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Das Vogelgezwitscher, der Sonnenschein... alles wirkte so friedlich.

Ich sollte die Augen nicht öffnen, vielleicht war dann alles nur ein schlimmer Traum gewesen.

Ich spürte Wärme unter mir. Ich lag auf etwas Hartem. In meinen Händen spürte ich den rauen, noch nassen Stoff meiner Tasche, die ich fest umklammert hielt.

Wo zur Hölle war ich? Am See konnte ich unmöglich sein... ich hatte nichts als wirre Bilder in meinem Kopf. Wollte ich nicht bei Lilian übernachten? Wo war sie? Und Susan? Jace? War ich etwa allein?

Ich konnte doch nicht am See oder im Partyzelt geschlafen haben...

Hatte ich vielleicht doch etwas im Getränk gehabt, wovor meine Mutter mich immer gewarnt hatte? Ein furchtbarer Gedanke.

Ich schüttelte die vielen beunruhigenden Fragen ab. So konnte ich sowieso nichts herausfinden.

Vorsichtig begann ich zu blinzeln, ängstlich vor dem, was mich erwarten könnte.

Über mir sah ich eine holzvertafelte, niedrige Decke, ziemlich dunkel und voller Spinnenweben.

Ein kleiner, unscharfer dunkler Punkt wurde immer größer. Verwirrt runzelte ich die Stirn, bis ich realisierte, dass sich eine kleine Spinne ihren Weg nach unten sponn.

Schnell rollte ich mich zur Seite weg, kam dumpf auf ebenfalls hölzernem Boden auf, und richtete mich angewidert auf. Die Spinne war bestimmt nicht die einzige in diesem uralten Kämmerchen.

Es war geradezu... mittelalterlich.

Boden und Decke aus dunklem Holz, alle paar Meter von krummen Balken gestützt, welche wiederum selbst von kleinen Scheiten im Boden gesichert wurden. Die Decke war so niedrig... ich bräuchte meinen Arm kaum zu ganzer Länge in die Höhe strecken, um die grobe Holzverkleidung zu berühren. Und alles voller Staub und Spinnenweben.

Wo ich gerade noch gelegen hatte stand ein kleines Bett, schmal und mit einer Schicht Stroh unter der dünnen, durchgelegenen Matratze.

Von draußen, durch einige kleine, schlecht verglaste Fenster, tönten ausgelassene Stimmen, Vogelgesänge und ein eigenartig dumpfes, rhythmisches Geklapper.

Alles in allem wirkte meine Umgebung wie ein perfektes Klischee aus alten Mittelalterfilmen.

In dem beengten Raum stand nur noch eine breite Kommode und ein Besen lehnte an der grauen Wand, mehr nicht, aber das füllte den wenigen Platz genug aus.

Es war so fremd... warum war ich hier?

Ich schaute mich aufmerksam nach der Spinne um und zog meine Tasche vom Bett. Sie war noch ziemlich klamm und roch nach dem Wasser des Sees.

Aus einem Seitenfach blitzte ein goldener Schimmer auf.

Vorsichtig, beinahe demütig zog ich das Amulett hervor.

Es hatte mich festgehalten und unter Wasser gezogen, immer tiefer und tiefer...
Ich war doch verrückt geworden.

Aber nunja, ich traute meinen eigenen Augen ziemlich sehr. Was ich sah, das war für mich meistens Beweis und Wahrheit.

Ich fröstelte und verstaute das Schmuckstück zurück im Seitenfach der bunten Tasche. Ein Zufallskauf von einer Fahrt nach Holland. Eine geräumige Strandtasche mit bunten Mustern verziert und allem darin was ich momentan scheinbar noch besaß.

Verdammt, ich hatte diese Tasche schon immer geliebt, aber wer hätte gedacht, dass sie einmal lebenswichtig werden könnte?

Ein lauter Knall hinter mir ließ mich zusammenzucken. Erschrocken fuhr ich herum.

Grelles Licht fiel durch einen schmalen Rahmen, der bis gerade noch von einer ebenfalls hölzernen Tür verschlossen worden war.

Jetzt stand eine kleine, rundliche Frau im Licht und starrte mich an. Sie hatte die Tür aufgerissen und gegen die steinerne Wand donnern lassen.

In ihrer Hand schimmerte eine leicht verbeulte und abgenutzte Kasserolle, die sie wie einen Baseballschläger erhoben hatte.

In dem alten Metall konnte ich mich kurzzeitig spiegeln... das schwarze Shirt, was ich trug, mit den knalligen Rosenblüten und einem Schriftzug in dicken, weißen Druckbuchstaben darauf, bildete den größtmöglichen Kontrast zu der Kleidung der Frau.

Sie hatte ein bodenlanges, schlicht farbloses Kleid an, dass an einigen Stellen mit einfachen Rüschen verziert war. Darüber eine dreckige Schürze. Sie wirkte wie eine Hausfrau aus den Jahrhunderten vor meiner Zeit. Ihre blonden, langen Haare hatte sie unter eine Haube aus leinenartigem Stoff gesteckt.

Mehr Details konnte ich gegen das Licht nicht erkennen, doch ihre Körperhaltung genügte, um mich zurückweichen zu lassen. Eine falsche Bewegung und ich würde die eiserne Kasserolle zu spüren bekommen.

Stille. Keiner von uns rührte sich, endlos lange Sekunden verflossen zäh wie Honig.

Dann bekreuzigte sich die Frau ruckartig und holte tief Luft.

Das wunderschöne Schloss Neuschwanenstein (Bild) hat damit, und mit diesem Kapitel, generell noch nichts zutun, aber das Dorf, in dem May sich befindet, wird von einem Schloss exakt dieser Art aus regiert - und Schloss Neuschwanenstein ist einfach das perfekte Märchenschloss, also auch das geeignetste Beispiel, seht es euch nur an *-*

Liebste Grüße,

Eure    dragon_flies_

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt