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Christian

Ich konnte sie nur ansehen. Ich wusste nicht, wie ich antworten sollte oder ob ich dies überhaupt tun sollte. Ihr Blick, so eiskalt, bohrte sich tief in mein Gedächtnis und ein bitterer Schauer rann mir über den Rücken. "Was willst du hier Christina? Ich denke mal, es ist alles gesagt und der Rest wird vor Gericht geklärt.". Die Stimme meines Bruders war fest und bestimmend. Ich spürte ihn dicht an meiner Seite stehen, als hätte er Angst mich zusammenklappen zu sehen. Nicht unwahrscheinlich um ehrlich zu sein, da sich mein Innerstes gerade umdrehte. "Andreas, ich meine gesagt zu haben, dass ich mit ihm alleine sprechen will.". "Damit du ihm wieder eine rüberziehen kannst?", fauchte er sie wütend an. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst.". Andys Hand strich über meinen Rücken und ließ mich zusammenzucken. Die Berührung kam zu unerwartet, dass ich mich gleich erschreckte. "Verlass unser Grundstück, ich muss sonst leider eine einstweilige Verfügung gegen dich erwirken lassen.". Schnippisch schnauzte sie ihn an: "Dafür habt ihr keinen Grund, ich bin seine Frau.". Kopfschüttelnd legte mein Bruder den Arm um meine Schultern. "Noch. Christina ihr seid getrennt, du bist ihm fremdgegangen! Geh jetzt bitte einfach!". Erbost verschränkte sie die Arme und ignorierte Andreas nun vollkommen. "Christian-". Plötzlich ganz sanft und liebevoll drang ihre Stimme zu mir und holte mich ruckartig aus meinen Gedanken. "Wir wissen doch Beide, dass es ein schrecklicher Fehler war. Ich liebe dich, du liebst mich Chris. Wieso gibst du uns auf? Gibst mich auf?". Ich sah auf und erkannte die Tränen in ihren Augen. Schwer schluckte ich und strich mir durchs Gesicht. "Hör auf ihn zu manipulieren", raunte Andreas von der Seite. "Du bist ihm mit drei Männern fremdgegangen, schlägst ihn seit Jahren und entfremdest ihn immer weiter von seiner Familie! Du hast ihn gebrochen und jetzt traust du dich noch genau so weiterzumachen. Hau ab! Geh einfach, seh ich dich noch einmal hier, rufe ich die Polizei!". Schwer atmend machte Andreas einen Schritt auf sie zu und ballte die Hände zu Fäusten. "Na los, erheb ruhig die Hand gegen mich", raunte sie bissig. "Ich kann euch ruinieren Andreas, ich kann euch richtig in die Scheiße reiten und du wagst es noch ausgerechnet mir zu drohen.". Ich griff nach seinem Arm und zog ihn zurück. "Geh bitte.". Ich sah sie an. Den Ausdruck in ihren Augen konnte ich nicht zuordnen, ob es Hass oder Enttäuschung war. "Warum? Damit du mit deinem Kollegen rummachen kannst?". Schmerzlich zog sich mein Herz zusammen und ich wagte kaum in Richtung des angelegenen Büros zu schauen. "Hast du es ihnen schon erzählt? Wissen sie, dass du ganz plötzlich schwul geworden bist?". Erneut mischte Andreas sich ein. "Was sollte dich das angehen? Geh jetzt verdammt.". Christina schüttelte nur den Kopf. "Du wirst noch richtig Probleme mit ihm bekommen, er kann dich nicht glücklich machen.". Verzweifelt sah ich zu Andy und zog mich langsam zurück. "Mir reichts.". Mein Bruder zog sein Handy heraus und aus dem Augenwinkel konnte ich nur die Zahlen des Notrufs erkennen. "Keine Sorge, ich geh schon Andreas. Wir sehen uns vor Gericht, mach dein Konto schonmal locker Christian.". Ein letzter herablassender Blick und sie verließ das Büro wieder.

"Setz dich Chrissi, komm.". Andy zog mir den Bürostuhl hin und setzte mich vorsichtig drauf. "Atmen Chris, hol Luft.". Ich bemerkte gar nicht, dass ich hyperventilierte. Ich bemerkte auch nicht, dass ich zitterte; nicht dass ich mein Hemd nassschwitzte. "Manu! Holst du bitte ein Wasser?". Ich vernahm keine Antwort, sah aber auch niemanden, geschweige dass ich überhaupt etwas wahrnahm. "Schau mich an", flüsterte die besorgte Stimme neben mir und ließ mich langsam aufsehen. "So ist gut, wir sind hier-". Beruhigend strich Andreas über meinen Handrücken und atmete hörbar tief ein und aus. "Andreas, hier.". Die zweite Stimme kam näher und schon wurde mir ein Wasserglas hingehalten. Dankbar nahm ich ein paar Schlucke und gab es zurück. "Geht's?". Mit verhangenem Blick sah ich erst zu meinem Bruder, dann zu meinem Freund. "Du bist ganz nassgeschwitzt, magst du nicht lieber nach Hause? Ich weiß nicht, ob das so gut ist wenn du dich jetzt noch mit hinsetzt unten.". Andreas nickte Manus Vorschlag ab und stand wieder auf. "Nein", murmelte ich. "Ich bleib hier. Ich- brauch nur kurz.". Manus besorgter Blick striff meinen. "Ich hol dir ein neues Oberteil, ja? Hab eine Tasche im Auto.". "Danke", flüsterte ich und sah ihm nach, wie er eilig das Zimmer verließ.
"Bist du wirklich ok?". Ich nickte stumm und schloss die Augen. "Nimm dir das nicht zu Herzen, sie ist einfach völlig durchgedreht. Leb dein Leben, wir unterstützen dich.". Leise brummend stimmte ich ihm zu. "Wir werden bei der Scheidung anwesend sein, du musst da nicht alleine durch Chrissi.". Ich blieb stumm und versuchte in mich zu gehen, meine Gedanken zu sammeln. Am liebsten wäre ich schreiend weggerannt, einfach ins Nirgendwo und untertauchen. Seufzend stand ich langsam auf und trocknete mir einige Tränen. "Das sollte dir passen.". Ich sah zur Tür, wo Manu mit einem beigen Shirt stand. "Danke Manu.". Ich knöpfte mit noch zittrigen Händen mein Shirt auf, fluchte leise als ich es nicht schaffte. "Lass mich dir helfen.".

Andreas hatte sich zur Fensterfront gedreht, wusste er doch wie kritisch ich mit meinem eigenen Körper war. "Musst du nich, ich- ich pack das schon.". "Schatz-", hauchte er und schob liebevoll meine noch schweißnassen Hände beiseite. "Tut mir leid, ich bin einfach-". Seufzend ließ ich die Schultern hängen, kannte Manu mich doch eh gut genug. Er öffnete mein Hemd und schob es mir sanft von den Schultern, wobei ich erst jetzt bemerkte wie viel ich tatsächlich geschwitzt hatte. "Deo?". Ein leichtes Lächeln auf den Lippen nickte ich und nahm dankbar die kleine Dose entgegen. Manus Shirt warf ich mir über und vergrub dabei für einen Moment meine Nase im seidenen Stoff. "Geht's?". Schweigend nickte ich. "Wollen wir raus?". Verlegen sah ich zu meinem Bruder, der inzwischen wieder zu uns sah. "Ich müsste Jannik mal vom Grill ablösen, der wartet bestimmt schon.". "Dann lasst uns rausgehen", stimmte nun auch ich bei. Leise atmete ich nochmal durch, dann hauchte ich Manu einen Kuss auf die Lippen und ging dicht bei ihm hinaus auf den Hinterhof.

"Dachten schon ihr seid durchgebrannt alle Drei.". Jannik grinste uns an. "Ich hab hier deinen Job übernommen Chefchen.". Lachend nahm Andreas ihm die Grillzange ab und klopfte ihm auf die Schulter. "Danke dir. Hat etwas länger gedauert, sorry.". "Kein Ding Andreas.". Manu sah mich kurz an. "Alles in Ordnung", flüsterte er und lächelte aufmunternd. "Sollen wir uns zu deiner Mom setzen?". Ich nickte und ging zum Tisch, der ganz am Rand stand. "Entschuldige, dass wir dich haben sitzen lassen Mama.". "Ach was, euer Team ist ganz reizend. Man findet immer jemanden zum Schnattern.". Schmunzelnd nahm Manu neben mir Platz und strich heimlich über meinen Oberschenkel. "So, ich hab gehört ich soll verhört werden?". Grinsend sah Manu zu meiner Mom und das leichte Verliebtheitskribbeln in meinem Magen kam wieder durch als dieses Grinsen auch mich erreichte.
"Heb dein Köpfchen wieder und lächel mal.". Lächelnd atmete ich durch und hob den Kopf, stützte ihn auf meine Hand und lauschte den neugierigen Fragen meiner Mom.

Für Immer ab JetztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt