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Manuel

"Hey", flüsterte ich in den Hörer. Mir kam eine gewaltige Geräuschkulisse entgegen und auch Chris Stimme war nur schwer zu verstehen. "Kann ich zu dir kommen? Die anderen kleben alle an den Mädels, aber ich will nich.". Seufzend lies ich den Kopf sinken. "Christian.". "Nein Manu, komm mir nich mit Christian", lallte er mir entgegen. "Ich weiß selbst, dass ich so heiße. Also? Kann ich jetzt zu dir?". "Ungern", murmelte ich bedrückt. "Was?". "Ich sagte ungern, Christian. In den letzten Wochen war ich Luft für dich und jetzt soll ich dir meine Couch anbieten?". "Ne, dein Bett. Ich will mit dir schlafen. In deinem Bett.". Schwer atmete ich durch. Ich versuchte mich zu konzentrieren und zu überlegen, wie ich am besten mit ihm umgehen könnte. "Hör zu. Du trinkst jetzt eine Flasche Wasser und ich komm dich holen. Is die Flasche nich leer, steigst du nich in mein Auto.". "Alles klar. Ich komm raus, mit Wasser. Und dann fahren wir zu dir und schmusen?". "Klar. Nichts lieber als das.". Resigniert legte ich auf und schmiss das Smartphone neben mich aufs Sofa. Mein Kopf fiel in meine Hände, wo ich verzweifelt nach Luft rang. "Wieso tust du mir das wieder an? Du betrinkst dich und ich bade es aus, du weißt ich kann nicht Nein sagen Reinelt.". Mit zitternden Fingern strich ich mir eine Träne von der Wange. Durchatmen Josting. Er ist es doch eigentlich gar nicht mehr wert.

Der Club war sehr gut besucht. Die laute Musik schallte mir entgegen als sich die Tür öffnete und eine Gruppe Jugendlicher herausstolzierte. Von Chris war bisher weit und breit keine Sicht. Ich warf einen Blick aufs Handy, ob noch eine Nachricht von ihm kam. Fehlanzeige. "Christian, wo bleibst du nur?". Ich wartete noch weitere fünf Minuten und sah mich auf dem Parkplatz um. Die Gruppe Jugendlicher stand etwas hinter einigen Bäumen, offensichtlich unter Einfluss irgendwelcher Substanzen. Kopfschüttelnd nahm ich erneut mein Handy hervor und wählte die Nummer meines Freundes. Nur nach wenigem Klingeln sprach jedoch die Mailbox an: "Hey, hier ist die Mailbox von Chris Reinelt.". Seufzend beendete ich den Anruf. "Bleibt mir wohl nichts übrig", murmelte ich frustriert. Den Kragen meiner Sweatjacke zog ich höher bevor ich mich an der kurzen Schlange vorbeischob und dem Türsteher ausdruckslos ins Gesicht blickte. "Vordrängeln is nich Kollege.". "Kollege? Ernsthaft?". Schnaufend versuchte ich nicht zu lachen. "Ich bin DJ, Kumpel von mir legt auf und hat mich eingeladen.". Ein Pfiff unterbrach meine Ausführung und ich erkannte Jannik im Eingangsbereich. "Eh Manu! Bist ja doch noch gekommen.". Mit erhobener Augenbraue sah ich den Security an. "Ausnahme. Geh rein.".

Zufrieden ging ich an ihm vorbei und zu meinem Kollegen. "Hey, ich will nur Chris abholen. Eigentlich wollte er rauskommen aber na ja.". "Der hockt an der Bar und kaut der armen Barkeeperin ein Ohr ab, ich bring dich hin.". Er schien mir nicht zu viel getrunken zu haben, immerhin konnte man ihn noch problemlos verstehen und gerade gehen war auch noch möglich. "Ich dachte aber du wolltest Abstand nehmen wegen seines tollen Verhaltens?". Seufzend reagierte ich auf seine Feststellung. "Der hat mir vorhin schon ganz besoffen aufm Klo erzählt, dass er dich vermisst. Also wissen, was er will, tut er nich so.". Jannik sah mich skeptisch an. "Ich würd den mal zur Rede stellen.". "Morgen früh. Wenn er wach wird und sich hoffentlich erinnert, was er alles geschrieben und gesagt hat. Von wegen er würde mit mir schlafen wollen, in meinem Bett. Klar Reinelt.". Bevor wir das noch weiter diskutieren konnten, betraten wir den Floor, sodass kein Wort mehr verstanden werden konnte. Jannik ging zielstrebig voran. Um mich herum drängten sich unzählige tanzende Körper aneinander, Schweißgeruch umfing mich und von allen Seiten stießen Menschen an mich. Ich wusste genau warum ich mich auf Hochzeiten und Familienfeiern konzentrierte, wenn ich sah wie kopflos sich hier verhalten wurde.

"Ganz am Rand sitzt er. Siehst du ihn?". Jannik blieb vor der Bar stehen und zeigte zur äußerten rechten Seite. "Danke dir. Mach nich mehr zu lange hm. Wir sehen uns Montag wieder!". Ich klopfte ihm auf die Schulter und vernahm nur noch ein leises: "Pass auf dein Herz auf.". Leise atmete ich durch während ich mich dem zusammengesunkenen Chris näherte. "Hey, wolltest du nich rauskommen zu mir?". Verwirrt sah der junge Mann von seiner Glasflasche auf. Zu meiner Begeisterung erkannte ich, dass es tatsächlich Wasser war. "Manulein. Ich habs total vergessen, wollt ich rauskommen?". Lachend schob er seine Flasche auf die Theke. "Na, die nimmst du mit. Wenn sie nicht leer ist, nehm ich dich nicht mit. Komm jetzt. Jacke holen, rausgehen und heimfahren.". Ergeben nickte Chris lediglich. Er nahm sich die Flasche und warf der Barkeeperin ein euphorisches "Tschüß!" zu. "Komm jetzt bitte. Ich hab keine Nerven für dein betrunkenes Hoch.". Schnaufend lallte mein Freund mir einige unverständliche Töne ins Ohr ehe er sich meine Hand nahm und sich durch die Massen ziehen ließ. "Einmal die 256, ist die beige Jacke dort.". Ich hatte in Chris Portmonee die Marke gefunden und gab sie nun ab, um seine Jacke entgegenzunehmen. "Komm ich helf dir eben rein. Ist ziemlich kalt draußen.". Ohne Widerstand ließ er sich in die Ärmel helfen.

"Hast du alles?". "Ja.". Langsam trottete er neben mir her. Seine Hand umschloss meine nochmal fester als mein Blick seinen striff. "Bist du ok? Oder ist dir übel, schwindelig?". Leicht schüttelte er den Kopf. "Mein Auto steht gegenüber an der Straße, nur einmal rüber und dann können wir heim. Wieso hast du dich überhaupt so betrunken?". Chris zuckte nur mit den Schultern. Als wir rauskamen, blieb er wenige Meter vor dem Eingang stehen und atmete tief die klare kalte Nachtluft ein. "Gerade hängt so viel im Kopf. Die Tour, das Stadion, Du, mein Bruder. Weißt du-", er seufzte auf und drehte sich gänzlich zu mir. "-ich will dir eigentlich gar nich weh tun aber das tu ich. Und das macht mich fertig. Ich mag dich echt und was mach ich? Dich verletzen. Warum?". "Weil du Angst hast.". "Wahrscheinlich, ja.". "Aber ich würde dich nie dazu drängen dich zu outen Christian. Ich würde dir Zeit geben und dich unterstützen dich selbst erstmal zu finden und zu akzeptieren. Aber findest du nicht, dass ich es verdient habe, dass du ehrlich zu mir bist? Seit Wochen ignorierst du meine Nachrichten, würgst Gespräche ab und bist ständig mit den Jungs feiern.". Betroffen nickte er. "Ich weiß doch. Ich bin zu feige gewesen Manu. Aber ich möchte das ja jetzt ändern.". "Und wenn du Morgen aufwachst und alles vergessen hast, ändert sich das wieder?".

"Nein. Deshalb trink ich doch das ganze Wasser.". Verlegen lächelnd hob er die fast leere Wasserflasche an. "Ich meins ernst.". Seufzend strich ich mir durch mein müdes Gesicht. Hin und hergerissen zwischen der Vernunft und der Sehnsucht. "Bitte Manu, wir haben doch bisher immer alles gemeinsam geschafft.". Das helle Klacken der Glasflasche auf dem Boden lies mich nicht aufsehen, erst das leise Rasseln seines heißen Atems an meiner Stirn. "Nur diese eine Chance.". Es war bereits seine dritte Chance, seine dritte Möglichkeit zu sich zu stehen und uns die Möglichkeit zu geben, eine vernünftige Beziehung zu führen.

"Oh Christian", flüsterte ich rau und legte meine Lippen sanft auf seine. Diesen Kuss sofort erwidernd, legte Chris seine Hände in meinen Nacken und hielt mich innigst bei sich. Seine weichen Lippen formten sich zu einem seichten Lächeln, dass ich gar nicht anders konnte als es zu erwidern.

Für Immer ab JetztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt