Sicht Kai
Das Training verlief wie immer, nur das es ein weniger anstrengender für mich war als sonst, was wahrscheinlich auf meine mangelnde Ernährung zurückzuführen ist. Aber keiner meiner Teamkollegen bemerkte es, worüber ich auch ziemlich froh bin.
,,Kai? Kommst du mal bitte kurz zu mir?" Bat mein Trainer mich. Immer noch schweratmend lief ich auf ihn zu. ,,Was gibts?" Fragte ich relativ gelassen. ,,Kai, ist alles in Ordnung bei dir? Mir fällt schon seit einiger Zeit auf, dass es dir nicht sonderlich gut geht. Ich dachte erst, es liegt an der Umstellung und weil du deine Familie in Deutschland vermisst. Aber es ist etwas anderes, oder? Behandelt dich jemand aus der Mannschaft schlecht? Oder täusche ich mich komplett? Du bist ein guter Spieler und wichtig für das Team, aber wenn es so weiter geht kann ich dich nicht immer mit in die Startaufstellung aufnehmen. Du bist jetzt seit 6 Monaten hier, aber ich hab das Gefühl du bist noch nicht komplett hier angekommen. Willst du darüber reden?" Fragte er besorgt. Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Es fiel also doch jemandem auf. Sollte ich jetzt mit der Wahrheit rausrücken?
,,Tut mir leid, ich verspreche es wird besser. Ich vermisse meine Familie und Freunde sehr, aber es wird besser, wirklich. Ich merke wie ich immer besser zurechtkomme, du musst mir nur ein wenig vertrauen. Ich verspreche dir ich bessere mich." Auch wenn nicht alles meiner Aussage der Wahrheit entsprach wollte ich mich wirklich bessern.
,,Gut. Wenn dich irgendetwas bedrückt kannst du immer zu mir kommen okay?" Sprach er beruhigend, worauf ich nickte.
,,Danke" daraufhin verschwand ich auch schon in der Kabine.
Fuck. Ich will nicht, dass es jemand mitbekommt. Wenn sich rausstellt, dass ich kiffe, Alkohol trinke und nichts mehr esse nur weil ich in meinen besten Freund verliebt bin, würden die mich direkt in Therapie stecken. Vorallem wenn sie die Schnitte an meinen Beinen sehen. Scheiße, was mache ich jetzt? Zu meinem Glück ist die Kabine komplett leer, weshalb ich mich in Ruhe hier umziehen konnte. Gerade als ich das letzte Kleidungsstück angezogen hatte und auf mein Handy sah, sah ich eine Benachrichtigung von Instagram.
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Schnell drückte ich darauf und wünschte mir im nächsten Moment, ich hätte es nicht getan.
Zu sehen war ein Bild von ihm und Marie, wie sie sich gegenseitig ihre Zungen in den Hals steckten. Ich könnte kotzen. Und noch übler wurde es mir, als ich die Beschreibung las.
She said yes💍 I love you @mariee_. ❤️
Sofort begann ich zu zittern und ließ meine Trainingstasche fallen. Ich sank einfach zu Boden und schluchzte laut auf. ,,Fuck!" schrie ich und vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Ich konnte es nicht zurückhalten. Unkontrolliert weinte und zitterte ich. Er würde sie also wirklich heiraten. Ich kann es nicht glauben. Sie hatte mir Julian nun endgültig weggenommen.
Ich konnte kaum noch atmen, schnappte nach Luft, doch es bringt nichts. Trotz verschwommener Sicht und wackeligen Beinen rannte ich nach draußen auf den Parkplatz. Ich brauchte dringend frische Luft.
Ich kann nicht mehr. Ich kann das alles einfach nicht mehr. Ich gehe daran komplett kaputt. Ich befinde mich in einem tiefen Loch aus dem ich allein nicht mehr herauskomme und die einzige Person die mir helfen könnte, vergrößerte das Loch nur noch mehr.
An meinem Auto angekommen ließ ich mich einfach auf den Sitz fallen und versuchte mich irgendwie zu beruhigen. Doch ich konnte nicht. Ich drohte zu ersticken. Meine Tränen liefen weiter in Strömen über meine Wangen. Ich habe keine Kraft mehr, zu nichts mehr. Ich habe nicht mal eine Person, mit der ich darüber reden könnte. Früher hätte ich in so einer Situation Jule angerufen. Aber das geht jetzt aus offensichtlichen Gründen wohl nicht mehr.
Ich fühle mich so allein wie noch nie in meinem Leben. Niemand wusste, dass ich schwul bin und auf meinen besten Freund stehe. Wem könnte ich es denn auch erzählen? Sie würden mich auslachen oder mich nicht verstehen.
Gerade als ich mich ein wenig beruhigt, bekam ich einen Anruf. Ich räusperte mich kurz und hob dann ab.
,,Hallo?" Flüsterte ich.
,,Kai? Hier ist Hansi, ich hoffe du hast nächsten Monat noch nichts vor, ich würde dich sehr gern bei der Nationalmannschaft dabei haben." Berichtete er mir. Vermutlich sollte ich mich jetzt freuen, aber es ließ mich komplett kalt.
,,Sehr gerne. Danke für dein Vertrauen." Sprach ich dann aber und setzte eine freundliche Stimme auf.
,,Sehr gut, dann sehen wir uns nächsten Monat. Timo und Antonio sind auch dabei, die habe ich gerade angerufen. Tschüß bis bald." Wenigstens fliege ich dann nicht ganz allein.
,,Tschüß und danke." Verabschiedete ich mich, bevor er auflegte.
Erst jetzt kam er mir wieder in den Sinn. Würde er dabei sein? Würde ich ihn wiedersehen? Wie soll ich mich dann verhalten? Ich kann das nicht. Ich kann ihn nicht wiedersehen, das verkrafte ich nicht.
Als ich zuhause war griff ich direkt wieder nach der noch halbvollen Wodkaflasche, einem Joint und den Rasierklingen und stieg in die Badewanne.
Ich zündete den Joint an und nahm einen Zug. Und danach direkt noch einen, und noch einen. Bis er komplett aufgeraucht war. Der Wodka brannte in meiner Kehle und ich setzte zum ersten Schnitt an. Meine Beine sind mittlerweile komplett von Schnitten übersäht. Kurz schielte ich auf meinen Arm, direkt auf die Stelle, an der die Pulsader lag. Nur ein paar Schnitte, dann wäre es vorbei. Es wäre vorbei und ich müsste mich nicht mehr so fühlen. Ich müsste ihn nicht heiraten sehen, ihn generell nie wieder sehen. Ich stand kurz davor, doch dann kam mir Jules trauriger Blick ins Gedächtnis. Er wäre enttäuscht. Ich bin sein bester Freund und hätte mich nicht einmal verabschiedet. Was würde meine Familie denken? Scheiße was mache ich hier? Das kann ich ihnen nicht antun. Das wäre egoistisch. Würde ich es jetzt beenden würde ich mein Leid nicht nehmen, ich würde es nur auf die verbliebenen produzieren. Das kann ich ihnen nicht antun. Nein, das geht nicht. Sofort schmiss ich die Klinge in die Ecke des Badezimmers. Ich kann es nicht. Nicht jetzt, nicht heute, und vor allem nicht ohne ihn nochmal zu sehen. Ich weiß, dass es schmerzhaft werden wird ihn zu sehen, doch ich will nur noch einmal seine Nähe spüren. Nur einmal will ich ihn noch in meinen Armen halten, ihm in seine Augen sehen und seine Stimme hören. Nur noch ein einziges mal.
Hier noch ein Kapitel für heute, weil das andere ja mir einem Cliffhanger ausging. Ich hoffe ihr freut euch und euch gefällt das Kapitel. Sieht wohl so aus als würden Kai und Jule bald wieder aufeinander treffen🤭 Wie das wohl ausgeht?🤔
-M <3
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We can go through it, together!
Fiksi PenggemarWie abhängig man von einem Menschen sein kann merkt man meist erst, wenn es zu spät ist. Und dann tut der Gedanke an diese Person mehr weh, als jede Klinge, jedes Hungergefühl, jeder Messerstich. Liebe lässt uns Dinge tun, von denen wir niemals dach...