Neun

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Manuel

Nervös fuhr ich in die Straße ein und je näher ich dem kleinen Häuschen kam, desto mehr schwitzten meine Hände. "Ausweis, bitte.". Der Security hielt ein Klemmbrett in der Hand und sah mich erwartend an. "Natürlich, wo-". Ich kramte in meinem Rucksack, der auf dem Beifahrersitz stand und hielt ihm erleichtert den Backstage-Pass hin. "Josting, Manuel", er überflog seine Liste und sah auf. "Sind Sie neu? Ihr Name steht nicht auf der Liste.". "Offiziell bin ich erst ab Montag angestellt, ich sollte heute nur schon mitfahren. Soll ich Jemanden von der Crew holen? Die kennen mich.". Er nickte und ließ mich mein Handy holen. Wen rief ich denn nun an? Jannik? Dominik? Ich schrack zusammen als es an der Fensterscheibe klopfte. "Josting, kommste nich rein?". Lachend schüttelte Jannik den Kopf und sah über meinen Wagen hinweg zum Security. "Er gehört zu uns, lassen Sie ihn ruhig rauf.". "Alles klar.". Er übergab mir einen Parkausweis und ließ mich im Schritttempo weiterfahren. Jannik lief mir nach und öffnete die Fahrertür sobald ich stand.

"Gerade noch pünktlich da. Gibt gleich Abendbrot.". Grinsend nahm er sich eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche. "Du auch?". Schmunzelnd stieg ich aus. "Gerne, danke.". Er ließ mich aussteigen und meine Tasche rausnehmen, bevor er mir eine Zigarette gab. "Wir sind seit ein paar Stunden auch da, Aufbau läuft nebenbei und die Chefs haben endlich mal was springen lassen.". "Wie meinst du?". Ich sah kurz an Jannik hinab und sah, dass er den Backstage-Pass an der Hose trug, ich tat es ihm nun gleich und ging zum Eingang. "Wir betteln seit Wochen, dass wir mal Grillen auf Tour. Chris hat wohl so gute Laune gehabt die Woche, dass er spontan für alle Fleisch gekauft hat und sogar selbst am Grill steht.". So wie er sprach, war das tatsächlich eine Seltenheit und ich musste lachen bei der Vorstellung, wie Christian am Grill stand. "Na ob wir da heute was vernünftiges zu Essen bekommen.". Janniks Blick legte sich auf mich und scannte mich förmlich ab. "Kennst ihn schon länger?". "Kann man so sagen, waren Klassenkameraden.". "Nein echt?! Wie cool.". Lachend schlug er mir auf den Arm. "War der Chef damals schon so streng und ernst?". War er das? Gute Frage. "Nicht so sehr. Er wusste aber schon damals, was er wollte.". Jannik nickte leicht. "Er spricht nicht viel über die Vergangenheit.". Ich schwieg und nickte stattdessen nur.

Jannik wollte mir zuerst die Busse zeigen, meinen Schlafplatz. "Die Busse sind nach Schichten aufgeteilt. Sobald du beginnst wirst du im zweiten Bus schlafen, da sind die Veranstaltungstechniker und die Stage-Crew. Für dieses Wochenende bleibst du bei mir. Wir schlafen im ersten Bus, wo auch das Management und die Brüder liegen.". Er blieb an der Tür stehen und zeigte mir den Code, um hineinzukommen. Ich staunte nicht schlecht als sich vor meinen Augen ein großräumiger Bereich öffnete. Einige Sitzgruppen, auf einer Seite eine Küchenzeile mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und allerlei technischem Schnickschnack. Funkgeräte, weitere Pässe und zwei große Ordner. "Hier ist es meist unordentlich, Chris lässt sein Zeug überall liegen.". "Das kenn ich schon, hat sich nich geändert.". Grinsend drehte er sich zu mir um. "Ich will alles wissen aus eurer Jugend.". "Zur richtigen Zeit erzähl ich vielleicht mal mehr.". Ich lächelte ihn an. "Na komm, ich zeig dir die Koje und dann gehen wir zum Rest.". Wir gingen in den oberen Bereich und er ging bis in den zweiten Raum vor. "Meine Koje ist hier oben, du nimmst die unter mir und gegenüber von uns schläft manchmal Chris. Eigentlich liegen sie einen Raum weiter, aber wenn Andreas ihm zu laut schnarcht kommt er rüber.". Ich lachte und stellte meine Tasche in meine Koje. "Nachvollziehbar.".

"Manuel, hey. Schön, dass du da bist.". Dominik klatschte mit uns ab als er mit einem gefüllten Teller an uns vorbeiging. "Er hat tatsächlich was zu Essen Jannik. Ich bin ja begeistert.". "Meinst du echt, dass noch Chris am Grill steht?". Lachend kamen wir auf den Hof und blieben sogleich stehen. "Das glaub ich jetzt nicht.". Lachend klopfte mir Jannik auf den Rücken. "Siehst du, Recht gehabt!". Tatsächlich stand der ältere Bruder am Grill, mit einem Bierchen in der Hand und sich mit Chris unterhaltend. Der stand neben ihm und nippte an seiner eigenen Flasche. "Christian! Nichtmal grillen kannst du alleine?". Die Gespräche um uns herum verstummten augenblicklich. "Hat er gerade?-". Ich sah zu Marlon, der mit großen Augen am Tisch neben uns saß. "Christian und er macht Späße mit ihm?". Das Getuschel zog seine Bahnen und noch bevor ich mein Gesagtes zurücknehmen konnte, hörte ich Chris laut auflachen. "Kennst mich doch!". Er kam mir entgegen und hielt mir die Hand zum Einschlagen hin. "Hey, sorry. Ich hab nich dran gedacht, was ich sage.". "Ach was. Alles in Ordnung Manu. Danke, dass du da bist.". Ich schlug mit ihm ein und lächelte vorsichtig. "Magst du was essen? Du auch Jannik?". Dieser nickte sogleich und ging zum Grill. "Die starren uns alle an", murmelte Chris und sah verlegen zur Seite. "Schon gut. Nich drüber nachgedacht.". Ich seufzte innerlich auf und ging an ihm vorbei zum Grill. "Hey Manu, Stück Fleisch?". "Klar, her damit.". Er drückte mir einen Teller in die Hand und ließ mich mit diesem zu den Tischen.

"Magst du dir die Halle ansehen? Ich könnte dir schonmal den Backstage zeigen, jetzt wo noch alles ruhig ist.". Jannik sah mich an als ich aufgegessen hatte. "Ja, wieso nicht. Dann hab ich gleich einen Überblick.". Er brachte unsere Teller weg und ich fing den Blick meines Chefs auf. Er deutete Richtung Halle und ich nickte nur. Kurz haderte er mit sich selbst, das konnte ich in seinen Augen sehen. Doch kam er trotzdem zu mir. "Soll ich sie dir zeigen?". "Jannik wollte-". "Bitte.". Ich schaute in seine Augen und konnte nur noch nicken. "Manu, kommst du?". "Ich zeig ihm die Halle Jannik, setz dich und trink mit den Jungs. Ich zeig ihm gleich wie die Dispos aussehen und so.". "Ach so, ja natürlich. Danke.". Er setzte sich zurück und ließ mich Chris folgen. "Warum wolltest du mich unbedingt rumführen?". Kurz sah er mich an. "Ich bin doch dein Chef, da will ich natürlich einen guten Eindruck machen.". Vorsichtig lächelte er mich an und öffnete die Tür zur Halle. Sobald wir in den Gängen der Halle verschwanden, entspannte er sich zunehmend und sah sich nur kurz nochmal um. "Lass uns hinter die Bühne, steht schon alles.". Wie selbstverständlich griff er meine Hand und zog mich durch die weiten unterirdischen Gänge. Eine schmale Treppe trennte uns noch von der Bühne. "Mach die Augen zu-". Ich sah ihn an. "Ich muss die Treppe noch hoch Chris, ich-". "Vertrau mir.". Seufzend nickte ich und schloss die Augen. "Ich leite dich langsam hoch, ja? Stufe für Stufe.". Sanft nahm er meine beiden Hände und zog mich die Stufen nach oben auf die Bühne. "Und noch ein paar Schritte.". Ich folgte seiner Stimme und blieb stehen als er leise an mein Ohr raunte: "Bleib genau hier stehen. Die Augen erst aufmachen wenn ich dir das Zeichen gebe.". "Zeichen? Was für ein hm-". Seine weichen Lippen pressten sich vorsichtig auf meine. Mir blieb die Luft weg und nur eine Millisekunde zögerte ich dann gab ich ihm nach. Mit sanftem Druck erwiderte ich diesen so vorsichtigen, beinahe zerbrechlichen Kuss.

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