Zwanzig

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Christian

"Hat deine Mom dich wirklich eingeladen oder wolltest du nur auf mich warten?". Ich wollte gar nicht erst weiter über die gerade geschehene Situation sprechen, viel zu sehr raste mein Kopf schon bei dem Gedanken es Andreas wohl aber übel erklären zu müssen. "Auf dich gewartet. Ich wollte eigentlich nur fragen, wie es dir geht.". "Oh ehm, mir geht's ganz gut. Du siehst nur ziemlich fertig aus.". Leicht legte ich meinen Kopf schief und ließ meinen Blick einmal über seinen Körper streifen. "War anstrengend heute, mein Kopf ist richtig Matsch.". "Magst du dann lieber alleine sein heute?". Unsere Blicke trafen sich. Sekundenlang sahen wir uns einfach an, bis er langsam den Kopf schüttelte. "Ich wäre froh, wenn du noch mitkommst.". Ich nickte und sah mich unauffällig um, bevor ich ihm einen Kuss auf die Stirn drückte. "Ich komm dir nachgefahren, kann ich auf dem Hof stehen? Christina, sie- sie hat meinen Wagen letzten Abend schon an deiner Straße stehen sehen.". Leise seufzend nickte er. "Ein Platz ist noch frei bei mir. Stell dich einfach dazu, ja? Ich warte unten in der Tür auf dich.". Ich nickte nur und strich kurz über seine Hüfte, dann verschwand ich schon zu meinem Wagen.

"Komm rein, meine Mom hat mir heute Morgen Lasagne gebracht. Falls du Hunger hast.". Erschöpft lehnte Manu an der Küche und gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Magst du nicht lieber ins Bett?". "Jetzt bist du schonmal hier, ich kann dich doch nicht-". Besorgt unterbrach ich ihn. "Manu, du bist totmüde. Das war so viel heute, geh dich abduschen. Ich mach uns das Essen warm und danach legst du dich hin.". Ergeben nickte er und legte die Arme um mich. "Ist das wirklich okey für dich?". Seine Augen waren schon geschlossen und ich schmunzelte, als er sich noch enger an mich presste. "Natürlich. Du bist müde und dabei noch unglaublich süß, da könnt ich dir nicht böse sein.". Brummend gab er Protest, drückte mir einen Kuss auf die Brust und nickte. "Ich geh duschen.". Ich winkte ihm noch und machte mich dann in seiner Küche auf die Suche nach Tellern und Besteck. Die Lasagne aus seinem Kühlschrank ließ ich in der Mikrowelle aufwärmen und tippte nebenbei auf meinem Handy. Die Klatschblätter hatten sich gerade wieder irgendein Pärchen rausgesucht, was sie schikanierten und direkt legte ich mein Handy wieder weg. Diese Angst vor der Öffentlichkeit kam nun doch nich von irgendwo und wer weiß, wie sie mich auseinander nehmen würden? Ob man mir nachstellen würde? Kommentare abgeben und Manu runtermachen würde? Ich wusste es nicht, wollte es aber auch nicht rausfinden. Das Piepen der Mikrowelle ließ mich aufschrecken. Ich nahm das Behältnis raus und füllte zwei Teller. Ein Klopfen ließ mich aufhorchen. Ich dachte erst es mir eingebildet zu haben, doch dann ertönte es erneut. Aus dem Bad war noch immer die Dusche zu hören, also entschloss ich kurzerhand die Tür zu öffnen.

"Frau Josting, guten Abend. Ich- kann ich etwas für Sie machen?". Ihr Blick legte sich kalt auf mich. "Ist mein Sohn da?". "Steht gerade unter der Dusche, soll ich ihm was ausrichten?". Ich probierte ihre Kälte nicht an mich heran zu lassen und wich lieber ihrem Blick aus. "Nein. Ich werd ihm eine Nachricht schicken.". Leicht nickte ich und begegnete nun doch noch einmal ihrem Blick. "Ich hoffe, du weißt, dass Manuel mit dir nicht glücklich werden kann. Du würdest nie zu ihm stehen können Christian und ich kenne meinen Jungen. Er will seine Beziehung offen ausleben. Da stehen deine Chancen wohl eher schlecht.". Mit einem abschätzigen Blick machte sie kehrt und ging zurück in ihre Wohnung. Den Kopf gesenkt schlurfte auch ich zurück und legte jeweils eine Gabel auf unsere Teller. "Wer war gerade an der Tür?". "Deine Mutter. Schreibt dir ne Nachricht, was sie wollte.". Ich drehte mich zu ihm und setzte mein bestes Lächeln auf. "Essen?". "Ich kann sehr wohl sehen, dass dieses Lächeln nicht ehrlich ist Christian. Was ist los?". "Weist doch wie deine Mutter zu mir steht.". Er ließ ein schweres Seufzen frei und nickte. "Tut mir leid, sie soll dich nich immer so dämlich anmachen. Sie kennt dich ja kaum.". Ich kommentierte das nicht weiter, wusste ich doch, dass sie im Grunde genommen Recht hatte.

"Mach dir noch Netflix an, du musst nicht leise neben mir sein.". Kaum hatten wir uns ins Bett gelegt, schloss Manu seine Augen und vergrub die Nase im Kissen. "Ich find schon was, mach dir keinen Kopf. Schlaf dich aus.". Leise gähnend nickte er und sah nochmal zu mir auf. Ganz leise und rau, hauchte er: "Kuss?". Lächelnd strich ich über seine Wange und presste meine Lippen auf seine. So sinnlich, so weich. Ich hatte nie schönere Lippen küssen dürfen, die gleichzeitig auch noch so wundervoll schmeckten. "Schlaf gut Manulein.". "Du auch Chrissi", murmelte er und drehte sich noch einmal auf die andere Seite. Sein leises Atmen war das einzige Geräusch, auf dass ich achten konnte. So friedlich wie er hier lag, ganz ruhig und entspannt. Er hatte in unserer Jugend schon so ein ruhiges Gemüt, kaum etwas konnte ihn wirklich von der Rolle holen. Und doch gehörte er zu den beliebtesten Schülern des Jahrgangs. Er machte Musik, war schon damals DJ und sein Style war wirklich fabelhaft. Ich weiß nicht, ob ich mich aus diesen Gründen in ihn verliebt hatte. Damals zumindest. Ich strich mir durchs Gesicht und atmete durch. "Ich muss an die frische Luft", murmelte ich und stand leise auf. Manu deckte ich noch richtig zu und knipste das kleine Nachtlicht auf der anderen Seite aus. Barfuß und nur in Jogginghose und Hoodie schlich ich durch die Wohnung zum Balkon.

Aus Paletten hatte Manu hier eine kleine Sitzbank geschustert, Sitzkissen abgelegt und einen kleinen Tisch dazugestellt. Ich setzte mich dahin und zog die Knie an, um meinen Kopf darauf zu legen. Der Himmel ließ die schönsten Sterne schimmern, der Mond schien hell und spendete abgesehen von den Straßenlaternen etwas Licht. Manus Anwesenheit ließ auch mich beinahe alles vergessen, der Brief von heute Morgen und die Ansage von Manus Mama ging mir dennoch nicht aus dem Kopf. Seufzend nahm ich mein Handy nochmal aus der Hosentasche und tippte auf die Nachricht meines Bruders, die mir entgegen leuchtete. "Hey Chris, ich hoffe ihr könnt den Abend etwas abschalten. Macht ganz ruhig und schaltet den Kopf aus. Besonders Du. Hör auf dein Herz.". Natürlich meinte er Manu. Es war nicht zu übersehen an diesem Abend, wie wir uns angesehen hatten vor der Halle und dass Manu auf mich wartete. Es war nur mein Bruder und doch machte mich sein Wissen ganz nervös. Ich wollte nicht darauf angesprochen werden, nicht mit ihm darüber sprechen oder diskutieren müssen. Ich sank in die Kissen und lehnte den Kopf an die Lehne. Leise stieß ich die Luft aus und musste mir dann doch eingestehen, dass mich die Gefühle von damals nicht verlassen haben. Mein Herz schlägt immernoch schneller bei ihm, ich bekomme ein Kribbeln im Bauch und mein Kopf setzt aus. Es hat sich nichts geändert. Ich liebe ihn immernoch. Ich liebe Manuel Josting.

Für Immer ab JetztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt