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Mein Herz pochte lauter, als es sollte.

Ich dachte, er wäre schräg, ich dachte, ich hätte nur Jace im Kopf - und jetzt dachte ich zu viel und zu wenig gleichzeitig. Ich dachte nur wirres Zeug. Ich dachte, Joshua mochte mich nicht. Und nun dieser Satz? Noch nie hatte ich soetwas gehört, nie auf mich bezogen. Es brachte mich aus dem Konzept und warf ein neues Licht auf Joshua... ein Licht, das nun ganz und gar nicht sein durfte. Ich hatte ihn bewusst aus meinen Gedanken verdrängt, aber ich verzweifeltes, idiotisches Mädchen machte mir Hoffnungen bei so einem einfachen Satz. Verdammt...

"Ich brauche Informationen."

Mir fehlten die Worte. Wirklich? Mein Herz fiel in sich zusammen. Ein Schlag in die Magengrube.

Joshua sah mich lange an, dann nahm er meine Hand.

Nein... nein. Nein, nein, nein, das ging jetzt doch etwas schnell. In... eine bestimmte Richtung. Informationen oder Interesse an mir selbst, worauf wollte er denn nun hinaus? Ich rührte mich nicht, war kurz davor meine Hand zurückzuziehen, auch wenn seine angenehm kühlen Fingerspitzen so wohltuend in der Sommerwärme waren.

"Perlmutt? Rubin?!" Joshua starrte auf meine Fingernägel. Erstaunt betrachtete ich sie, bis mir klar wurde, was er meinte.

"Nagellack", brachte ich nervös kichernd hervor, "das ist nichts Besonderes, und erst recht kein Perlmutt oder Rubin!" Er hatte nur meinen Nagellack gesehen... und ich habe mir wieder selbst den Kopf mit Gedanken verdreht, typisch, verdammt.

"Bist du eine Hexe oder adelig?" Mit hochgezogener Braue schaute er mich an, während er die altbekannte Frage wiederholte.

Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin ein Teenager. Das da habe ich einfach nur draufgepinselt und trocknen lassen. Hat nichts mit adelig zu tun."

Joshua schmunzelte, diesmal den Blick auf etwas anderes gerichtet. "Du bist unumstreitbar etwas Besonderes, ob du willst oder nicht, hier bist du es. Allein dein Ohr... was auch immer du gemacht hast, es sieht nicht nach Spaß aus."

Wieder dauerte es, bis der Groschen fiel. Meine Ohrstecker.

"Das ist doch nur Schmuck, das tut kaum weh. Und ich finds' cool, ganz egal, ob hier oder dort. Aber Ohrlöcher müsste es zu dieser Zeit doch auch... - die Zeit spielt hier keine Rolle, oder?" Meine eigenen Worte machten mir auf einmal Angst.

"Die Zeit? Zeit ist unendlich, aber sie stirbt jeden Tag."

Ich ließ mich in den Schneidersitz nieder, schlüpfte aus meinen Schuhen, und streckte die Beine ins kühle Wasser. Ich dachte an die Zeit. Joshuas Worte - genau das hatte ich selbst einmal gesagt. Ich drehte mich zu ihm. "Die Zeiteinheit ist eine simple Erfindung der Menschheit. Vielleicht doch nicht so simpel, aber surreal. Ich bin erst vor einem Jahr darauf gekommen, aber ein Leben ohne Zeit ist schon etwas Eigenartiges. Es ist, wie das Zeitgefühl zu verlieren - nur für immer, und gleichzeitig nie. Verstehst du, was ich meine?"

Joshua hatte sich neben mich ans Ufer gelegt, einen Arm wie ein Kissen unter dem Kopf, und blinzelte in die gleißende Sonne. Fast so wie ich vor nur zwei Tagen auf dem Boot. Die (nichtvorhandene) Zeit raste.

"Nicht wirklich. Denn egal, wie du das mit der Zeit siehst - der Rest der Welt richtet sich danach, du auch, warum sollte sie sonst erfunden worden sein, wie du zumindest sagst? Wie kommst du darauf?", sagte er nachdenklich, während er nebenbei in der anderen, der verbundenen, Hand einen der hellen Kiesel wandte.

"Naja", setzte ich an und lehnte mich ebenfalls auf den Boden zurück, "eigentlich weiß ich noch gar nicht, ob es stimmt, aber meine Vermutung wurde schon bestätigt... und ich glaube der Person; Lehrer haben Ahnung... aber zurück zur Zeit: also, Zeit misst sich nur in den Geschehnissen und Veränderungen, die einen selbst und alles um einen herum betreffen. Wenn man darstellt, dass die Zeit stehengeblieben ist, dann macht man das so, dass sich nichts und niemand mehr bewegt - also auch keine Veränderungen oder Geschehnisse. Die Erde kreist einfach um die Sonne, ohne Sinn und Verstand, ohne sich um die Zeit zu scheren, aber wir Menschen haben jeder Runde einen Namen gegeben... ein Jahr. Das Jahr. Eine Zahl. Ich bin nicht sechzehn, ich bin die Veränderung und Alterung, die in mir vorgeht, während die Erde schon fast siebzehn Mal die Sonne umkreist hat. Es ist... so kompliziert, ich verstehe manchmal meine eigenen Gedanken nicht, beziehungsweise, wie ich sie erklären soll... sorry..." Ich schlug mir die Hände vor das Gesicht. Eher, um mich vor der sengenden Sonne zu schützen, aber auch, um meine wirren Gedankengänge zu ordnen.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt