Drei

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Manuel

Er sah so unverschämt gut aus in seinem dunkelblauen Shirt, der hellen Ripped-Jeans und der dunklen Strickjacke. "Mir- ehm geht's gut, danke. Und dir? Kamst ja gar nicht voran da drin.". Ich wusste nicht woher diese Antwort kam, aber ich war heilfroh, dass ich überhaupt etwas rausbekam und nicht nur vor mich hin stotterte. "Ja ach, man gewöhnt sich dran. Mir geht's auch gut, ich bin wirklich froh zugesagt zu haben heute Abend.". Stumm sahen wir uns an. Ich erwischte mich wie ich seine Gesichtszüge studierte, jede kleine Falte und die kleinen Grübchen wenn er lächelte.
Verlegen schob ich meine Hände in die Hosentaschen und stand unschlüssig da. Ob ich ihn in den Arm nehmen durfte? Ließ er das überhaupt zu? Auch in seinen Augen konnte ich den Zwiespalt entdecken. "Wie läuft es bei dir so?- Du wolltest damals unbedingt dein Ding als DJ durchziehen, hat das- funktioniert?". Ich wollte ihm gerade antworten als sein Handy zu klingeln begann und nicht nur ich, sondern auch er selbst, zusammenzuckte. "Entschuldige-". Eilig holte er es aus der Tasche und verdrehte die Augen als er sah, wer anrief. Ich sah wie er den Anruf wegdrückte, sein Handy stumm schaltete und es zurück steckte. "Tut mir leid, wollen wir uns-". Er deutete auf eine Bank am Wasser und spielte nervös am Reißverschluss seiner Jacke. "Gerne, ja.". Ich ging neben ihm und ließ mich auf die Bank fallen, wo ich mir eben den Moment nahm und tief durch atmete. "Tut mir leid, auf Arbeit ists gerade stressig. Uns fehlen Leute, das Stadion muss für nächstes Jahr geplant werden und das Team versucht einfach Jeden anzurufen wenn was ist.". Seine Stimme klang  nicht genervt, aber bedrückt und belegt. Er hatte den Blick auf den See gerichtet, die Stirn lag in Falten und ein leises Seufzen drang von seinen Lippen. "Alles ein wenig stressig aktuell hm. Ihr macht das aber gut, es macht wirklich Spaß euch zu zu sehen.". Überrascht wand sich sein Blick nun zu mir. "Du hast die Show gesehen?".

Peinlich berührt nickte ich. "Ich war einige Male im Publikum. Seit 2008 bestimmt schon an die 30 Mal, ich finds bewundernswert wie ihr das durchgezogen habt.". "Ich hab dich nie gesehen im Publikum, ich hätt dich schon viel eher sehen können?". Er wusste, dass er mich auch einfach hätte besuchen können. Meine Eltern lebten noch immer im selben Haus, ich bezog die Wohnung im Obergeschoss und wenn er gewollt hätte, wäre er einfach mal vorbeigekommen. Ich schob den Gedanken beiseite und dachte mir insgeheim doch, dass sich einige Dinge wohl nie änderten. "Ich saß recht weit hinten und als ich das letzte Mal probieren wollte Kontakt aufzunehmen, wurde ich sehr freundlich von eurem Security zusammengeschissen.". Kopfschüttelnd spielte ich etwas an meinen Händen und erinnerte mich an den kräftig gebauten Mann, der mich anfuhr was mir denn einfiele, einfach zu behaupten Chris persönlich zu kennen. "Danach hatte ichs aufgegeben nochmal nachzufragen.". Ich spürte Chris warme Hand auf meinem Arm und hob den Blick zu ihm. "Das tut mir leid. Ich hätte mich gefreut dich zu sehen.". Er warf mir ein leichtes Lächeln zu und zog seine Hand gleich wieder zurück als hinter uns die Tür zum Hof aufgerissen wurde.

Er hatte sich also doch nicht verändert.
"Ach da seid ihr ja! Kommt ihr mit rein, wir wollten eben ein Gruppenfoto machen.". Die durchdringend schrille Stimme von Anne-Marie ließ mich aufseufzen und bevor ich antworten konnte, rief Chris schon zurück: "Gleich! Macht ruhig ohne uns!". Einige Augenblicke später fiel die Tür erneut zu und ich drehte meinen Kopf etwas zu ihm. "Immernoch so panisch?", raunte ich und sah seine Augen schon suchend umher schauen. "Was? Panisch?-". "Lass bloß niemanden sehen, dass Christian Reinelt zu nah an einem Mann sitzt. Manches ändert sich nie.". Ich stand auf und zog meinen Hoodie höher. "Nein, so war das doch gar nicht- Manu bitte. Ich hab mich nur erschrocken, dass sie plötzlich rauskam.". Perplex blieb ich stehen als seine Hand meinen Unterarm umfasste. "Warte doch bitte", murmelte er und ich konnte hören, wie nah er mir war. "Du hast das nie vergessen, oder?". "Nein Christian. Wie konnte ich.". Das leise, beinahe resignierte, Seufzen an meinem Ohr ließ mich den Kopf senken. "Vergiss das einfach Christian, ich will dich nich schon wieder verlieren. Es tut gerade so gut dich wiederzusehen.". "Tschuldigung, ich freu mich doch auch. Ich- darf ich dich bitte in den Arm nehmen?". Die Sehnsucht machte sich in meinem Herzen breit als die Worte bei mir ankamen. Ich drehte mich zu ihm um. Ganz zerbrechlich stand er vor mir, sah mich bittend an und ich konnte ihm gar nicht mehr widerstehen. "Frag doch nicht nach Chrissi", flüsterte ich und schlang meine Arme fest um seinen Hals. Seine Hände legten sich auf meine Hüfte und ich spürte seinen heißen Atem an meinem Hals. "Ich hab dich vermisst Manu.". Die prickelnde Gänsehaut, die er bei mir auslöste, ließ mich leise aufseufzen und meine Nase noch tiefer in seiner Sweatjacke vergraben. "Ich dich auch", gab ich leise als Antwort und ließ mich noch enger an ihn drücken.

"Josting! Reinelt! Kommt ihr langsam?!". Die Stimme von Viktor ließ uns augenblicklich auseinander fahren. "Ja! Kommen!". Viktor sah mich für einen Moment perplex an, ich tat es mit einem Kopfschütteln ab. "Trinken wir gemeinsam einen? Ich muss zwar noch fahren aber einen krieg ich wohl hin.". Chris stellte sich neben mich und nickte. "Geht mir genauso. Einer ist drin.". Nebeneinander gingen wir zurück zum Saal und kaum kam Chris hinter mir ebenfalls hinein, wurde wieder laut aufgejubelt und die erste Menschentraube begab sich zu uns. "Macht mal halblang, ich bin immernoch nur ein ehemaliger Mitschüler. Entspannt euch bitte.". Seine Stimme bebte und entgegen seiner Natur wurde er tatsächlich lauter, was mich schmunzeln ließ. Der Ruhm war nun mal so Reinelt, dachte ich mir und ging durch die Massen hinweg wieder zur Bar. "Und bei euch ist wirklich nichts?". Ich sah auf. Viktor lehnte mit einem Bier am Tresen und grinste mich schelmisch an. "Ach was. Wir haben uns nur umarmt, lang nich mehr gesehen und so.". "Das sagst du. Aber wie er dich gehalten hat, sagt wohl alles.". Ich schmunzelte und hatte die Bilder wieder im Kopf. Diese Umarmung, die von ihm so sehr gewünscht worden war, fühlte sich unglaublich an. Sein Parfum stieg mir wieder in die Nase und lächelnd drehte ich mich um. "Was kannst du denn empfehlen? Whiskey?". Ich spürte sehr wohl alle Blicke auf uns liegen und seine Vorsicht mir nicht zu nah zu kommen. "Ja, der- der ist echt gut. Setz dich.". Ich bestellte zwei Shots und schob ihm seinen zu. "Auf-". Noch bevor ich was sagen konnte, senkte er seine Stimme und flüsterte: "Auf Uns.".

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