10: Sackgasse

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Immer schneller trugen mich meine Füße hinter den anderen her durch das Einkaufszentrum, wir rannten Treppen hinauf, immer weiter, gejagt von den wutentbrannten Leuten. Thomas leitete den Weg und Minho war knapp hinter mir, um den Schluss zu bilden. Die beiden Läufer hatten ein ziemliches Tempo drauf und ich spürte bereits, wie meine Seiten schmerzhaft stachen. Mir fehlte die Kondition für solche Späßchen. Noch hatten Thomas und Minho nichts gesagt, warum die Leute so wütend waren. Es war aber auch keine Zeit, Nettigkeiten auszutauschen, während wir ohne Pause rannten. Ich fragte mich, wie lange das noch so weitergehen würde, denn die Menschen stoppten genauso wenig wie wir und fielen nicht einmal zurück. Was hatten sie denn nur? Als wir die nächste Treppe erreichten, schoss plötzlich einer von ihnen von der Seite auf mich zu und packte meine Beine. Überwältigt stürzte ich auf die ersten Stufen der Rolltreppe und versuchte verzweifelt, mit den Füßen zu strampeln. Mir wurde heiß und kalt zugleich, als ich die Person unfreiwilligerweise genauer betrachtete. Die Haare waren zerzaust, die Klamotten zerrissen, die Arme voller Wunden, ihre Augen vollkommen dunkel, nichts weißes zu sehen und, was am Schlimmsten war, eine schwarze Flüssigkeit rann aus ihrem Mund. Sie erinnerte mich unmittelbar an die Flecken auf dem Boden vorhin und all die Lichter im Labyrinth, die von den Grievern gestochen worden waren. Sie waren infiziert worden mit dem Brandvirus, von dem Ava Page erzählt hatte. Dafür gab es nur eine Erklärung:

Cranks.

Es waren die Cranks. "Y/N DUCKEN!" "Gucken!? Was denn Gucken?!" "DUCKEN" Ein riesiger Metallhammer sauste aus Teresas Hand auf mich zu und rasch duckte ich mich. Mit einem unschönen Schmatzen schlug das harte Metall mitten in das Gesicht des Cranks vor mir und der Griff wurde für den Bruchteil einer Sekunde locker. Hastig sprang ich auf und hangelte mich die Rolltreppe hinauf, Teresa packte meine Hand und riss mich weiter. "Ein Zentimeter und du hättest mich umgebracht!", rief ich noch immer aufgewühlt und sie legte kurz den Kopf in den Nacken, um laut aufzulachen. "Will nicht wissen was Newt dann mit mir angestellt hätte!" Auch mir huschte kurz ein Grinsen über die Lippen, als mir bewusst wurde, dass das schwarzhaarige Mädchen mir womöglich das Leben gerettet hatte. "WEITER MÄDELS", rief Thomas etwas vor uns und ich fauchte. Der hatte gut Reden. Trotzdem wurden wir gehorsam schneller. Plötzlich brach ein Crank vor uns aus einem der Fenster und riss Newt vor mir zu Boden. Ohne zu Zögern schoss ich vor, trat kräftig zu und stieß meinen Fuß fest in die Seite des Infizierten. Mit einem entsetzlichen Kreischen brach er durch die Glasscheiben auf dem großen Gang und stürzte die drei Stockwerke hinab. "Danke", keuchte Newt mir zu, während er sich aufrappelte und gemeinsam liefen wir unserer Gruppe hinterher. Es war bereits zu spät, als wir in einen engen Gang bogen und die Sackgasse bemerkten, in die wir geraten waren. Die einzige Flügeltür hier weg war verschlossen. "Bring uns hier raus, Thomas!", rief Teresa mit zitternder Stimme, während Winston mich plötzlich hinter sich schubste und eine Pistole aus seinem Gürtel zog. Was sollte das denn? "Winston?", wollte ich wissen, doch er lächelte mir kurz tapfer zu. "Ich verschaff uns n' bisschen Zeit" Verstört presste ich mir die Hände auf die Ohren, während mehrere Schüsse die Luft erfüllten und die schrecklichen, gurgelnden Laute der Cranks übertönten. Ich wollte nichts lieber als hier weg, raus aus diesem überrannten Einkaufszentrum, weg von den stinkenden Infizierten und dem ganzen Dreck, der ihnen auf Schritt und Tritt folgte. Das hier war wie ein Albtraum, der zur Realität geworden war. Immer fester wurden die Tritte der Lichter, welche zur Öffnung der Tür dienen sollten doch die Cranks gewannen mehr und mehr Vorsprung und waren nun nur noch etwa zwei Meter von uns entfernt. "JA", erklang plötzlich Thomas erleichterter Schrei gemeinsam mit einem Türknarren und hastig wurde ich in die Dunkelheit des nächsten Raumes geschubst. Vollkommen verloren drehte ich mich herum, als Winston überraschend aufschrie. Ohne Nachzudenken packte ich seine Handgelenke, als die Cranks ihn durch den verbliebenen Türspalt zurückzuziehen versuchten. "NICHT LOSLASSEN " "HAB ICH NICHT VOR, WINSTON", brüllte ich zurück und stemmte meine Füße gegen die zweite Tür. Ich hatte die Kraft der Infizierten unterschätzt. "ICH KÖNNTE ETWAS HILFE BRAUCHEN", schrie ich hilflos nach den Lichtern als Winston bis zum Hals zurück aus der Tür gezogen wurde. Meine schwitzigen Hände rutschten immer weiter seine Handgelenke hinab, verloren den Halt. Ich konnte nicht noch jemanden verlieren. Nicht wenn ich es verhindern konnte. "Winston-" Tränen der Anstrengung und Panik schossen mir in die Augen und ich brüllte auf, packte mit letzter Kraft zu. Winston schrie, während sich Hände in seine Haut krallten. Seine Rufe gingen mir durch Mark und Bein - voller Schmerzen und Angst. Ich hatte ihn noch nie so gesehen - nicht einmal beim Angriff der Griever.

Verloren im Feuer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt