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Manuel

"Fahren wir heim?". Chris blickte mit seinen rehbraunen Augen auf. "Also nur falls es für dich in Ordnung ist.". "Die frische Luft tut dir gut, kanns sein?". Beschämt strich sich der Mann durchs Gesicht. "Da drin ists einfach so stickig und laut, dazu der ganze Alkohol und ständig die Mädels, die ankommen und um Shots, Küsse und mehr betteln.". Leise brummend lehnte ich mich an seinen Körper. "Ich hab jede abgelehnt Manu. Ich weiß doch, wen ich will. Ich hab nur noch nicht-", er haderte mit sich und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Schon bevor er es aussprach, wusste ich in welche Richtung es gehen würde. "Ich hab nur nich den Mut homosexuell zu sein. Meine Familie weiß es, das ist mehr als ich mich jemals getraut hätte. Andreas fragt ab und an mal nach, wie es aussieht bei uns und allein davon bekomm ich Unruhe.". Seufzend schloss ich die Augen und murmelte: "Kannst du wieder so liebe Sachen sagen wie vor fünf Minuten? Das hör ich lieber.". "Tut mir leid, ich versuchs nur zu ordnen.". "Ich geb dir auch Zeit Chris, das hab ich dir eben schon gesagt. Ich will doch nur, dass es bergauf geht. Dass wir miteinander reden können über Probleme, du zumindest in unseren vier Wänden mein Freund sein kannst.". Leicht verzweifelt zuckte ich mit den Schultern und sah ihn aufgelöst an. "Ich glaube, du hast immernoch nicht verstanden, dass ich dich liebe.". Ich schluchzte auf und flüsterte noch: "Und das schon seit wir 16 waren Christian.".

Schweigend betrachtete er mich. In seinen Augen konnte ich den Sturm erkennen, der tief in seinem Innersten wütete. "Ich laufe dir seit zwanzig Jahren nach. Ich bin zweimal abgewiesen worden und hab dennoch an dir festgehalten. Soll ich dir erzählen, dass du mein erster Kuss warst? Mein erstes Mal? Und noch immer stehst du hier vor mir und bibberst um dein Ansehen! Um deine Öffentlichkeit! Ich würde das mit Uns nie irgendwo hineinziehen oder rumposaunen, solange du mir nicht das Ok gibst!". Weinend ließ ich mich in Christians Arme ziehen und brach in völliger Emotionalität zusammen. Seine Hand ruhte auf meinem Rücken, während die andere zaghaft über meinen Nacken streichelte. Ein beruhigendes Murmeln drang an mein Ohr, doch ich konnte nur mein eigenes Blut rauschen hören. Meinen Herzschlag spüren. "Es tut mir leid Manu", flüsterte Chris. Noch immer mit bebenden Schultern stand ich in seinen Armen und weinte all den Frust und die Angst hinaus. "Ich weiß, dass du mich liebst Manu. Ich kann es spüren. Es tut mir so so leid, dass ich dich behandle wie Dreck. Ich will das ändern und ich verspreche dir, dass ich das schaffe. Ich geb mir Mühe, ich will dich doch auch.". Ich nickte nur schwach. "Wollen wir heim? Wir legen uns hin, ich schlaf meinen Rausch aus und morgen früh starten wir ganz ruhig in den Sonntag, bevor wir ganz in Ruhe reden.". Vorsichtig nickte ich wieder gegen seine Brust und sah zu ihm auf. "Du bist für mich der wichtigste Mensch. Und ich möchte, dass wir funktionieren.".

"Couch?". Nun doch völlig erschöpft hob ich den Kopf. "Soll ich auf die Couch gehen Manu?". Chris stand mit seinem Hoodie in der Hand in der Tür zum Wohnzimmer und sah mich nicht minder müde an. Kopfschüttelnd ging ich in mein Schlafzimmer und rief nur: "Komm her.". Ich verschloss die Jalousien und holte aus meinem Schrank ein zweites Kissen, bevor ich mich rumdrehte. "Ich hab keine Decke, die liegt bei meiner Mutter. Ist das ok für dich wenn wir eine teilen?". "Natürlich. Du hältst mich warm.". Schmunzelnd warf ich das Kissen ins Bett. "Ich geh mir eben die Zähne putzen, machs dir bequem.". Ich ging an ihm vorbei, doch kam ich nicht weit als er mich festhielt. "Hm?". "Danke, dass ich hier sein darf. Nach allem.". "Du hast hier immer ein Zuhause. Egal, was du anstellst.". Lächelnd erwiderte Chris meinen Blick eh er mich losließ und ich im Badezimmer verschwand. Ganz leise atmete ich durch. Dass er wieder hier war, brachte mich vollends aus dem Konzept. Dieser Mann hatte eine Wahnsinnsausstrahlung und was er mit mir tat, war unfassbar. Nervös schmiss ich mir eine Ladung Wasser ins Gesicht, putzte meine Zähne und setzte mich für einen Augenblick auf den Klodeckel. "Zusammenreißen. Atmen nich vergessen Manuel", nuschelte ich.

"Brauchst du noch etwas?". "Wunschlos glücklich, danke.". Chris lag bereits in die Decke gekuschelt und musterte mich aus kleinen Augen wie ich durchs Schlafzimmer huschte. Ich zog mir die Jogginghose aus und rutschte dankend unter die warme Decke, die mir mein Freund aufhielt. "Schlaf gut Manu, träum was Süßes hm.". Müde nickte ich. Unter der Decke herrschte eine enorme Hitze. Sein Körper war so nah, dass ich ihn spüren konnte. "Hm kuscheln?", hörte ich ihn leise aus der Dunkelheit flüstern und kaum ausgesprochen, spürte ich seine Hand an meiner Hüfte. "Ein bisschen zumindest?". Schwer schluckte ich. "Okey", gab ich leise von mir und kam ihm entgegen. Seine Arme legten sich um meinen Oberkörper, sein rechtes Bein schob sich vorsichtig zwischen meine und so rutschte mein Kopf wie von selbst in seine Halsbeuge. "Liegst du bequem?". Ich konnte nur noch nicken. "Gute Nacht Manulein", murmelte Chris und hauchte mir einen sanften Kuss aufs Haar. Noch nie hatte ich so innig mit einem Mann gekuschelt, geschweige denn hatte ich überhaupt jemals so gekuschelt. Jeder seiner Atemzüge ließ seinen Brustkorb sich gegen meinen drücken. Sein Atem strich mein Haar und ich hörte nach wenigen Sekunden die tiefe Ruhe. Er schlief schnell ein, und doch blieb er so nah. Er löste seine Arme nicht, rutschte nicht weg und ließ auch im Schlaf keinen Platz zwischen uns. Wehmütig schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie einfach das Leben mit ihm sein könnte.

Der Geruch von frischen Pfannkuchen weckte mich. Gerädert öffnete ich die Augen und vermisste sofort die Wärme des anderen Körpers. "Chris?", murmelte ich unverständlich. Der Platz neben mir im Bett war leer, die Tür war einen Spalt breit offen und dahinter hörte ich Klirren von Geschirr. Erleichterung stieg in mir auf. Beruhigt stand ich auf und zog mir einen Schwung frische Sachen über, bevor ich leise ins Bad huschte um mich fertigzumachen. Erst danach betrat ich meine offene Küche und musterte Christian entzückt. In Jogginghose und einem meiner Crewhoodies stand er am Herd, gut gelaunt und leise vor sich hinsummend. "Ein Anblick für die Götter wenn du mich fragst, könnt ich mich glatt dran gewöhnen.". Erschrocken ließ Chris die Gabel fallen und sah zu mir. "Hast du mich erschreckt, Mensch. Ich wollt dir doch Frühstück ans Bett bringen.". Schmunzelnd überwand ich die letzten Meter zu ihm. "Entschuldige. Es war so kalt ohne Dich, richtig leer.". "Hm dann muss ich wohl mit zurückkommen.". "Und dann können wir auch im Bett frühstücken.". Lächelnd empfing er mich in seinen Armen und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. "Ich bin gleich soweit. Sind nur noch ein, zwei Pfannkuchen dann ist alles fertig.". Zufrieden schnaufte ich und beobachtete die Pfanne, während Chris um mich herum arbeitete. "Ich bin froh, dass du hier bist Chrissi", flüsterte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. "Ich könnt nicht glücklicher sein gerade.". Seine Worte erwärmten mein Herz und er versiegelte es mit einem innigen Kuss.

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