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Christian

Zuhause hatte ich schnell etwas Ordnung geschaffen, nicht dass es Manu stören würde aber mir war das ganze Chaos hier doch etwas unangenehm. Überall standen noch Kartons und eingepackte Möbel, ich war noch nicht wirklich dazu gekommen mal alles auszupacken und mich einzuleben. So wirklich gefiel mir die Wohnung auch nicht, es war mehr eine Abstellkammer für all meine Sachen, die ich aus Christinas Wohnung mitgenommen hatte. In den Tagen seit meinem Auszug pendelte ich zwischen Halle und meinem Bruder. Sein Gästezimmer war immer für mich hergerichtet und sogar einige Klamotten hatte ich für den Fall dort liegen. Seufzend setzte ich mich auf mein Bett. Wie sollte es überhaupt weitergehen mit mir?
Ich wusste, dass ich irgendwann zu Manu stehen musste, andernfalls würde ich ihn verlieren. Aber mir hängt so viel im Kopf. Christina und die Scheidung, die Stadionshow und die anschließende Tour, was wenn mich niemand mehr als Künstler sehen wollte wenn ich mich als schwul outete? Ich kannte unsere Fans und wie solide sie an ihrer angeblichen Liebe zu mir festhielten. Dass ich meinen besten Freund liebte, konnte ich aber nicht mehr leugnen. Damals tat ich es noch. Es war hoffnungslos und ich wusste, dass wir Anfang der 2000er niemals ein Paar werden konnten. Doch heute war es anders. Die Hindernisse gab es noch immer, aber die Gesellschaft war offener geworden. Hin und hergerissen von meinen eigenen Gedanken schloss ich die Augen und atmete einmal durch. Ich sollte mich auf den Weg machen, sonst säße ich noch Stunden hier und zerbrach mir den Kopf.

"Du bist mal pünktlich, alles gut bei dir?". Lachend empfing Andreas mich an unserer Halle und nahm mich in den Arm. "Extra einen Wecker gestellt", erwiderte ich verlegen lachend. "Lass das nich zur Gewohnheit werden, ja? Das verwirrt alle.". Empört sah ich ihn an, bevor wir beide im Lachen ausbrachen. "Na komm. Tische haben die Jungs gestern schon nach hinten gestellt, müssen wir nur noch platzieren. Den Grill rüberholen, Essen und Trinken-". "Mach mal halblang, eins nach dem andern.". Nebeneinander gingen wir um das große Gebäude herum und hingen unseren Gedanken nach. Ich wusste, was ihm durch den Kopf ging und doch wunderte es mich beinahe, dass ers nicht ansprach. "Wie wollen wir die aufstellen?". Ich sah auf und schob meine Sonnenbrille hoch. "Ich würde sagen längs und dann nebeneinander. Dann haben wir einige Plätze mehr, die sitzen nachher ja eh wie sie wollen.". Andreas nickte. "Kommen deine Kinder auch?". "Ne ach. Die sind heute alle bei Freunden, Michel is eingeladen zum Geburtstag und die Beiden wollten woanders schlafen.". "Tja, die eigenen Eltern werden langweilig.". Wehmütig sah er mich an und brummte: "Sag sowas nich.". "Andy, natürlich werden sie größer und älter. Aber du siehst auch bei uns wie viel wir noch mit Mama machen, also keine Panik.". Ich klopfte ihm auf die Schulter, wusste ich doch wie sehr er es hasste, dass die Zeit so rannte. "Na komm, Tische hinstellen und die Bänke holen.". Er stimmte mir zu und gemeinsam stellten wir Tische und Bänke an die richtigen Plätze. Während mein Bruder den Grill aus seinem Garten holte, deckte ich einen der Tische mit Tellern, Besteck und den Baguettes, die ich mitgebracht hatte.

"Das wäre es dann, oder?". "Mama und Steffi kommen gegen 17 Uhr mit den Salaten und dem Fleisch rüber, sonst ist ja alles da. Bier hast du geholt?". Ich deutete zur Halle. "Hab die Kästen mal drin gelassen, da ist kühler. Hab noch welche in den Kühlschrank gelegt.". Ich setzte mich auf eine der Bänke und sah kurz aufs Handy. Wir hatten noch eine halbe Stunde bis die ersten Kollegen kommen würden. "Du Chris?". Wenn er jetzt nicht seiner Neugier nachging, wusste ich auch nicht. "Ja?". Nervös schob er seinen Ehering hin und her, sah zu mir auf und probierte augenscheinlich in mich hinein zu blicken. "Was genau ist da mit Manuel? Ich weiß, ich interpretiere vermutlich zu viel hinein aber das gestern Abend war doch schon irgendwie- ich weiß nicht. Ich will nur, dass du glücklich bist aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob du schon soweit bist.". Leicht nickte ich. Ich ließ seine Worte erstmal auf mich wirken, legte meine Sonnenbrille ab und massierte mir einen Moment die Schläfen. "Du interpretierst nicht zu viel rein.". "Nicht?". Ich schüttelte leicht den Kopf. "Wir sind seit letzter Nacht nun ein Paar, so- so richtig. Manu ist schon seit unserer Jugend bisexuell gewesen, mittlerweile schwul. Ich-". Mit zittrigen Händen strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Ich hab ihn damals abgewiesen", flüsterte ich und wischte mir eine Träne von der Wange. "Wir waren uns schon so nahe, ich hatte Christina schon und ich- ich hab mich gegen ihn entschieden, weil mir das zu kompliziert war.". "Chris-". Schluchzend schüttelte ich den Kopf. "Jetzt ist er zurück und alles in mir spielt verrückt. Alles Andy. Mein Magen kribbelt, mein Kopf setzt aus wenn wir zusammen sind und ich kann mir nicht vorstellen, wie ich die letzten Jahre ohne ihn überstanden habe.". Andreas blieb stumm, während ich noch beschäftigt war meine Tränen zu trocknen. "Aber das ist doch wundervoll Christian. Es ist alles in Ordnung.". "Aber ich kann doch nicht-". Schulterzuckend ließ ich den Kopf hängen. "Es ist nicht falsch sich so zu fühlen. Es ist vollkommen in Ordnung solche Gefühle einem Mann gegenüber zu empfinden, wirklich Chris. Es ist dein Leben und ihr Zwei müsst euch nur wohlfühlen.". Sanft ergriff er meine Hand und drückte sie. "Wo liegt das Problem Chris?". "Ich kann das nicht ausleben", hauchte ich verzweifelt. "Ich kann es einfach nicht. Ich- ich fühl mich nur wohl wenn wir alleine sind, wenn ich in der Sicherheit unserer Wohnungen bin. Ich kann nicht öffentlich dazu stehen, allein- allein, dass du es weißt kostet mich unglaublich Überwindung. Ich kann das nicht vor Mama, nicht vor Steffi oder Silvia. Unseren Team und von der Öffentlichkeit, den Medien, fang ich gar nicht erst an.". In Rage geredet, zitterte mein ganzer Körper und erst als mich mein großer Bruder innig in den Arm nahm, beruhigte ich mich zunehmend.

"Das braucht Zeit Chris. Die Situation ist neu für dich, diese Gefühle- Bring bitte die Scheidung hinter dich und dann lern gemeinsam mit Manu diese Liebe auszuleben. Manuel kennt das schon, die Homosexualität, er wird dir auch Zeit geben. Nur eben nicht ewig, ja? Wir packen das gemeinsam und wenn ihr Hilfe benötigt, egal welche, dann kommt ihr zu mir.". Er hielt mich einfach im Arm und kraulte über meinen Rücken. "Danke Andy", murmelte ich. In stummer Übereinkunft hielt er mich einfach weiter, schenkte mir etwas Ruhe. "Magst du schon ein Bierchen? Was zur Beruhigung.". Schmunzelnd löste ich mich aus seinen Armen und trocknete mir die letzten Tränen. "Ja, das klingt gut. Seh ich doll verheult aus?". "Nicht mehr als sonst.". Lachend knuffte ich ihm in die Seite als er an mir vorbei in die Halle ging. Mein Handy vibrierte einmal auf und ich las Manuels Nachricht, dass er gleich hier sein würde. Mit einem warmen Gefühl im Brustkorb registrierte ich, dass er extra früher kam um meinem Wunsch nach einem privaten Moment nachzukommen. "Ich freu mich auf dich, bis gleich!". Andy kam mit einem Bier zurück und sah mich lächelnd über meinem Handy. "Manu?". "Er ist gleich da, ich- geh ihn mal empfangen vorne. Wartest du mitm Bierchen und wir stoßen gleich zusammen an?". "Na klar, geh schon.". Aufmunternd lächelte er mir zu und ließ mich eilig nach vorne laufen.

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