21: Der Stützpunkt des rechten Arms

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Ich hatte nicht gemerkt, das ich eingeschlafen war. Doch als mich ein unsanftes Schlagloch in der Straße weckte, riss ich verschlafen den Kopf von Pfanne's Schulter. "Was'n los?" "Shh", raunte Daniel und nickte grinsend hinter mich. Ich drehte den Kopf und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen: Newt und Pfanne hatten beide die Augen geschlossen und ein tiefer Atem hob und senkte ihre Brust sanft. Mein Blick wanderte an ihnen vorbei, aus dem Fenster. Die Landschaft war karg und pflanzenarm, hi und da ragte ein Büschel vertrocknetes Gras aus dem Boden. Ein Blick aus der Frontscheibe machte mir klar, das unsere Fahrt nicht mehr lange dauern würde. Die Berge waren in unmittelbarer Nähe. Ein unglaubliches Gefühl des Glücks durchströmte mich und ich musste kurz die Augen schließen, um nicht laut aufzujauchzen. Plötzlich schien alles so leicht, so frei. WCKD lag hinter uns und wir hatten unsere Freunde. Wir waren auf dem Weg in ein sicheres Leben. Frei von Grievern, dem Labyrinth und Cranks. Aufgeregte Stille herrschte im Auto, während wir in die Berge fuhren. Mein Blick schweifte über die grauen Steinwände neben Pfanne, die massiv in die Höhe ragten. Eine Weile fuhren wir weiter, bis das Auto langsamer wurde. Neugierig warf ich einen Blick nach vorne und erkannte Jorges Gesicht im Rückspiel. Es hatte sich unbegeistert verzogen. Als das Auto zum Stehen kam, erhob er die Stimme und öffnete die Autotür. "Okay Leute ab hier gehts zu Fuß weiter" Sanft schüttelte ich Pfanne's Schulter und drückte einen Kuss auf Newts Lippen. "Aussteigen" Daniel erhob sich bereits und zog mich unwillig hinter sich her, bevor er aus der Tür sprang und wir blickten uns um. Direkt neben der teilweise zerfallenen Leitplanke fiel eine steile Schlucht ab, so tief, das man ihren Boden nicht erkennen konnte. Zu unserer Linken ragte eine hohe Steinmauer in den Himmel und für einen kurzen Augenblick erinnerte sie mich an die Mauern im Labyrinth. Newt schien das Gleiche zu denken. "Kommt mir bekannt vor" Für ein paar Sekunden spürte ich Wehmut in meinem Herzen aufsteigen, als ich an die Lichtung dachte. Und an meine Freunde, die nun nicht mehr hier waren. Alby, Ben, Chuck, Winston, Paul, Nick, Jasper... Die Liste ging weiter und weiter, so viele Freunde hatten wir verloren. Ich erinnerte mich an Chucks jungenhaftes Gesicht, seine rotbraunen Locken, die im Wind wehten, während er mit mir Fangen spielte. Ich schloss die Augen und war für einen kurzen Augenblick zurück auf der Lichtung. Stimmen schallten von den Wänden wieder, Vögel zwitscherten, die Schafherden mähten, ein seichter Wind strich über das hohe Gras und lies es leise rascheln. Die Gerüche von Rauch und gegrilltem Fleisch schwebten mir um die Nase, die Sonnenstrahlen tasteten wie lange Finger über die Lichtung und tauchten alles in ein goldgelbes Licht. Vielleicht war das hier nur ein sehr lebendiger Traum und ich wachte in ein paar Sekunden in meinem selbst gezimmerten Bett in Newts Hütte auf. Danach würde ich zum Frühstück gehen und meine Schafherde zur Weide am kleinen Teich führen. Sie beim friedlichen Grasen beobachten, ihrem leisen Blöken lauschen und für die Zeit einfach alles Andere vergessen. Keine Griever, kein Gally, keine Toten. "Sehen wir uns das mal an" Erschrocken riss ich die Augen wieder auf, als eine laute Stimme ertönte und Jorge hob bereits motiviert den Fuß. Plötzlich entdeckte Thomas etwas an den verlassenen Autos. "Hey- Leute... seht mal" Minho trat zu ihm und strich über die Frontscheibe. "Das sieht aus wie-" Der Läufer hatte kaum erkannt, worum es sich handelte, als aus dem Nichts Schüsse erklangen. Überrascht stürzten wir zu Boden. Weitere Patronen hagelten auf uns herab und ich hörte Jorge fluchen. "Diesen Hinterhalt haben wir Marcus zu verdanken. Dieser verdammte Mistkerl!" "GEHTS EUCH ALLEN GUT?" Aus verschiedenen Ecken der Autos kamen Bejahungen auf Thomas' Frage und auch ich stimmte nach einem Blick auf Newt und Daniel zu, die beide unverletzt waren. "Hat irgendjemand gesehen woher diese verdammten Schüsse gekommen sind?!", rief Newt, doch erhielt keine Antwort. "OKAY ALLE ZUSAMMEN. MACHT EUCH BEREIT ZUM WAGEN ZURÜCK ZU LAUFEN. UND HALTET EUCH DIE OHREN ZU!", brüllte Jorge's Stimme und verwirrt starrte ich Newt an. "Was hat er vor?", flüsterte ich doch er zuckte nur mit den Schultern. "Wenn ich wegen euch draufgehe-", nörgelte Daniel neben mir doch Newt hielt den Finger an die Lippen und der rothaarige Junge verstummte sofort. Ich ging in die Hocke, bereit los zu sprinten - als plötzlich eine starke, weibliche Stimme zu uns herüber drang. "Fallen lassen. Ich hab gesagt FALLEN LASSEN" Neugierig linste ich durch den Rückspiegel eines verlassenen Autos, doch Jorge und Thomas waren verborgen, ebenso die Besitzerin der Stimme. "Los hoch mit euch- und da rüber. Los gehts. Geht! Zurück mit euch!" "Ganz ruhig", erwiderte Jorge und wir hörten Schritte. "Ihr drei- da rüber!" Mir klappte der Mund auf, als nicht nur Thomas und Jorge in mein Sichtfeld traten, sondern auch zwei Mädchen. Die eine hatte dunkle Haare, die zu vielen kleinen Zöpfen geflochten waren. Die zweite helle Blonde. Sie trugen Masken und- Waffen. "Hoch mit euch!", fuhr mich die Fordere an und sofort kam sie mir bekannt vor. Als wir alle vor den Beiden standen, erfassten ihre Blicke Aris. "Aris?", fragte sie und überrascht drehten wir uns zu dem schmächtigen Jungen, der jetzt die Arme sinken ließ. "Oh mein Gott- Harriet?" Das vordere Mädchen zog ihren Schal hinab und mir klappte zum zweiten Mal an diesem Abend der Mund auf. Es war die Anführerin der drei Mädchen im WCKD-Compound. Ich hatte sie das erste Mal in den Duschen getroffen. Die Hintere konnte somit nur unweigerlich- "Sonja?", fragte ich und sie schob ebenfalls den roten Schal vom Gesicht. "Y/n?" "Was machst du denn du Blödmann?", rief Harriet und fiel Aris um den Hals, während Sonja das Gleiche mit mir tat. "Wir hätten euch beinahe erschossen ihr Idioten!", lachte sie in meine Haare und lies mich los, um mich genauer zu betrachten. "Äh- was passiert hier?", erklang Minhos fragende Stimme von weiter hinten und Aris drehte sich kurz zu ihm. "Wir waren zusammen im Labyrinth!" Ach. "Und wir in einem Zimmer- wenn auch nicht für lange", meinte Sonja erklärend und Newts Augenbrauen hoben sich, als er das blonde Mädchen zum ersten Mal genauer betrachten konnte. Nun, als sie beinahe nebeneinander standen, konnte man ihre Ähnlichkeiten nicht leugnen. "Du- siehst aus wie ich?", fragte Sonja perplex und starrte meinen Freund an. Sie hatte Recht. Die Beiden glichen sich beinah wie das eine Ei dem Anderen. Konnten sie womöglich Geschwister sein? Zwillinge? Ein Pfiff riss sie aus ihrem Starren und Harriet winkte hinauf zu den Bergen. "OKAY LEUTE IHR KÖNNT JETZT RAUSKOMMEN- ES BESTEHT KEINE GEFAHR MEHR" Ich hob den Kopf, nur um mehrere Leute mit Waffen hoch oben am Bergkamm aufstehen zu sehen. "Das sind mal n paar Scharfschützen", murmelte Jorge anerkennend und Harriet grinste ihm kurz zu, bevor sie vorauslief. "Na kommt schon!" "Ist das der Stützpunkt?", fragte ich Jorge leise und er nickte, zum ersten Mal sah ich ein echtes Lächeln auf seinem Gesicht. "Oh ja meine Kleine. Das hier ist der Stützpunkt des rechten Arms" "Joe mach mal Platz!", rief Sonja, als wir durch einen geräumigen, aber kurzen Bergtunnel liefen und ein großer Geländewagen fuhr ein Stück vom Ausgang weg. "Wir bringen sie ins Lager", erklärte Harriet den bewaffneten Männern, die jetzt nickten und uns trotzdem neugierig anstarrten. "Wartet also- wie seid ihr Beiden hierher gekommen?", fragte Aris und das dunkelhaarige Mädchen hielt vor einem Truck inne. "Der rechte Arm hat uns rausgeholt" "Der- der rechte Arm? Was- Wisst ihr wo er jetzt ist?" Thomas schob sich vor Aris und blickte aufgeregt hinab zu Harriet, die ihn jetzt angrinste. "Hüpf rein" Mit diesen Worten schwang die Tür auf und Einer nach dem Anderen kletterte hinein. Daniel zwinkerte Harriet zu, als wir an ihr vorbeikamen und ich sah nur noch grinsend, wie sie ihm einen irritierten Blick zu warf. Er mochte zwar hübsch sein, aber von Mädchen schien er gar keine Ahnung zu haben.

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