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Conner und ich saßen weit außerhalb des Lagers, auf der anderen Seite des Rosenquarztals.

"Leihst du mir mal eben dein Messer?", fragte ich zu ihm herüber. Er war gerade dabei, damit einen Apfel von der Plantage aufzuschneiden.

Mit einem "Klar" reichte er es mir. Konzentriert ritzte ich eine Kerbe in das Gummi meiner Schuhsohle. Die Sechste. Sechs Tage war Joshua nun unterwegs. Naja, eigentlich sogar sieben, aber den Morgen, an dem er sich verabschiedet hatte, zählte ich nicht mit. Nur ganze, volle, einsame Tage.

Einsam war das falsche Wort - Conner bemühte sich rührend, dass ich mich im Lager zurecht fand und glücklich war. Es war fast, als würde ich schon immer hier leben, mir sollte es an nichts mangeln. Und seit Conner mir von den Zeitverhältnissen zwischen den Welten erzählt hat, machte ich mir auch keine Sorgen mehr, dass jemandem mein Fehlen auffallen könnte.

Erst wenn man dauerhaft in dieser Welt blieb, änderte sich das. Also blieb mir nicht unendlich Zeit, aber wenigstens ein bisschen.

"Wollen wir gleich weiter?", fragte Conner, während ich ihm das Messer reichte und er mir einen halben Apfel.

"Gleich - es ist gerade so schön hier!" Die Mittagssonne schien angenehm hinunter auf die Wiese, aber brannte nicht zu heiß, das Gras unter unserer Picknickdecke war weich und warm, die Blumen dufteten, die Insekten summten, und das Wasser des kleinen, klaren Teiches neben uns plätscherte friedlich. Manchmal waren Augenblicke so perfekt, so märchenhaft, dass ich es kaum begreifen konnte.

Ich lehnte mich zurück, biss in den Apfel und schaute den flauschigen, weißen Wölkchen am Himmel beim langsamen Umherschweben zu.

"Mein Shejux wartet bestimmt schon", grinste Conner, aß seine Apfelhälfte auf und packte die Tasche.

"Warum eigentlich immer Shejux und nicht einfach Drache?" Ich band mir meine Schuhe neu und half ihm, die Decke zusammenzulegen, dann konnten wir weiterwandern.

"Jeder Shejux ist ein Drache, aber nicht jeder Drache ist ein Shejux", erklärte er lachend, "es gibt Unterarten."

"Ich kann es noch gar nicht wirklich fassen."

"Was meinst du, wie ich ausgerastet bin, als mir mal so ein Kleindrache über den Weg gelaufen ist? Und dann dieser hammer Satz von seinem Besitzer: der will nur spielen! Na super! Das hat mich total beruhigt." Er verzog das Gesicht, musste bei der Erinnerung aber dennoch lächeln. "Und dann hat er mir die Kleindrachen, Wasserdrachen, Shejuxe und und und gezeigt und mir beigebracht, wie man mit ihnen arbeitet. Und jetzt besitze ich selbst einen..." Träumerisch grinsend schaute er in die Ferne.

"Wo genau leben denn die Drachen? Und wie läuft das? Sie sind ja jetzt nicht die... typischen Haustiere."

Conner gestikulierte nachdenklich, während er überlegte, wie man meine Frage am besten beantworten konnte. "Naja... sie sind absolut freie, unabhängige Wildtiere. Allerdings hören sie auf uns Menschen, und zwar nur auf uns. Wir kommen an - sie kommen zu uns. Sie sind der wahre beste Freund des Menschen, glaube ich... sie sind so intelligent, dass ich denke, sie merken, wie ich mich fühle, und sie sind selbst sehr emotional gebunden. Zum Beispiel an andere Drachen oder Menschen. Ich liebe meinen Drachen über alles - Collin und Conner, das Dreamteam!" Gespielt ergriffen hob er die Hände in die Luft. Er drehte sich zu mir um.

"Da bin ich jetzt mal gespannt", gab ich grinsend zurück.

Wir waren Stunden hierhergewandert und wir würden wahrscheinlich wieder ein bis zwei Stunden für den Rückweg benötigen. Ich wollte es nicht zugeben, dass ich absolut unsportlich war, und dass ich zwar gerne und lang spazieren ging, aber nach maximal drei Stunden auch für mich das Ende erreicht war.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt