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Manuel

"Lars! Ich mach mich ab!". Mein Kollege verstaute sowohl sein als auch mein Equipment im Transporter und warf die Tür ins Schloss. "Fahr vorsichtig.". "Mach ich. Wann soll ich in Flensburg sein?". "Ach Mittwoch reicht, die Messe Montag pack ich alleine und die Feier Dienstag kann ich auch übernehmen.". "Du bist der Beste.". Glücklich nahm ich ihn in den Arm. "Ich seh doch wie ihr leidet Manu. Genieß die Tage. Fünf Tage sind besser als nur ein Wochenende- Chris wird es genießen.". "Ich hoffe es. Er war so viel beschäftigt. Ich glaube-". Seufzend strich ich mir durchs Gesicht und lehnte mich an meinen Wagen. "Ich glaube er versucht alles zu verdrängen. Die letzten Monate, Jahre mit Christina. Er spricht mit Niemandem darüber, lässt mich nicht an sich ran und noch immer ziert er sich sein Shirt vor mir auszuziehen. Ich liebe ihn Lars. Genau so wie er ist und ich bin da für ihn, egal wie viele Kilometer uns trennen.". "Dann sag ihm das genau so. Jedes einzelne Wort.". Ich zuckte mit den Schultern und sah kurz auf mein Handy, wo noch immer eine Nachricht von Chris aufleuchtete. "Ich weiß doch gar nicht, ob er mich auch liebt. Ob er mich heute auch überhaupt da haben will- Seine Mutter weiß offiziell nichts. Ich meine- sie wird es wissen. Diese Frau merkt alles. Aber offiziell weiß sie nichts, er- er will doch sicher nicht, dass sie uns sieht und-". "Hol mal Luft Josting. Du denkst es dir kaputt. Wenn er es nicht will, dann knutscht ihr nur in seinem Zimmer und ansonsten bist du als sein bester Freund dort. Natürlich liebt er dich. Aber wie du sagst, konnte er bisher nicht die schrecklichen Erinnerungen an seine Ex verarbeiten. Er muss sich helfen lassen. Nicht nur von dir, da benötigt er professionelle Hilfe Manuel.". "Vermutlich schon. Wieso bist du nur so verdammt schlau?". "Tja.". Schmunzelnd zog er seine Autoschlüssel aus der Hosentasche und lächelte mir zu. "Fahr schon hin. Überrasch ihn und dann genießt die freien Tage. Meld dich einfach wann genau du ankommst.". "Nochmals vielen Dank Lars. Das ist nicht selbstverständlich.". "Na klar doch. Ab jetzt mit dir.".

Christians Bruder hatte mir gestern noch die genaue Adresse verraten und sogar freundlicherweise einen Schlüssel im Vorgarten drapiert. "Hey Andreas, ich bin in etwa einer Stunde dort. Wann kommt ihr heim?". Keine zehn Minuten kam eine Sprachnachricht zurück. "Naa, ich hab mir eben Chris geschnappt und wir sind ein wenig wandern. Er ist gerade für kleine Christians. Steffi ist mit den Kids weg, also nur Mama ist da. Geh einfach rein, sie freut sich bestimmt auch. Wir kommen dann auch etwa heim. Bis später!". Lächelnd legte ich das Handy wieder zur Seite und fuhr mit einem zunehmend befreienden Gefühl Richtung Küste. Vorsichtshalber parkte ich mein Auto etwas weiter weg, damit Chris es nicht gleich sah. Meinen Rucksack über den Schultern ging ich zum Ferienhaus, das Familie Reinelt für die Wochen angemietet hatte und entnahm den Schlüssel. "Hallo?". Langsam betrat ich das Haus und lauschte. Nichts als Stille kam mir entgegen. Ich ging weiter hinein und stellte meinen Rucksack an die Treppe zum Obergeschoss ab. "Hedi?". "Manuel?". Erschrocken fuhr ich in mich zusammen und drehte mich um. "Oh entschuldige, ich wollt dich nicht erschrecken.". Lachend strich sie über meinen Arm und ging an mir vorbei auf die Terrasse. "Was machst du denn hier? Mich hat niemand informiert, dass du kommst.". Noch immer mit rasendem Herzen folgte ich ihr und nahm dankend den Stuhl entgegen. "Nur Andreas weiß es. Er hat mir den Schlüssel hier gelassen, ich- ich wollt Chris überraschen. So als bester Freund.".

"Will Chris, dass du das sagst?". "Was?-". Ich hob den Kopf und mein Blick traf genau auf ihre durchdringenden blauen Augen. "Ob mein Sohn will, dass du sagst ihr seid beste Freunde.". "Nein, wieso- wieso sollte er? Ich meine-". Nach Worten ringend gestikulierte ich wild und brach letztlich doch ab. "Ich bin nicht blind Manuel. Ihr seid ein Paar, das kannst du mir nicht leugnen.". "Und wenn ichs doch tue?". Ergeben ließ ich den Kopf sinken. "Dann glaube ich dir nicht Manuel Josting. Jeder Blinde sieht, was ihr für einander empfindet.". "Aber Chris ist nicht bereit sich zu outen, es irgendjemandem zu erzählen. Dass Andreas es weiß, war für ihn schon ganz schwierig.". "Ich bin seine Mutter. Und wenn nichts mehr geht, nehm ich ihn mir zur Seite und erkläre ihm, dass-", sie griff über den Tisch zwischen uns und nahm meine Hände, "-es vollkommen in Ordnung ist einen Mann zu lieben. Ich habe lieber dich als Schwiegersohn als irgendso ein Blondchen.". Schmunzelnd strich sie mir über die Hände, bevor sie sie wieder losließ. "Ich habe euch ab und an beobachtet. In der Halle oder bei Andreas. Ihr seid so unglaublich verliebt ineinander, genießt das. Wie lang bleibst du?". Lächelnd strich ich mir durchs Haar und brauchte einen Moment, um mich zu fangen. "Bis Mittwoch, ich werd mittags los müssen. Bis dahin will ich ihm einfach eine Stütze sein. Ihn in den Arm nehmen, kuscheln und küssen-". Seufzend lehnte ich mich zurück. "Er benötigt Hilfe. Wegen Christina.". "Da stimm ich dir zu. Er ist ganz in sich gezogen und schreckhaft, verhält sich ganz eigenartig.". "Wir alle müssen ihm helfen.".

Schweigend saßen wir beieinander, ich genoss die Ruhe und das seichte Rauschen der Wellen. Hedis Blick ruhte manchmal auf mir, lächelnd und stolz. "Hat er sich dir geöffnet? Also- ist er anders zu dir seit eurer Beziehung?". Grinsend ließ ich den Kopf in den Nacken sinken. "Er ist unfassbar schmusig. Liebt es in meinen Armen einzuschlafen, löffelt völlig zufrieden nach einem langen Arbeitstag seinen Joghurt. Wir brauchen kaum Worte, wir- wir verstehen uns irgendwie auch so.". "Ihr kennt euch auch schon so lange, Wahnsinn. Ich erinnere mich noch wie du als kleiner Knirps ganz schüchtern in unserem Flur standest, als du auf Christian gewartet hast.". Leise lachend nickte ich. "Ich erinnere mich. Er war noch nicht angezogen an dem Morgen.". Schmunzelnd sahen wir uns an. "Hat sich ja nichts geändert.".

"Mama, wir sind zurück!". Eine prickelnde Gänsehaut breitete sich auf meinem gesamten Körper aus. "Ich bin auf der Terrasse, kommt doch raus!". Nervös stand ich auf und hielt mich neben der Tür. "Na, was hast du Schönes gemacht?". Andreas kam zuerst raus und nahm Hedi kurz in den Arm. "Ach, nichts Großes. Wie war euer Spaziergang?". Ich hörte Chris Stimme unmittelbar neben der Terrassentür und atmete leise durch. "Sehr erfrischend, tat gut.". "Weist du, was dir noch gut tut?". "Ruhe schätze ich. Wieso?". "Komm mal raus Großer.". Selbst Andreas sah sie perplex an, ließ heimlich den Blick schweifen und musste triumphierend grinsen als er mich entdeckte. "Was ist denn?".
"Hey-". "He- hey?". Christians Blick schoss zu mir. Kaum hatte er mich erkannt, schossen die ersten Tränen in seine Augen. "Manu?", flüsterte er ganz brüchig. "Ich hab dich vermisst.". "Ich dich auch.". Schwer schluchzend warf er sich um meinen Hals und ich konnte ihn nur noch an mich anpressen. "Ich hab dich so vermisst Manu, so sehr. Was- du hast doch Seminare?". "Psht-", murmelte ich und kraulte durch sein dichtes Haar. "Nich reden, nur kuscheln.". Seine zitternden Lippen striffen über meinen Hals und ganz schwach, kaum hörbar, vernahm ich seine Stimme: "Ich liebe dich Manuel.".

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