Kapitel 31: Der Plan

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Unruhig wippte ich auf den Fußsohlen auf und ab. Seit mehreren Stunden diskutierten die Lichter lauthals über den Entwurf eines sinnvollen Plans, Jorge und Vince kümmerten sich derweil um Waffen, Ausrüstung und Truppen. Ich selbst stand im wörtlichen Gefecht meiner Freunde und lauschte den verschiedenen Entwürfen, die durch kurze Einwände immer wieder übertrumpft wurden. Newt und Thomas waren die Antreiber des Streits. Ihre Wangen waren gerötet, die Augenbrauen zusammengezogen und die Stirn in Sorge gerunzelt. Keiner von Beiden war mit den Ideen des jeweils anderen zufrieden und ich hielt mir die Ohren zu, während Pfanne versuchte, zwischen sie zu treten. Wenn sie sich jetzt zerstritten, würden wir auseinander brechen. Wir Vier waren die Letzten, die von allen ehemaligen Lichtern übrig geblieben waren - Winston war tot, Minho gefangen und Teresa- Nun, Teresa. Sie hatte uns verraten. Erneut spürte ich, wie mich die Gefühle des gestrigen Abends übermannten. Machtlosigkeit und Wut, während ihr gehetztes Gesicht in der Dunkelheit verschwand. Ich hätte es wissen müssen, ahnen können. Doch wie wäre ich darauf gekommen? Sie hatte mir in den letzten Tagen geholfen, mich unterstützt und mir sogar ihre Jacke auf dem Weg in die chaotische Stadt gegeben. Wie hätte ich wissen können, dass sie uns einfach so kaltblütig verraten würde? Uns das Messer in den Rücken rammte? Nur ihretwegen waren Minho und Aris wieder in Gefangenschaft. Sie allein war Schuld an allen Toten, die gestern gefallen waren. All die Soldaten, Rebellen, Immunen - ihr Blut klebte an Teresas Händen. Aggressive Wut durchströmte mich, während ich an das bekannte Mädchen dachte. Sie war ohnehin nie ein Teil des Lichtung gewesen. Seit sie und Thomas aufgetaucht waren, hatte sich alles verändert. Mit jedem Tag, der außerhalb der Lichtung verging, wurde mir Gallys Verhalten klarer. Auch er hatte die Beiden nie ausstehen können - und nun hatte Teresa uns verraten. Vermutlich hatte er von Anfang an Recht gehabt - nur Thomas war anders. Er war loyal, ehrlich und beschützend - er hätte uns gestern im Stich lassen, mit Brenda und Jorge abhauen und ein neues Leben anfangen können. Doch er war zurückgekehrt, hatte uns beigestanden. Stumm beobachtete ich den Frischling. Die rabenschwarzen Haare klebten ihm vor Schweiß an der Stirn, seine Wangen waren rot angehaucht und die Stimme laut und energisch. Mein Blick huschte weiter. "NEIN Thomas! Das ergibt überhaupt keinen Sinn! Da kommen wir niemals durch, das ganze Gebäude wird gesichert sein! Außerdem weist du nicht einmal wo es ist!" Newts Stimme war laut und er fuhr sich genervt durch die Haare, die bereits in alle Richtungen standen. Auch seine Wangen waren gerötet und die Körperhaltung defensiv. Mir war klar, dass das hier nur noch weiter ausarten würde mit jedem Wort, das gesprochen wurde. "Gut dann frag doch mal die Anderen, frag sie welchen Plan sie besser finden!", erwiderte Thomas und stemmte die Arme in die Seiten. "Gut Leute! Thomas idiotischen Plan oder meinen?", fragte Newt jetzt laut und blickte Pfanne und mich abwechselnd an. Pfanne war überrumpelt davon, dass er tatsächlich wahrgenommen wurde - die letzten Minuten hatten sie ihn vehement ignoriert und sich auf ihren Streit konzentriert. "Ich- also- Thomas' Idee ist schon etwas leichtsinnig, aber Newt - wir würden mit deinem Plan viel zu lange brauchen. Wer weiß, was die in der Zwischenzeit mit ihm anstellen?", endete er und vermied Blickkontakt mit dem zweiten Anführer. "Also- darf ich mal was sag-" "NEIN!", fuhren Thomas und Newt Daniel an, der mir verschränkten Armen in der Ecke saß und alles nur beobachten durfte. Beleidigt zog er den Kopf ein und starrte wieder aus dem Zelt hinaus. Newts Augen huschten weiter zu mir und ich erschrak leicht. Ein wütendes Feuer loderte in ihnen, aggressiv und unaufhaltsam. "Und du? Bist du auch für Thomas?!", fragte er laut, ein warnender Unterton schwang in seiner Stimme mit. Die Beiden taten, als wäre dies der Weltuntergang und sie  stritten sich wie die Hühner auf der Stange. Wie alt sie auch sein mochten und egal, was sie bereits erlebt hatten - dieser Streit blieb das kindischste, dass ich jemals gesehen hatte. Aber Newt bestand mit energischem Blick auf meine Meinung und ich wusste, dass er sie brauchte, mich auf meiner Seite brauchte. Doch auch ich musste zugeben, dass mehrere Wochen lang auf die Suche nach Minho gehen, einen Deal aushandeln und notfalls einbrechen viel zu zeitkonsumierend und aufwendig war. "Also- nun ja- ich- werde mich auf keine Seite stellen", endete ich und dachte damit, dass ich den Streit klug gemieden hatte. Doch ich hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Sekundenlang starrte Newt mich nur an, die Spannung in der Luft zum zerreißen gespannt. "Newt-", begann ich, doch er würdigte mich plötzlich keines Blickes mehr. "Unglaublich" Newt fuhr herum, schlug Pfanne's versöhnende Hand weg und rauschte aus dem Zelt.

Shit.

Rasch rannte ich hinter ihm her. Seine Schritte waren groß und hastig und ich hatte Mühe, sein Tempo beizubehalten. "Newt! Das war doch so gar nicht gemeint! Ich hab wirklich-" "Das du mich verrätst hätte ich nie gedacht", unterbrach mich der blonde Junge und entzog sich meinem Griff nach ihm als wäre ich giftig. "Aber ich hab dich nicht verraten! Ich hab lediglich-" "Spar dir deine Ausreden, ich will sie nicht hören" Nun wurde auch ich langsam wütend. Beinahe stundenlang hatte ich mir sein und Thomas Gebrüll angehört, war aus dem Gespräch verbannt worden und konnte nichts richtiges sagen, ohne dass ich einen der Beiden enttäuschte. Trotzdem atmete ich tief durch, um mich zu beruhigen: zwei Hitzköpfe würden keinem etwas nützen. Mit energischem Blick stellte ich mich ihm in den Weg und starrte hinauf in die dunklen Augen, die mich beinahe verhasst anschauten. "Newt! Ich finde deinen Plan nicht schlecht aber Pfanne hat Recht. Wir können Minho nicht so lange dort drinnen lassen! Mit jeder Sekunde, die vergeht, kann ihm mehr passieren! Vielleicht foltern sie ihn jetzt gerade! Er zählt auf unsere Hilfe, vermutlich ist das dort drin sein einziger Lebenswille! Denk doch mal dran, was die alles mit uns gemacht haben. Wir dürfen ihn nicht im Stich lassen, jede Sekunde zählt. Er wartet auf uns, ich bin mir sicher" Für einen kurzen Moment schien es, als hätte ich den zweiten Anführer überzeugt. Ruhig blickte er mich an und ich merkte, wie er zu überlegen begann. Hoffnungsvoll hielt ich die Luft an, als er den Mund öffnete. "Du wolltest eh mit Thomas mit, von Anfang an. Dann geh doch mit ihm und seinem idiotischen Plan" Ich erstarrte, als er mich zur Seite schubste. Nicht fest oder grob, aber bestimmt. Wortlos blickte ich dem Jungen hinterher, der jetzt den Hügel hinauf zu stampfen begann. "Newt-" "Hau ab!", brüllte er zurück und verschwand hinter der Kuppe. Wie benebelt schluckte ich und schloss meinen offen stehenden Mund. Er hatte mich gerade weggeschickt, er wollte nichts von mir wissen. Ein tiefer Stich bohrte sich in mein Herz und ich spürte, wie meine Lunge sich zusammenschnürte. Tränen schossen mir in die Augen und verschleierten meine Sicht. Wie konnte er nur so zu mir sein? All die Momente, die wir geteilt hatten, all die Liebe, die wir füreinander spürten, fühlte sich in jener Sekunde nichtig an. Taub und leer. Die Tränen rannen mir die Wange hinab, während ich auf den Fleck starrte, an dem er verschwunden war. Ich hatte gedacht, dass ich Newt kannte, nach allem was geschehen war. Aber so hatte ich ihn noch nie erlebt. Kein einziges Mal seit ich denken konnte. "Y/n? Y/n!" Daniels Stimme erklang hinter mir und während seine Schritte näher kamen, wischte ich mir hastig die Tränen von den Wangen. "Y/n, ich wollte dich fragen, ob-" Er hielt inne und betrachtete mein Gesicht kritisch. "Sag mal heulst du?" Ich verengte die Augen zu Schlitzen und starrte ihn wütend an. "Sag mal kannst du nicht jemandem anders auf die Nerven gehen?!" Ich stieß ihn an der Schulter, als ich mich auf den Weg zurück zum Zelt machte. Thomas' Plan brauchte Feinschliff und jetzt, wo er und Newt sich nicht mehr hitzköpfig anbrüllten, hätte ich tatsächlich mal die Chance, zu helfen. "Y/n! Warte! Es tut mir leid!", hallte Daniels Stimme hinter mir her und ich hielt inne. "Was willst du?", fragte ich den langsam näher kommenden Jungen und in seinen dunklen Augen lag Erleichterung. "Ich wollte dich fragen, ob du mit mir zurück in die Stadt fährst"

Verloren im Feuer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt