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Trotz des Trauronzwischenfalls der letzten Nacht, war Joshua vor mir erwacht. Wie scheinbar immer.

"Mayra?", murmelte er, in den Türrahmen gelehnt. Sein weißes Hemd fiel mir verschwommen ins Auge, als ich versuchte, sie zu öffnen. Wieviele besaß er nur davon?

Mir fielen die Augen wieder zu.

"Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen, Sonnenschein!", trällerte eine piepsige Stimme in mein Ohr. Ich hörte Joshua im Hintergrund zusammenfahren und leise fluchen. Ich schreckte hoch.

"Naa, dich kann man aber gut wecken!" Liona trippelte über die harte Matratze und stemmte die Hände in die Seiten.

"Liona? Seit wann bist du wieder da?", wandte ich mich mit rauer, verschlafener Stimme an das kleine, zierliche Elfchen. Ich hatte sie tagelang nicht mehr gesehen.

"Ich verfolge euch, wo ihr auch seid." Frech grinste sie zu Joshua hoch, der ein Seufzen unterdrückte.

Er strich sein Hemd zurecht und machte dann einige Schritte auf das Bett zu. "Meinetwegen. Los, kletter hoch, Mayra sollte sich besser noch umziehen, wenn sie heute nachhause will." Er hielt der winzigen Elfe in einem passenden Winkel seinen ausgestreckten Arm hin.

Verwundert schaute ich auf meine Klamotten. Natürlich, ich musste dieselbe Kleidung tragen wie an dem Tag, an dem ich in dieser Welt angekommen war.

Die Beiden verließen das Zimmer und ich suchte schnell meine sieben Sachen zusammen. Welche Kleidung war es denn nur gewesen? Ich hatte alles im Lager gewaschen und keine Ahnung mehr, in welcher Reihenfolge ich all diese Klamotten getragen hatte. Ich entschied mich möglichst unauffällig zu sein, dann würde sich niemand darum scheren, was ich getragen hatte. Also eine schwarze Jeans und ein Top mit einer Bluse, die ich mir in der Taille zusammenknotete. Wäre es etwas Originelleres oder Neonfarbendes gewesen, dann wäre es eher aufgefallen, aber so... das würde schon funktionieren.

Was mir deutlich mehr Sorgen bereitete, war der See. Die Reise zurück. Es war eine Qual gewesen, dieses Gefühl zu ertrinken... es jagte mir noch immer einen Schauer über den Rücken. Aber das musste sein. Sonst würde ich nie zurückkehren können.

Ich räumte kurz alles zurecht und verließ dann das Zimmerchen.

Draußen saß Joshua auf der Stufe vor der Tür und sprach mit Liona, die mit baumelnden Beinchen auf seinem angewinkelten Knie saß und sich einen Zopf flocht.

Ich blieb im Rahmen stehen, fing schnell die Tür ab, ehe sie lautstark hinter mir zufallen konnte. Ich verharrte in meiner Position, lehnte mich an das alte Holz und beobachtete Joshua und Liona, wie sie so dasaßen im Schein der Morgensonne.

Die Strahlen verfingen sich in Joshuas Haar und brachten es zum Glänzen. Sein weißes Hemd leuchtete, reflektierte das grelle Licht zu mir herüber. Wieder schien seine Haut makellos wie Porzellan.

Die Elfe, die auf seinem Knie herumhüpfte, schillerte im Sonnenlicht. Das Kleidchen, dass sie trug, schien bei jeder Bewegung eine neue, sanfte Farbe anzunehmen.

Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf mein Gesicht schlich. Wie konnte ich die Beiden verlassen? Wie konnte ich diese Welt verlassen?

Vögel zwitscherten, Wärme ergriff Besitz von der Natur. Blumendüfte lagen in der Luft und das helle Licht verzauberte die Umgebung.

Ich hörte Joshua leise auflachen. Dann nahm er eine kleine Goldmünze und reichte sie behutsam der Elfe in die zarten Ärmchen. Vor Freude aufspringend umschloss sie die, für sie riesige, Münze fest mit den Armen und drückte sie an sich, als wolle sie sie nie wieder hergeben.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt