~28~

186 30 11
                                        

Ich blinzelte gemächlich in das sanfte Morgenlicht. Die helle Zeltplane dämpfte den Schein in dem kleinen Raum gleichmäßig.

Ich drehte mich auf dem Feldbett auf die Seite, zog die Wolldecke über meine Schulter. Der frühe Morgen war kühl. Mein Atem stieg in Form kleiner, weißer Wölkchen in die Luft.

Hinter mir hörte ich eine Bewegung. Verschlafen blinzelnd versuchte ich, die dunklen Schemen vor dem Weiß einzuordnen. Joshua saß auf seinem Feldbett, ein paar Schritte mir gegenüber entfernt, knöpfte eines seiner blütenreinen Hemden zu und strich sich den Kragen glatt. Ich sah den Degen und den Dolch neben ihm auf dem Stoff der Liege glänzen. Wann hatte er sie zurückerhalten?

Er zog sich sein Uniformjackett über und verstaute ein paar Flaschen in seiner Tasche. Meine Lieder wurden schwer. Frierend kuschelte ich mich in die Decke.

Auf mein Gehör konzentriert, nahm ich einige Stiefelschritte auf dem Plastik des Zeltbodens war. Etwas klirrte leise gegen die Stangen, die die schweren Planen hielten, und ich hörte dünnes Papier rascheln.

Neugierig öffnete ich dann doch die Augen. Joshua warf sich die Tasche über die Schulter und ließ den Dolch unter der hellen Jacke verschwinden.

"Hey", murmelte ich mit brüchiger, verschlafener Stimme, aber froh, ihn zu sehen. Ich hatte ihn gestern Abend kaum noch zu Gesicht bekommen, er hatte sich an irgendeine strombetriebene Lampe gesetzt, die deutlich heller schien als jede Kerze (ja, er war nun überzeugt von elektrischem Licht) und hatte einen Brief an seine Schwester geschrieben. Als ich mich schlafen gelegt hatte, war er noch immer beschäftigt gewesen. Es war erstaunlich, wie wenig Ruhe er benötigte.

"Guten Morgen", flüsterte er mit einem angedeuteten Lächeln in den Mundwinkeln, als er zu mir hinabsah.

"Wo willst du hin?"

Joshua verharrte vor dem Zelteingang. "Das hatte ich dir doch gestern erklärt. Ich muss los, um Eléh zu finden. Erstmal zu Maren und dann sehen, ob sie mir eine Nachricht hinterlassen hat. Vielleicht laufe ich ihr noch über den Weg."

Ich setzte mich müde auf. Verdammt, wie schrecklich musste ich wohl aussehen? Ich war schließlich keine dieser glücklichen Seelen, die direkt nach dem Aufwachen schon so aussahen wie ein Model aus einer Shampoowerbung. Notdürftig kämmte ich mir mit den Fingern durch das Haar.

"Jetzt schon?", murmelte ich.

Er nickte. "Aber das wusstest du. Warum schaust du so überrascht?"

"Jetzt ist nicht gleich jetzt. Sonst wärst du schon weg. Ich dachte, du bleibst wenigstens bis heute Abend."

"Es tut mir leid", Joshua seufzte, "aber jede Minute zählt mittlerweile. Wenn ich Glück habe, bin ich in ein paar Tagen wieder da. Wenn Eléh wirklich gehalten hat, was sie geschrieben hatte. Ich habe es ziemlich eilig. Ich werde mich beeilen." Er schob die Plane beiseite und trat auf das taubenetzte Gras hinaus.

Hastig schlüpfte ich in eine warme Jogginghose und zog einen Pulli über mein Top; Kleidung, die Kirsten mir für die kälteren Nächte geliehen hatte. Ich knotete mir einen Dutt und vermied den Blick in den Taschenspiegel, als ich ein Kaugummi aus meiner Tasche kramte, dann folgte ich Joshua hinaus.

Es war frisch. Nebelig und grau-weiß bewölkt. Außer uns war kein Mensch zu sehen, bis auf eine Nachtwache, die gerade in einem Waschwagen verschwand.

"Warte", zischte ich Joshua leise hinterher. "Keine Verabschiedung? Vielleicht sehe ich dich nie... erst sehr spät wieder." Meine Worte trafen mich selbst. Keine Verabschiedung... war er so optimistisch oder war ich ihm egal? Und was, wenn... wenn ich ihn wirklich nicht wiedersah? Daran wollte ich gar nicht denken. Aber er hatte recht, noch konnte ich ihm bei keiner Suche helfen. Das würde dauern.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt