"Pass auf dein Kleid auf", zischte Joshua und drückte mich in den Schatten der Häuser zurück.
"Es hat schon einen Grund, warum man in meiner Welt die meiste Zeit Hosen trägt... aber es ist wirklich schön!"
Die Dunkelheit war beinahe vollkommen. Ich spürte, wie Joshua meine Hand ergriff. "Jetzt", flüsterte er in mein Ohr, "wir haben nur ein paar Sekunden."
"Böse sein ist fantastisch!", raunte eine fremde Elfe, die sich irgendwo in den Reetdächern versteckte, mit einem rauen Lachen. Ich grinste dunkel. Ein Leben, so schnell, dass ich es selbst nicht begreifen konnte... Schatzjäger? Nein. Räuber? Auf gar keinen Fall. Aber... nunja. Wir waren etwas anderes. Raffinierte Händler, die mit unerschöpflichen Quellen handelten, die keinem Gesetz unterlagen. Ein interessantes Geschäft.
Sie zogen mich auf die Straße. Laternen flackerten im kühlen Wind. Wir liefen die Eintausend Treppen des Schlosses hoch, was sich mit dem Reifrock als deutlich schwieriger erwieß, als ich dachte.
Doch es hatte sich gelohnt.
Vor den großen, goldverzierten Toren mit dem Wappen Lille's blieben wir stehen. Unauffällig stemmte Joshua eine Hand in die Seite und strich somit den Mantel zurück, was den Wachen den Blick auf den Degen freigab. Der goldene Griff mit der Lilie und das Elfeneisen gaben ihn zu erkennen. Demütig senkten die Wachen den Oberkörper und ließen uns bedenkenlos ein. Unsere Gesichter wurden von goldbestickten Masken verdeckt und geziert.
Wir waren spät. Joshua zog mich an der Hand durch das riesige Gewölbe, mit breiten Marmorgängen und an großen Sälen entlang. Mein weiter Rock raschelte, obwohl ich ihn weitgehend beim Rennen anhob, und meine Schuhe klackten auf dem glatten Boden laut. Keine Absätze, sodass ich gut laufen konnte, aber verstärkte Sohlen, sodass es wenigstens danach klang. Hinter uns hastete Conner über den Mamor, unauffällig ab und an kleine Punkte an die Wände zeichnend. Im Lager vermaßen sie gerade das Schloss.
Vor einer Abzweigung, aus dessen einer Richtung laute Stimmen und Musik klangen, blieben wir ein letztes Mal stehen. Joshua musterte mich lange. Dann rückte er meine Maske zurecht, drückte mir einen langen Kuss auf die Lippen und ließ mich dann bei sich einhaken, bevor wir auf den Ballsaal zusteuerten. Schweigend hielt Conner sich im Hintergrund, um uns später bewachen zu können. Joshua ignorierte ihn noch immer. Egal, was die Weltenwandler sagten, so sehr ich sie liebte, sie würden uns nichts vorschreiben können.
In dem Gewusel der Tanzenden fielen wir kaum auf. Unauffällig reihten wir uns zwischen den Paaren ein und folgten dem Takt, während Conner in der Masse verschwand.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ Joshua mich los, schob mich bestimmt in Richtung Thronsaal. Der Halbkreis mit der kuppelförmigen Überdachung, voll goldverzierter Gegenstände und prunkvollen Möbeln, Vorhängen aus goldener Seide und einem Thron aus Kristall und Titan. Der Thronsaal. Das Kopfende des Raumes.
Etwas verloren und unsicher sah ich mich nach einem Tanzpartner um. Absichtlich ließ ich dabei mein Stofftaschentuch mit dem goldenen Blatt des verbündeten Königreichs des Herbstes fallen. Sollte er ruhig denken, ich sei eine potenzielle Adelige aus dem Nachbarkönigreich... und heiratsfähig. Den unzähligen Spionen in diesem Ballsaal würde das Tuch schon auffallen. Hauptsache, der Prinz wurde auf mich aufmerksam. Dabei gehörte dieser verdammte Thron sowieso nur einem. Ich drehte mich kurz zurück zu Joshua.
Ich warf einen hastigen Blick auf den strahlenden Thron. Er war leer. Irgendwo tanzte der Prinz. Oder er war schon mit einer Anderen verschwunden. Verdammt.
"Entschuldigt, Fräulein", hörte ich eine raue, freundliche Stimme über das Getöne der Musik und der Sprechenden hinweg. "So allein? Etwas verloren schaut Ihr aus."
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Golden Fairytale
FantasiDiese fremde, neue Welt sprengte alle Grenzen der Realität. Der Wissenschaft. Der Grausamkeit. Der Wunder. Der Unendlichkeit. Meines öden Alltags. Diese Welt überstieg sogar die Ausmaße meiner eigenen Phantasie. Wie oft hatte ich hiervon geträumt? E...