44

321 11 6
                                    

Manuel

"Wir sehen uns dann gleich?". Schweigend saßen wir nun schon einige Minuten in meinem Auto, vor dem Mehrfamilienhaus in dem Chris seine Wohnung bezog. "Ich geh nur eben duschen und ein paar Unterlagen zusammensammeln, dann komm ich hinterher.". Leicht lächelnd wand Chris sich an mich. "Morgen kommst du mit nach Köln, oder?". "Aufzeichnung?". Er nickte, während er sich nervös an den Händen massierte. "Wir fahren nachts noch zurück und vielleicht magst du ja mit zu mir? Den Tag können wir ausschlafen.". Ich musterte seinen nervösen Blick. "Wenn du das möchtest, natürlich. Ich freu mich. Und wegen des Termins brauchst du dir keinen Kopf machen, ich hab dir was gesagt.". "Ich weiß Manu", erwiderte er und sah nun endlich zu mir auf. "Ich geh dann mal eben. Sehen uns in der Halle.". Er legte seine Hand an den Türgriff und wollte diesen bereits anziehen, als ich meine Hand auf sein Knie legte und seine Aufmerksamkeit erhaschte. "Fahr vorsichtig, ja?". Leicht nickte er. Ich beugte mich über die Mittelkonsole und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, aus dem er jedoch zurückschreckte und sich sofort umsah. Schwer musste ich schlucken, setzte mich aber wieder ordentlich hin. "Entschuldigung, ich-". "Du wolltest noch duschen. Wir sehen uns in der Halle, Andreas erwartet dich sicher pünktlich um 10 Uhr also musst du dich beeilen.". "Manu", murmelte er beschämt, doch widmete ich ihm keinen Blick mehr. "Tut mir leid, wir sehen uns nachher.". Eilig verließ er meinen Wagen und huschte die Auffahrt hinauf zur Haustür. Ohne zu warten, dass er reinging, fuhr ich los zur Arbeit. "Da beginnt der Montag doch perfekt", brummte ich und strich mir frustriert durchs müde Gesicht. Ich dachte der gestrige Abend hätte uns näher gebracht, auf einer gesunden Basis, und nun verhielt er sich wieder so als wäre ich der größte Abschaum.

"Jannik?". Vorsichtig schloss ich die Tür zur Garderobe in meinem Rücken und beobachtete den Brunetten, wie er sich in seine Arbeitskleidung warf. "Josting, wie war dein Wochenende noch? Mitm Chef alles geklärt?". Noch bevor er sich überhaupt umdrehen konnte, drang ein erstes Schluchzen aus meiner Kehle. "Manu?". Erschrocken drehte Jannik sich zu mir und kaum sah er meine geröteten Augen, nahm er mich schon innig in den Arm. "Was ist passiert? Och nein, nich weinen. Bitte nicht.". Ganz verzweifelt strich er mir die Haare aus dem Gesicht und musterte mit rasenden Augen meine Gesichtszüge. "Was ist passiert?". Behutsam half er mir auf die Sitzbank und begann über meinen Rücken zu streicheln. "Chris", flüsterte ich. Mit zittrigen Händen wischte ich mir Tränen von den Wangen und probierte wieder zu Atem zu kommen. "Entschuldigung, ich will dich gar nicht vollheulen.". "Nein, ist alles in Ordnung. Sprich dich lieber aus, als dass du es in dich hineinfrisst.". Seufzend lehnte er den Kopf an die Wand in unserem Rücken. "Du hast ihn Samstag mitgenommen, und dann?". Grob schilderte ich ihm die Ereignisse seit vorletzter Nacht, unser kleines Pizza-Date und die beiden Nächte, die wir kuschelnd verbrachten. "Und dann will ich ihm, im Auto sitzend, einen Kuss geben und er schreckt weg. Er konnte mir nicht einmal in die Augen schauen!". In Rage geredet, bemerkte ich gar nicht, wie laut ich schon geworden war bis sich mit einem Ruck die Tür öffnete.

"Für Beziehungsprobleme gibt's die Feierabe-". Mit einem Mal verstummte die Stimme. Weinend lehnte mein Kopf an Janniks Seite, der noch immer den Arm um mich hielt. "Andreas, entschuldige bitte. Es ist noch kein Schichtbeginn, wir sind die Einzigen hier und-", seufzend brach mein Kollege ab. Trotz meinen verquirlten Augen konnte ich erkennen, wie Jannik wild gestikulierte. "Sag nich das war schon wieder mein Bruder?". Schnaubend schloss Andreas die Tür und setzte sich uns gegenüber auf die Bank. "Du weißt von den Beiden?". "Du doch auch.". "Guter Punkt.". In gegebener Kürze erklärte Jannik auch dem Bruder meines Freundes die Geschehnisse, der dies nur leise stöhnend wahrnahm. "Manchmal würd ich ihm gern an die Gurgel gehen. Wie kann er nur?". Vorsichtig berührte Andreas mich am Knie, was mich aufsehen ließ. "Können wir dir helfen?". Hilflos schüttelte ich den Kopf. "Er muss es lernen. Kann ihn ja keiner zu zwingen.". "Aber er kann auch nicht so mit deinem Herzen spielen. Du liebst den Kerl.". "Und er hält es nicht für nötig sich auch nur zu bemühen Manu.". Jannik pflichtete meinem Chef zu, was dieser nickend zur Kenntnis nahm. "Hör zu, ich schnapp ihn mir nachher mal und red ein bisschen mit ihm. Du konzentrierst dich heute auf Dich, auf die Arbeit. Bleib am besten bei Jannik, der findet genügend Aufgaben für dich, nich wahr?". "Klar doch. Wir können den LKW für Morgen checken, Outfits rauslegen. Wir schnappen uns alle möglichen Aufgaben.". Dankbar sah ich von einem zum anderem. "Ihr seid die Besten, danke. Das brauchte ich gerade.". Meine Tränen waren größtenteils wieder getrocknet, nur noch die dicken Tränensäcke verrieten mich.

"Dann mal ab Josting. Wir fangen schonmal an, dann ist eher Feierabend.". Jannik verließ vor uns Beiden die Garderobe und pfiff gutgelaunt eine Melodie. "Hey Manu.". Christians älterer Bruder griff an meine Schulter und hielt mich so noch kurz auf. "Sein Verhalten tut mir leid. Falls du dich ausheulen willst oder mal Rat brauchst, du weißt ja wo ich bin. Büro, Halle, drüben. Du musst dich nich allein quälen.". Mit einem Augenzwinkern ergänzte er noch: "Er ist mein Bruder. Ich darf ihm ab und an mal eine Ansage machen.". Leise lachend nickte ich. "Vielen Dank, is nich selbstverständlich.". "Na klar doch. Pass auf dich und dein Herz auf, Großer.". Mit einer lockeren Umarmung verabschiedete er sich und ließ mich völlig durch den Wind allein auf dem Flur zurück. Ich hätte nie gedacht, dass sich Andreas so in meine Beziehung einbindet und mich unterstützt, wollte er seinen Bruder so dringend an den Mann bringen? Oder war es die Verzweiflung, die er gespürt hatte? Immerhin klopfte mir mein Herz noch immer bis zum Hals, und das sollte sich nicht ändern als ich ausgerechnet von ihm aus meinen Gedanken gerissen wurde.
"Manu, hast du deinen Moment?". "Chris, ich-". Er griff meine Hand. "Ich weiß, was ich gemacht hab. Ich wollte kurz darüber reden.". Langsam entzog ich ihm meine Hand und flüsterte: "Willst du mich wirklich so nah haben? In einem offenen Flur, Christian?". Verletzt sah ich in seine Augen. "Josting? Kommst du? Wir haben zu tun!". Meine Rettung. Leise atmete ich durch und ging rückwärts, entfernte mich von ihm. "Ich muss jetzt an die Arbeit. Wir sehen uns.". "Manu, es tut mir leid.". "Mir auch", hauchte ich, erneut die Tränen runterschluckend. "Bis dann Chris.". Ohne ihn noch einmal anzusehen, drehte ich mich um und lief hastig den Flur entlang zum Treppenaufgang. Jannik wartete auf der ersten Stufe sitzend und betrachtete mich nachdenklich. "Sag nichts. Gib mir- Gib mir einfach eine Aufgabe. Am besten etwas, wo ich den Kopf brauche und nich an ihn denken muss.". Ich lief die Treppen hinab und wischte mir noch eine einzelne Träne von der Wange, ehe ich mich in die Arbeit stürzte.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 18, 2023 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Für Immer ab JetztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt