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Christian

"Und du kannst wirklich nicht rumkommen?". Sein Lächeln wurde wehmütig. "Der Terminplan ist super voll. Ich muss um 8 Uhr schon auf der Messe sein, die geht bis nachmittags und dann ist da noch die Firmenfeier.". Leise seufzend strich ich mir durchs Gesicht. "Tut mir leid Hase, ich hätt dich so gern gesehen.". Wir schwiegen. Ich hatte den Blick abgewandt und ließ ihn über die Dünen, die Wiesen streifen. Manuel war seit fast drei Wochen nun unterwegs. DJ-Krams. Ich selbst hatte TV-Termine, Interviews und Auslandsbesuche fürs kommende Jahr. Wir hatten uns nicht mehr sehen können, lediglich über Facetime so wie auch gerade.
Ich verbrachte nun zwei Wochen mit der Familie meines Bruders und unserer Mutter an der Nordsee. Fernab vom Alltagsstress, wenige Meter zum Strand und morgens weckten einen die Schafe, die auf den Dünen grasten. "Wie ists am Meer? Ich kann das Wellenrauschen hören-", sprach Manu leise aus und stützte den Kopf auf seiner Hand ab. "Ich kanns dir zeigen, warte.". Ich stand mit meinem Laptop auf und schob die Balkontür zur Seite. "Schau-". Die Kamera richtete ich auf meine Aussicht. "Wow, wie schön es bei euch ist. Ich wäre so gern bei dir.". Ich ging zurück in mein Zimmer und ließ mich ans Bett gelehnt nieder. "Wir müssen wohl noch weiter warten. Mindestens zwei Wochen hm. Erst bist du noch in Flensburg und dann geht's für mich nach München.". Beide seufzten wir tief auf. "Wir packen das. Ich versprechs dir Schatz.". Wehmütig sah ich ihm durch die Kamera in die Augen. "Ich will in deine Arme", murmelte ich. "Es ist so einsam. Andy macht täglich was mit seiner Familie, Mama geht oft mit und ich geh wie das fünfte Rad hinterher. Ich- ich häng so an den Erinnerungen der letzten Monate, mein Kopf-". "Christian", flüsterte er besorgt. "Warum sagst du mir nichts?". "Ich hab mich nicht getraut. Du siehst schon fertig aus, da muss ich doch nicht noch-".

Ein Klopfen ließ mich aufsehen. "Ja?". Schnell stellte ich Manu stumm und sah wie mein Bruder die Tür öffnete. "Hey Chrissi, wir sind jetzt zurück. Haben Pizza mitgebracht zum selbst machen, magst du mithelfen? Oder mir zumindest sagen, was du drauf haben möchtest?". "Ich mag nichts, danke-". "Du isst was!". Fuck. Ich hatte die Taste nicht richtig erwischt und Manu doch nicht stumm geschalten. "Manu?". Andy sah verwirrt zu mir und kam zum Bett, ließ sich neben mir nieder und winkte in die Kamera. "Hey Andy.". "Moin, wie geht's dir Manu?". Resigniert seufzte ich und lehnte den Kopf hinter mich ans Bett. "Geht schon. Viel los hm. Und euch? Passt mir nicht genügend auf meinen Freund auf?". "Hm? Wieso?". Verdutzt sah Andreas mich an. "Manu, ist gut-". "Andreas, ich meld mich gleich bei dir, ok? Lässt du uns noch kurz, Chris kommt gleich.". "Na klar. Machs gut Manu.". Er kraulte mir durchs Haar und verließ das Zimmer. Ich hob den Blick wieder und sah Manu an seinem Handy tippen. "Christian. Ich leg jetzt auf und du gehst zu deiner Familie, okey? Ich lass dich nicht alleine in deinem Zimmer vergammeln.". "Doch lässt du.". "Schatz-". "Sorry.". "Geh bitte runter. Iss ein wenig und verbring den Abend mit deinen Neffen und deiner Nichte. Wir sehen uns ganz schnell, die Zeit vergeht wie im Flug. Das versprech ich dir. In Ordnung?". Ich nickte. "Hey- lächle mal. Chrissi.". Leicht schüttelte ich den Kopf. "Mir is nich danach. Machs gut hm.". "Christi-". Laptop zugeklappt.

Ich starrte auf meinen Rechner. Er konnte nichts dafür. Wir wussten von Anfang an, dass es schwierig werden könnte wenn wir separat unterwegs sein würden aber so schwierig? Mein Herz sehnte sich nach ihm, mein Verstand setzte aus und ich schlug mir die Nächte um die Ohren. "Chris!". Ich konnte meine Schwägerin rufen hören. "Komme!". Hochmotiviert griff ich einen meiner Hoodies und schmiss ihn im Runtergehen über. Wir hatten ein Haus gemietet für die Zeit, wunderschönes Holzhaus mit zwei Stockwerken. Die Kids schliefen mit ihren Eltern unten, während Mama und ich oben unsere Zimmer bezogen. "Da bist du ja, wir dachten schon du hörst uns nicht.". "Doch doch, hab nur- meinen Laptop nich ausbekommen. Entschuldigt.". Skeptisch traf Steffis Blick auf meinen, jedoch wurden wir vom aufgeregten Quieken meiner Nichte abgelenkt. "Onkel Chris! Papa hat sogar Pilze für dich gekauft!". Im Vollsprint kam sie zu mir und warf sich in meine Arme. "Ruhig Lotti, nich so stürmisch. Ich kann dich doch nich auffangen hm.". Schwankend hatte ich mich mit einer Hand am Tisch festgehalten. "Magst kurz mal rauskommen? Die- Terrassenmöbel müssen noch abgedeckt werden, soll regnen heut Nacht.". "Klar.".

"Dir geht's nicht gut? Was ist los? Ich dachte dir macht der Urlaub Spaß.". "Macht er doch auch. Ich bin nur wirklich ausgelaugt. Die letzten Wochen waren hart Andy, so viele Termine und immer kam ich nach Hause ohne dass mein Manu da war.". Sich durchs Gesicht streichend, machte Andreas einige Schritte Richtung Strand. "Du hattest immer Steffi bei dir, konntest abends telefonieren und ich?- Lag daneben im Bett, meine Nachrichten gingen nicht raus und ich hab immer erst morgens eine Antwort gehabt.". "Aber ihr seid doch nicht getrennt, oder?". Sofort sah ich ihn an. "Nein? Hat er- hat er was anderes gesagt?". "Um Gottes Willen, nein. Er hat was geschrieben, aber das auf jeden Fall nicht. Keine Sorge.". Vorsichtig legte er seine Hand auf meine Schulter und blickte mir tief in die Augen. "Ich weiß, dass du ihn vermisst. Er ist aber nicht für immer weg, er kommt wieder. Versuch das nicht zu nah an dich heranzulassen. Manu hat Recht- du isst wenig, siehst aus als würdest du nich schlafen. Du hast Urlaub, genieß ihn auch so.". Stumm nickte ich. "In Ordnung?". "Ja.". "Komm mal her.". Liebevoll zog er mich in seine Arme und hielt mich dicht an sich gedrückt. "Durchatmen. Er liebt dich.". "Ich hoffe", murmelte ich. "Wir wollen morgen mit den Kids in den Zoo, magst du vielleicht mitkommen? Lotta freut sich so, dass du hier bist und sie liegt mir schon den ganzen Tag in den Ohren damit.". Schmunzelnd sah er mich an und wie als würde sie wissen, dass wir über sie reden, kam Andreas Tochter rausgehüpft. "Und Papa? Hat er Ja gesagt?". Fragend sah er mich an. "Na klar komm ich mit. Wir schauen uns die Tiere an, ja?". Freudig jubelnd sprang mir die Kleine erneut in den Arm. "Jaaa! Oma! Omaaa!". So schnell wie sie kam, lief sie auch wieder zurück und erzählte Jedem, dass ich nun doch mitkam. "Na komm.". "Ich komm gleich nach", antwortete ich meinem Bruder und fing seinen Blick kurz auf. Ohne Nachfrage ging er zurück ins Haus. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und tippte eine Nachricht an Manuel:
Hey nochmal... Tut mir leid, dass ich einfach aufgelegt hab. Mir war das zu viel, die Vermissung und der Versuch stark zu sein. Reden wir morgen wieder? Viel Spaß bei eurer Feier heute Abend, lass es krachen aber pass bloß auf dich auf, ja? Ich brauch dich noch. Liebe Dich. Dein Chris.

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