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Es war mitten in der tiefsten Nacht, als ich die Schritte auf dem Holz knarzen und die Stimmen im Flur flüstern hörte.

Ich lag eingekuschelt in den fremden Laken in dem überaus breiten Bett, alle Kerzen hatte ich gelöscht. Es herrschte undurchdringliche Dunkelheit. Aber mich hatte mehr geweckt als nur die Geräusche.

Es war schwer gewesen, einzuschlafen. Die Worte der jungen Kellnerin hatten sich in meinen Kopf gebrannt und ließen mich nicht mehr los, womit sie wahrscheinlich erreicht hatte, was sie wollte. Ich machte mir nur noch mehr Sorgen und Ängste. Um die Zukunft, mein Leben und vor allem Joshua.

Um so erleichterter war ich, als ich seine leise Stimme wiedererkannte. Die Worte drangen unklar durch die dünne Zimmertür, doch wenn ich mich anstrengte, konnte ich sie verstehen. Joshua sprach mit seinen Männern von der Garde, sie waren scheinbar gerade von ihrem Auftrag wiedergekehrt.

Mit einem leichten Quietschen wurde die verzogene Holztür aufgeschoben. Flackernder Kerzenschein fiel auf mein Gesicht. Müde blinzelte ich dem Licht entgegen.

"Mayra? Es tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken", raunte Joshua mir zu, ich war noch so verschlafen, dass ich einige Sekunden brauchte, ehe ich sprechen konnte. Ich beließ es zuerst bei einem lächelnden Abwinken.

Er schloss die Tür hinter sich.

"Wie ist es gelaufen?", murmelte ich mit rauer, eingerosteter Stimme. Er hob vage die Hand.

"Ganz gut, aber es hätte noch einfacher werden können. Unsere Vermutung hat sich bestätigt - sie wollten nicht kooperieren, sondern kämpfen." Er trat weiter in das Zimmer, knöpfte den schwarzen Stoff auf, brachte den weißen des Hemdes darunter zum Vorschein. Er drehte sich fort, doch das Verbarg nicht all das Blut.

"Dreh dich mal bitte um", flüsterte ich ernst in die Stille. Er zögerte.

"Es ist nichts. Alltag." Er stellte die flackernde Lampe auf dem Nachtschränkchen neben mir ab. Jetzt konnte ich sie deutlich erkennen. Die Schnitte im Stoff, Blutflecken, Kratzer an den Armen und Händen. Doch das Schlimmste - der dünne, gerade Schnitt an seiner Schläfe. Nicht tief, nicht lang, doch so bekannt.

Ich schob die Decke weg, richtete mich hastig auf.

"Nein, nicht schon wieder!", zischte ich aufgebracht, sah das Blut dunkelrot an seinem Gesicht kleben.

"Ich mach das eben sauber, dann sieht es gleich viel besser aus. Schlaf weiter." Er zog die Decke wieder zu mir, drückte sie mir in die Hand. Ich wollte ihn nicht mit meinen Sorgen nerven, doch jeder neue Schnitt an seinem Körper schmerzte mich, als wurde ich selbst getroffen. Bedauernd sah ich ihn an, bis er demonstrativ das Licht löschte.

Ich lauschte seinen Bewegungen in der Dunkelheit, vergrub mich unter dem Laken, hörte nur leisen, ruhigen Atem und das Rascheln von Stoff. Irgendwann Wasser, das Reißen von Leinen, ein gequältes, unterdrücktes Seufzen. Er verband sich die tieferen Wunden in der Dunkelheit, die ihn nicht störte, doch mich erblinden ließ. Ich umklammerte das Bettlaken mit den Fingerspitzen. Ich wurde ihm gegenüber empfindlicher, litt mehr an seinen Verletzungen als er selbst. Für ihn war es tatsächlich Alltag.

Für mich nicht.

"Wo bist du verletzt? Wie schwer?" Ich ließ mich zurück in das große, weiche Kissen sinken.

"Rutsch mal, bitte."

Ich drehte mich zur Seite. Neben mir hörte ich ein Stoffrascheln. Joshua legte sich neben mich. Ich spürte seine Körperwärme durch den dünnen Stoff der Laken.

"Ich bin nicht schwer verletzt. Das Schlimmste ist das Wissen, dass ich neuerdings dabei umkommen kann." Er drehte sich zu mir um, ich hörte sein Flüstern deutlicher. "Es hat nur meine linke Seite und die Narben getroffen, alles kein Problem... aber..."

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