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Es war Abend, als wir irgendwo im Nirgendwo auf ein kleines Gebilde stießen. Es stand inmitten einer großen, verlassenen Steppe. Hüfthohes verwildertes Gras und Wildblumen bestimmten das Bild. Am Rand dieser Wiese umzäunten uns schwarze, hohe Tannen. Vielleicht war es auch die Dämmerung, die sie so dunkel färben ließ, dieserorts konnte man sich dessen nicht sicher sein.

Doch ein warmer, einladender Schimmer strahlte in mein Blickfeld.

Ein Zelt, aber kein normales, was auf seine Funktion beschränkt war. Nein, es war offen und hell, bestand aus mehreren Planen und Tüchern, die Wände und Dächer bildeten. Es schien wie ein kleines Haus.

Erst als wir näher kamen, konnte ich sehen, wie schön es wirklich war. Der Boden bestand aus Holzdielen, bedeckt von dicken, orientalisch wirkenden Teppichen. Kerzen und Öllampen füllten jeden noch freien Platz, tauchten uns in ein helles, angenehmes Licht. Im vorderen, leicht einsehbaren Bereich, standen Sofas und Sessel, ein Tisch, ein paar Schränke und Regale, in die Zeichen, Muster und Ornamente geschnitzt worden waren.

Papier und dicke, in Leder gebundene Bücher stapelten sich auf den Teppichen und neben den hellen Sofas. Dampfende Tassen standen auf einem goldenen Tablett. Silber war eine Seltenheit.

Kissen ließen die Sitzecke noch einladender wirken und erinnerten mich daran, wie schwer meine Beine tatsächlich waren.

Angebrochene Weinflaschen standen hinter und zwischen den Möbeln. Es war ein übersichtliches, gemütliches Chaos.

Noch bevor wir vor der Öffnung der Zeltplanen standen, empfing uns eine kleine Frau in etwas höherem Alter, mit pechschwarzem Haar und nur einer einzigen grauen Strähne.

Ich fühlte mich an das Lager erinnerte. Licht, Wärme, Zelte und ein Willkommenheißen.

Joshua öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch wurde sofort unterbrochen.

Die Frau legte einen Finger an seine Stirn. Etwas belustigt beobachtete ich die Beiden.

"Ihr hattet Inßomnia im Blut, richtig?"

Erstaunt hielt ich den Atem an. Joshua hatte mir von dem Angriff erzählt, aber es war lange her gewesen. Woher wusste sie das?

Sie drehte sich zu mir. Ich wich etwas zurück. Auch mir legte sie den Zeigefinger an die Stirn, ihr Fingernagel drückte in meine Haut. Ich senkte den Blick. Wie sollte ich mich verhalten? Was für eine unangenehme Situation.

"Und du sehnst dich nach deinem sicheren Zuhause, stimmt's, Weltenwandlerin?" Sie lächelte etwas finster, aber wissend und fürsorglich.

"Kommt herein. Ich habe euch erwartet."

Ich warf Joshua einen ungläubigen Blick zu. Er winkte ab, formte Hexe mit den Lippen. Alarmiert starrte ich die ältere Frau an, als sie uns den Rücken zukehrte. Gab es in dieser Welt gute Hexen?

Wir wurden zu dem Sofa geführt, nahmen nebeneinander Platz, während die Welt außerhalb des Zeltes in Dunkelheit versank.

Die Frau stellte zwei filigrane Porzellantassen vor uns ab. Leise klirrten goldene Löffel an den Rand.

In Joshuas Tasse träufelte sie ein paar milchige Tropfen aus einer kleinen Glasampulle. "Niedrig dosiertes Elbenhaar gegen Inßomnianachwirkungen. Dein Körper ist noch immer halbelbisch." Sie nickte lächelnd, unablässig. Sie war merkwürdig.

"Wie heißt Ihr?", wandte sie sich an Joshua. Er stellte sich kurz vor, erzählte von der Garde.

"Und du?" Sie schaute mich nicht an, während sie Zucker in ihren Tee rührte.

Golden FairytaleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt