Vier

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Manuel

Er schenkte mir das wohl sanfteste Lächeln, hob sein Glas zu den Lippen und trank es auf Ex. Die feinen Härchen auf seinen Armen, zum Vorschein gekommen durch seine hochgekrempelten Ärmel, machten ihn nur noch attraktiver. Generell war er ein wunderschöner Mann, ob man ihm das oft genug sagte, wusste ich allerdings nicht. "Also-", aus meinen Gedanken gerissen, schaute ich Chris an. "Meine Frage wurde vorhin so unhöflich abgewürgt, wie läuft dein DJ-Dasein?". Seine Augen funkelten interessiert und mich freute, dass er tatsächlich über mein Leben wissen wollte. "Großartig, du erinnerst dich an Lars?". "Na klar, mit dem warst du damals schon dicke. Nen Jahrgang über uns.". Ich nickte. "Genau der. Wir haben gemeinsam ein kleines Unternehmen gegründet und begleiten Hochzeiten, Firmenevents aber auch private Feiern. Macht super viel Spaß.". Leises Lachen drang mir entgegen und kurz vergaß ich, dass wir nicht allein waren und verlor mich in ihm. "Du bist so euphorisch und glücklich, ich freu mich so für dich. Es scheint wirklich das Richtige für dich zu sein.". "Das ist es wirklich. Gelungene Abwechslung zum Alltag aktuell.". "Das klingt ja nich so gut, was passiert?-".

"Ey Christian!". Nicht schon wieder. "Was geht altes Haus? Wie läufts?". Klassentreffen waren ja wirklich schön und gut aber dass ständig jemand in private Gespräche reingrätschte ging gar nicht. "Oh, hey Eric. Alles gut soweit bei mir, und selbst?". Leise seufzend drehte ich mich zum Tresen und spielte an meinem Glas, während ich enttäuscht dem Gespräch lauschte. "Alles bestens. Es könnte nicht besser laufen gerade, Josi und ich erwarten unser zweites Kind. Und du, Familie?". Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie miteinander einschlugen. "Herzlichen Glückwunsch, ich drück die Daumen, dass es ihr gut geht und euer Kind gesund geboren wird.". Er lächelte wieder so lieb, genau wie er es schon damals immer tat. "Ach ich-". Nun wurde ich doch hellhörig.

"Weißt doch, die Arbeit ruft. Ich hab keine Zeit für Familie.". "Aber mit Christina bist du noch zusammen?". Er zögerte mit seiner Antwort und ich drehte mich langsam wieder zu den Beiden. "Erzähl keinen Blödsinn Chris, ihr wart das Traumpaar damals. Ihr müsst doch noch zusammen sein.". Und wieder war es ein Handy, dass die Konversation unterbrach und erleichtert bemerkte ich, dass es meines war. "Ich bin mal eben-". Eilig stand ich auf und flüchtete förmlich aus dem Saal. "Ja?". "Na Manu, stör ich?". "Lars, du weißt, dass ich aufm Klassentreffen bin. Gibt's was dringendes?". Ich stand im Vorflur des großen Saals und man konnte gedämpft noch die schwere Musik wahrnehmen. "Nich wirklich. Ich habs total vergessen, tut mir leid. Wollt eigentlich nur eben Bescheid sagen, dass ich die Anfrage am 09.06. doch übernehmen kann. Brauchst dir also keinen Kopf machen.". "Oh perfekt, vielen Dank. Du, ich meld mich morgen einfach nochmal. Muss jetzt wieder rein, die wollen noch solche elendigen Spielchen machen.". Lachend verabschiedete er sich und ich ließ das Handy sinken. Am 09. Juno, das war in drei Wochen, war die letzte Showtour der Ehrlichs für dieses Tourjahr. Ich hatte schon seit Wochen das Ticket aufm Tisch liegen und musste wegen einer größeren Anfrage bangen. Da Lars dies aber übernahm, löste sich das Problem von selbst.

Lächelnd öffnete ich die Tür und stieß glatt mit Jemandem zusammen. "Kannst du nich guck-?!". Ich stockte als mich derjenige auffing und ich genau in diese wundervollen braunen Augen sehen konnte. "Manu, tut mir leid. Ich hab noch mehr Anrufe und Nachrichten bekommen aus der Halle, ich- ich muss echt los.". Nein. Bitte nicht Chris. "Wieso? Du hast doch- was ist mit Andreas?". "Mit der Familie unterwegs an der Nordsee, er kann nicht.". Wehmütig schluckte ich meinen Ärger und die Enttäuschung runter, nickte es nur ab. "Dann mal frohes Schaffen hm.". "Ich melde mich, versprochen. Darf ich deine Nummer?". Dass die Frage ihm schon Überwindung kostete, konnte ich in seinen Augen lesen. "Klar. Ich komm noch mit raus, ja?". Statt der Tür in den Sall öffnete ich also jene nach draußen und folgte ihm zu dem leuchtend roten Golf, der mir eher nach Schrottplatz als Straße aussah. "Der lebt noch? Ist das nicht Andreas seiner?". Stolz grinste er mich an und klopfte einmal auf die Motorhaube. "Original aus 1998, geil oder?". "Eher brüchig.". Empört warf er mir einen Blick zu, musste aber nun selbst in mein Lachen einsteigen. "Er fährt noch. Das ist alles, was irgendwie zählt.". Ich nickte noch immer lachend und kam auf die Fahrerseite. "Soll ich meine Nummer eintippen?". "Ja, das wäre perfekt.". Er kramte sein Handy heraus, entsperrte und gab es mir in die Hand. "Kein Geld fürn vernünftiges Auto aber hauptsache das neueste Iphone, ich glaubs auch Reinelt.". Lachend gab er mir einen Stoß in die Rippen. "Jetzt werd mal nicht frech.".

Ich gab ihm das Handy zurück und vergrub meine Hände anschließend in den Hosentaschen. "Ich werd mich melden, danke. Es war ein toller Abend. Ganz besonders, weil du hier warst.". Unschlüssig stand er an seine Tür gelehnt und spielte mit dem Autoschlüssel in seiner Hand. "Danke, dass du trotz Arbeitsstress hier gewesen bist Chris.". "Ich war nur wegen dir hier.". Ich suchte seinen Blick, fand ihn schnell und lächelte verlegen. "Versprich mir, dass wir uns jetzt nicht wieder 18 Jahre lang nicht sehen.". "Versprochen. Ich werd mich melden so schnell es geht.". Wir standen uns einfach gegenüber auf diesem lockeren Sandplatz, unschlüssig wie wir uns verabschieden sollten. "Ich- ehm sollte dann wohl mal.". "Ja, stimmt wohl.". Keiner bewegte sich. "Fahr vorsichtig Chris.". "Und du mach nich zu lange und zu viel, pass auf dich auf.". Sein Blick huschte an mir vorbei und scannte die dichteste Umgebung, bevor er sich nochmal vom Wagen löste und für eine innige Umarmung zu mir kam. "Danke, dass du mich nicht hasst nach all dem Scheiß", flüsterte er brüchig an mein Ohr und drückte mich noch einmal fester als ich ihm antwortete: "Ich könnte dich niemals hassen.". Schweigend hielten wir uns und bevor er sich löste, nahm ich meinen Mut zusammen und küsste zaghaft seine Wange. "Bis bald Chrissi-". "Bis bald Manu, machs gut.". "Machs besser.". Lächelnd stieg er ein und startete den Wagen.

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