Joshua hatte es zugelassen und mich an sich gedrückt. Ein Danke gemurmelt. Und mich festgehalten. Kurz nur, aber es schien wie eine verzauberte Ewigkeit.
Dann erstrahlte das Feuerwerk und wir gingen zurück zum Lagerfeuer, an dessen Seiten nun Boxen standen, und nicht mehr die Menschen, sondern die Technologie für Musik sorgte. Wirklich gute Musik sogar.
Aus Conner, Joana, Joshua und mir sollte wohl eine Gruppe werden, doch nicht lange nach Mitternacht, vielleicht ein oder zwei Uhr, zog Joshua mich von den anderen Beiden fort. Abermals taumelte ich ihm durch die Finsternis nach, unbeholfen zwischen Stolperfallen aus Zelt- und Wäscheleinen. Nach einigen Minuten fanden wir uns vor unserem kleinen, hellen Zelt ein.
Gähnend schlug ich die Planen zurück. Mittlerweile übermannte mich die Müdigkeit und der Schlafmangel, also ließ ich mich direkt auf eines der Feldbetten fallen.
"Was ist los?", stellte ich die allgemeine Frage, die im Raum stand.
Er schwieg. Ich wurde ungeduldig. "Joshua, ich bin müde... was ist los?"
"Wie lange wirst du hier bleiben?"
Diesmal war ich diejenige, die schwieg. Eine genaue Antwort hatte ich nicht. "Bis ich wieder nach Hause kann... oder? Ich bin mir noch nicht sicher, wie lange ich überhaupt hierbleiben darf."
Joshua blieb stumm und nickte.
"Warum?"
Er fuhr sich über das Gesicht. "Ich habe noch einen Brief bekommen. Ich werde Eléh suchen, morgen schon. Ist es möglich, dich nochmal wiederzusehen?"
Ich sah ihn lange an. Wie meinte er das?
"Natürlich. Ich will wiederkommen, ich möchte mehr Zeit in dieser Welt verbringen. Aber wie finde ich dich wieder?"
"Das ist das Problem."
Smartphones - eine verdammt tolle Erfindung unserer Welt, aber völlig nutzlos in dieser. Fluch und Segen, überall.
"Ich muss weiter", fuhr Joshua fort, "ich bin schließlich immer noch im Namen der Garde unterwegs, und die Prinzessin ist und bleibt verschwunden. Sie hängen mich auf, wenn sich das nicht klärt. Und gleichzeitig taucht auch meine Schwester wieder auf. Glaub mir, ich würde genauso gerne hier im Lager bleiben, bei Menschen wie dir, aber es geht nicht. Alles ist möglich - sobald die Prinzessin wieder aufgetaucht ist." Er biss sich auf die Lippen.
"Dann bleibe ich eben so lange hier, bis die Prinzessin wieder aufgetaucht ist. Meinst du das ernst, sie würden dich... henken? Oh Gott..." Ich stützte den Kopf in die Hände. Mein Hirn war müde, ich konnte nicht klar denken. Todesstrafe? Diese Welt war doch nicht so gemütlich. Allerdings befand Joshua sich nicht in Lille - oder? Wo endete Lille? Gab es Auslieferungsverträge? Oder würde Kopfgeld allein genügen, ihn zu bestrafen? "Was wäre, wenn du sie niemals wiederfindest?"
Joshua setzte ein schiefes Lächeln auf und fuhr sich mit der Handkante über die Kehle. Das war nicht sein Ernst. Zumindest konnte das absolut nicht wahr sein. Aber die Müdigkeit verschleierte mein Gehirn.
"Okay. Warte kurz, ich meinte das anders - was wäre, wenn du einfach nicht weiter für die Garde arbeitest? Wenn du von der Bildfläche verschwindest? Was ist dein Plan B?"
"Was, wenn du einfach hierbleibst, für immer?", entgegnete er extrem provokant.
"Ja, ist schon gut, ich hab's verstanden, so leicht ist das nicht. Aber wie kann ich dir wenigstens helfen, sie zu finden? Beide - die Prinzessin und Eléh."
"Das kannst du nicht."
"Aber ich will." Das Wort möchte war eine verlogene Höflichkeitsfloskel. Oder ein Begriff für etwas, das einem nicht am Herzen lag. Für etwas, bei dem es egal ist, ob man es bekommt oder nicht. Doch jetzt - entweder ich wollte es oder ich wollte es nicht. Und der Wunsch in mir war klar, ich wollte so gern stark sein, ich wollte helfen, nützlich sein, und vor allem weiter an Joshuas Seite stehen. "Und wie könnte ich dir helfen, wenn die Prinzessin nicht wieder auftaucht?", ergänzte ich leise.

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Golden Fairytale
FantasiaDiese fremde, neue Welt sprengte alle Grenzen der Realität. Der Wissenschaft. Der Grausamkeit. Der Wunder. Der Unendlichkeit. Meines öden Alltags. Diese Welt überstieg sogar die Ausmaße meiner eigenen Phantasie. Wie oft hatte ich hiervon geträumt? E...