ebene Landschaft. Doch nicht für lange Zeit. Schon bald wurde es wieder hügelig und der Geländewagen fuhr eine wachsende Steigung hinauf. Aris und Sonjas freudige Stimmen drangen gedämpft von vorne zu uns hinter, Harriet warf ab und zu einen Blick in den Rückspiegel und Brenda lächelte glücklich zu Jorge. Alle wussten: Wir hatten es geschafft. Wir waren auf dem Weg zum rechten Arm, weit weg von WCKD.
Die Fahrt war bald zu Ende und als der Jeep zum Stehen kam, brach allgemeine Unruhe aus. Aufgeregt drängelten sich die Lichter an der Tür und ich wurde von Daniel mitgerissen, der hinter Thomas aus dem Wagen sprang. Neugierig blickten wir uns um. Auf einem weiten, flachen Gelände standen einige große und kleine Zelte, zu den Seiten türmten sich hohe Felsmassive auf, ihre Spitzen ragten wie die Türme einer Festung in den wolkenverhangenen Himmel. Geschäftig liefen Gruppen von warm gekleideten Menschen umher, manche trugen Waffen, andere Kisten. Ich wusste sofort, warum sie so dick angezogen waren - denn ein eisiger Wind zerzauste in jenem Moment meine Haare und raubte mir beinahe den Atem. Ihre vielen fremden Stimmen erfüllten die Senke, während zwei weitere Trucks hinter uns parkten. Als alle ausgestiegen waren, folgten wir Harriet und Sonja in die Senke hinunter. "Die Vorbereitungen laufen seit über nem Jahr- das hier ist alles für uns", sagte das dunkelhaarige Mädchen, während sie ihre Waffe schulterte. Uns? Wer war uns? Die entkommenen Lichter? Die geretteten Immunen? Noch nicht infizierte Menschen? Ich hoffte, das ich und meine Freunde zu diesem 'Uns' gehörten. "Ihr habt echt Glück das ihr uns gefunden habt, in ein paar Tagen hauen wir ab. Hey Dan- wo ist Vinz?", rief Sonja und riss mich aus meinen Gedanken. Ein hagerer Mann, der nur flüchtig an uns vorbeilief, antwortete mit "Irgendwo da drüben", bevor er hinter einer Gruppe Teenager verschwand. Waren sie Immune? Auch in einem Labyrinth eingesperrt gewesen? "Wer ist Vince?", fragte Thomas von weiter hinten misstrauisch und kurz schwand ein Schatten über Harriets Gesicht. "Er ist derjenige, der entscheidet ob ihr bleibt, oder gehen müsst" Das muskulöse Mädchen lenkte uns an zwei Lagerfeuern vorbei und ich nahm Blickkontakt mit einem rothaarigen, kleinen Mädchen auf. Überrascht hoben sich meine Augenbrauen, als sie mir freundlich zulächelte und perplex erwiderte ich die Geste freundlich. Sie war sehr klein und ich hoffte, das sie Niemand aus den anderen Labyrinthen war. Trotzdem, sie schien nicht viel älter zu sein als ein schmerzlich vertrauter Lichter.

Chuck war auch da gewesen.

Sofort schnürte sich meine Kehle zusammen, als ich an den kleinen, lockigen Schopf denken musste, der mich während meiner gesamten Zeit auf der Lichtung begleitet hatte. Als ich bereits die heißen Tränen spürte, lies ich den Blick durch die Gesichter meiner Freunde schweifen, um zu sehen, wie sie diesen Ort aufnahmen. Minhos Blick musterte zweifelnd die Umgebung und die Menschen, die durch die Zelte streiften. "Ich dachte der rechte Arm ist ne Armee?", fragte er laut, und Newt packte erschrocken meinen Unterarm, als plötzlich eine raue, tiefe Stimme nicht weit von uns ertönte. "Oh ja- zumindest das, was noch von uns übrig ist" Während er näher kam, zog Newt mich unmerklich hinter sich und ich runzelte die Stirn, als die Lichter näher zusammen traten. "Wir haben viele gute Männer verloren auf dem Weg hier her. Wer sind die?", fragte er an Harriet gewandt und kurz bekam ich die Chance, ihn zu mustern. Er war groß und stämmig, seine dunkelblonden Haare fielen ihm locker über die Schulter, dreckige Klamotten lagen ihm am Leib und mir entgingen die Dolche in seinem Gürtel keineswegs. Das Auffälligste an seiner Erscheinung jedoch waren die Augen. Sie schimmerten in einem wachen Blau, wie die eines Adlers schnellten sie umher und schienen jede noch so kleine Bewegung wahrzunehmen. Als sie mich von Zeit zu Zeit erfassten, blickten sie mir direkt in die Seele. Vince strahlte Kraft und Sicherheit aus und mit einem Mal wusste ich, wen wir hier vor uns hatten - den Anführer des rechten Arms. "Sie sind Immune. Wir haben sie an den Bergen abgefangen", antwortete Harriet und Vince stemmte die Arme in die Seiten. "Hast du sie gecheckt?" "Ich kenne den da- Aris. Ich vertraue ihm" "Ich nicht. Checkt sie!", wies er herrisch die Männer neben uns an und ich drehte mich irritiert herum, als ich ein Keuchen hörte. "Hey Boss-" Weiter kam der dunkelhaarige Mann zu Jorges Seite nicht. Plötzlich spürte ich ein schweres Gewicht auf meinem Rücken und wich mit einem erschrockenen Quieken zur Seite. Brenda stürzte ungelenk zu Boden, ohne sich abzufangen. Ein keuchendes Röcheln erklang tief aus ihrer Lunge. "Brenda? BRENDA" Jorge stürzte neben ihr zu Boden und zog sie auf seinen Schoß. "T-tut mir leid- tu mi leid-", brachte sie unter schweren Armen hervor und Vince trat neben sie, während Newt sich sorgsam zwischen mich und dem Fremden aufbaute. "Was hat sie?", wollte der Anführer des rechten Armes wissen, doch Jorge schüttelte hilflos den Kopf. "Ich- keine Ahnung! Brenda? Gehts dir gut? Brenda?!" In Sorge um das schwarzhaarige Mädchen lehnte ich mich über Vince's Schulter, als er langsam ein weißes Band von ihrem Schienbein herab zog.  "Was zur Hölle- oh Shit- CRANK. WIR HABEN NEN CRANK!" Mein Herz machte einen überraschten Satz, als ich den schwarzen Biss in Brendas Haut sah. Dunkle Adern zogen sich bereits über ihr Bein und ich wusste, dass sie sich vor einigen Stunden infiziert hatte müssen. Vince riss eine kleine, silbern glitzernde Pistole aus der Jackentasche und richtete sie auf das am Boden liegende Mädchen. "NEIN-NEIN NEIN NEIN STOP!", schrie Thomas sofort und sprang vor sie, mit ausgestreckten Armen versuchte er, den Anführer zu beruhigen. "GEH ZUR SEITE JUNGE" "Nein- hör zu hör zu! Es- es ist gerade erst passiert! Sie- sie ist noch nicht gefährlich!" "Du hättest sie nicht herbringen dürfen!", wetterte Vince, weiterhin war seine Waffe auf Brenda gerichtet. Wie erstarrt beobachtete ich das weitere Geschehen, nicht in der Lage, vollständig zu verstehen, was geschah. Brenda war infiziert? Es war geschehen als wir von ihr und Thomas getrennt worden waren. Sie würde sterben, genauso wie Ben und Alby und all die Anderen Infizierten. "Ich weiß- ich-", begann Thomas einsichtig, doch wurde sofort wieder von dem großen Mann unterbrochen. "Wenn wir Cranks hier rein lassen, besteht der sichere Hafen keine Woche!" "Ich verstehe-" Die nächsten Worte des Frischlings gingen in Jorges machtlosem Brüllen unter, der jetzt von zwei Männern gepackt und von Brenda weggerissen wurde. "LASST MICH LOS- ICH- BRENDA!" "Bitte- bitte- ich hab ihr gesagt ihr könnt ihr helfen!", flehte Thomas mit vor Aufregung ganz hoher Stimme. "Es muss doch etwas geben, was ihr tun könnt!" "Ja" Wir trauten unseren Ohren kaum, als Vince zustimmte. Hatte er ein Heilmittel? Aber er gehörte nicht zu WCKD. Mit einem scharfen Klicken lud er jedoch plötzlich die Waffe. "Ich kann sie hier und jetzt von ihrem Leid erlösen" "NEIN", brüllte Jorge voller Panik und ich schluckte, voller Angst um Brenda. Ich kannte sie noch nicht lange, doch gut genug, um um sie zu trauern. "VINCE- DAS REICHT. LASST IHN LOS!"

Verloren im Feuer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt