33

1.1K 38 14
                                    

Sicht Kai

Tränenüberströmt stieg ich ins Taxi, welches mich zum Flughafen bringen sollte. Mir war es mehr als egal, dass meine Sachen noch bei Julian waren. Ich musste weg hier. Weg von Jule, raus aus Dortmund, raus aus Deutschland. Der nächste Flug nach London würde in zwei Stunden gehen. Ich halte es hier einfach nicht mehr aus.

Wieso verdammt nochmal hat er mich gerade schon wieder geküsst? Wieso hat er gestern mit mir geschlafen? Und wieso habe ich auch noch zugestimmt? Er hat heute verdammt nochmal geheiratet. Ich bin so ein Idiot. 

Aber was meinte er mit ,,Ich wünschte, das wäre alles anders gelaufen." und er könne mich nicht ohne Abschiedskuss gehen lassen? Was zur Hölle meinte er? Es macht einfach keinen Sinn. Aber das ist jetzt auch egal. Er hatte zugestimmt, erstmal auf Abstand zu gehen. Das müsste ich jetzt akzeptieren. Vielleicht will er mich ja auch nie wieder sehen. Ich meine, wenn Marie das rausfindet, habe ich seine Beziehung zerstört. Das würde er mir doch nie verzeihen.

Im Flugzeug dachte ich über nichts anderes nach, als über die letzten zwei Monate. Wie konnte sich unsere Freundschaft so entwickeln? Wir waren nicht mehr der Julian und Kai, die wir früher waren. Und auch Bravertz, das Duo welches ewig leben sollte, wird es nie wieder so geben. Aber ich verstehe ihn nicht. Vor allem die letzten zwei Tage mit ihm haben sich so intensiv angefühlt. Ich dachte wirklich, ich bedeute ihm etwas. Dieser Tanz vorhin hat mich schwach gemacht. Ich kam die ganze Zeit super klar, doch der Tanz war mir zu viel. Es herrschte so eine Intimität und Leichtigkeit zwischen uns, dass meine ganze Anspannung fiel und ich mich fallen ließ. In seinen Armen fühlte ich mich geborgen, doch es tat weh zu wissen, er würde nie für mich so fühlen, wie er für Marie fühlt. Er hatte sich für sie entschieden. Er liebte sie.

Aber wieso sah er dann so unglücklich mit ihr aus? Ich konnte keinen einzigen verliebten Blick erkennen. Es war absolut seltsam.

Zurück in London rief ich Timo an, welcher glücklicherweise schnell abnahm.

,,Kai? Es ist 3 Uhr nachts? Was ist los?" Fragte er verschlafen. Ups, ich hatte ihn wohl geweckt.

,,K-kannst d-du mich b-bitte abholen? Ich bin am Flughafen in London." Schluchzte ich und hoffte, dass er mich wirklich abholen kommt.

,,London? Ich dachte du bist bei Jules Hochzeit?" Er klang verwirrt. Ich wäre es vermutlich auch. Besser gesagt bin ich es. Ich kann mir all das auch nicht erklären.

,,Ich erzähl dir später alles. Bitte komm mich abholen, ich kann nicht mehr Timo. Bitte" flehte ich ihn an und weinte immer mehr.

,,Ist gut, ich bin in zwanzig Minuten da." Sprach er, worauf ich mich bedankte und auflegte. Jetzt saß ich hier am Flughafen, ohne sämtliches Gepäck und wartete in einem Anzug auf Timo Werner, welcher zum Glück schnell ankam.

Sofort zog er mich in seine Arme als er mich sah.

,,Hey, was ist denn los? Wieso bist du nicht in Dortmund? Und wo ist dein Koffer?" Stellte er zu viele Fragen auf einmal, worauf ich nur noch mehr weinte.

,,Okay okay, wir fahren jetzt erstmal zu mir und da erzählst du mir alles okay? Ich sag Paula Bescheid, dass sie dir einen Tee macht. Ich lass dich in deinem Zustand sicher nicht allein." Redete er weiter, worauf ich nur leise ,,D-danke" stotterte.

Wenige Minuten später kamen wir auch schon bei Timo an, wo Paula mich ebenfalls sanft in ihre Arme zog. Wir setzten uns ins Wohnzimmer auf das große Sofa, Paula und Timo rechts und links neben mir, während ich meinen Tee trank und begann zu sprechen.

,,Julian und ich hatten etwas miteinander. Mehrmals. I-ich hab mich in ihn verliebt, jedoch schon vorher. Und jetzt, jetzt hat er geheiratet, obwohl wir gestern noch miteinander geschlafen haben." Schniefte ich, während schon wieder Tränen aus meinen Augen flossen.

,,Ihr habt was? Ich meine, er hat einfach mit dir geschlafen, obwohl er heute geheiratet hat?" Sprach Timo verwirrt, worauf ich nickte.

,,Ich habe ihm heute morgen gesagt, was ich für ihn empfinde und habe es den ganzen Tag versucht zu verdrängen. Aber dann haben wir zusammen getanzt und da bin ich irgendwie schwach geworden und habe angefangen zu weinen. Dann bin ich rausgerannt und er hat mich geküsst. Er meinte irgendwas von wegen, er wünschte es wäre alles anders gelaufen und er konnte mich nicht ohne Abschiedskuss gehen lassen. Dann bin ich zurück nach London geflogen. Ich verstehe ihn einfach nicht. Tut er das, um mich zu verletzen?" Meine Stimme zerbrach von Wort zu Wort mehr. Timo und Paula sahen erst sich und dann mich an, bevor auch Paula begann zu sprechen.

,,Ich denke nicht, dass Jule dich verletzen wollte. Das hätte er nie getan. Vielleicht empfindet er auch mehr als Freundschaft für dich, aber hat Angst davor. Denkst du denn, dass er diese Marie wirklich liebt?" Sie klang einfühlsam und verständnisvoll, doch glaubte ich nicht, dass Jule etwas für mich empfand.

,,Keine Ahnung, aber für mich empfindet er nichts. Niemals. Wieso hat er sie denn dann geheiratet? Würde er mich lieben, hätte er mich nie so verletzt. Vielleicht wollte er sich nur mal mit Männern ausprobieren und ich war einfach nur gut genug zum vögeln für ihn." Sprach ich wütend. Ich war wütend, enttäuscht, verletzt, aber ich konnte ihm trotzdem nicht böse sein. Obwohl ich mir verarscht und ausgenutzt vorkam. Doch irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, wirklichen Hass auf Jule zu empfinden. Das könnte ich nie. Dafür liebte ich ihn noch zu sehr.

,,Das glaube ich nicht Kai. Weißt du wie unendlich wichtig du Jule bist? Er hat mir damals einen ziemlich langen Text auf WhatsApp geschrieben, dass ich mich um dich kümmern soll in London und das du etwas ganz besonderes bist. Auch als wir letztens von der Nationalmannschaft zurückkamen hatte er mich angefleht, dass ich auf dich aufpasse. Er meinte, wenn mir auffallen sollte, dass du dich komisch verhältst soll ich ihn gleich anrufen. Er wollte mir nicht sagen warum, er meinte nur, dass er will, dass du glücklich bist. Ich glaube Jule liebt dich genauso wie du ihn. Vielleicht weiß er es nicht oder will es sich nicht eingestehen. Aber glaub mir, ihr gehört irgendwie zusammen." Redete Timo auf mich ein.

Jule hatte sich also wirklich Sorgen um mich gemacht. Gerade als ich noch etwas sagen wollte, erhielt Timo eine Nachricht. Von Jule, welche er sofort öffnete.

Hey Timo, sorry dass ich dir zu dieser späten Stunde noch auf den Keks gehe. Ich wollte dich nur bitten, in der nächsten Zeit ein wenig auf Kai aufzupassen. Versuch ihn aufzuheitern, sieh nach, dass er genug schläft, trinkt und isst. Wenn er beim Training fehlt, frage ihn, ob es ihm gut geht und ob er etwas braucht. Versuche mit ihm zu reden. Sei für ihn da und biete ihm eine Schulter, an die er sich anlehnen kann. Sei für ihn da, so wie ich es nicht mehr sein kann. Bitte versuch ihn zum lachen zu bringen, verbring Zeit mit ihm und spiel Fortnite mit ihm. Aber pass auf: Er ist der beste Spieler der Welt. Bitte lass ihn nicht allein. Es ist etwas vorgefallen, vielleicht erzählt er dir ja irgendwann davon. Wenn er es tun sollte, bitte hass mich nicht. Oder tu es, ich habe es verdient. Aber bitte versprich mir, für ihn da zu sein. Ich weiß, wir kennen uns nicht sooo gut und es ist eine Menge, die ich immer von dir verlange. Aber ich weiß, dass er bei dir in guten Händen ist Timo. Ich vertraue dir, du bist ein guter Mensch. Sag Havy bitte, dass er mir unendlich wichtig ist, aber wir uns nicht mehr sehen sollten. Wir können jetzt einfach keinen Kontakt mehr haben, das ist einfach besser für ihn. Ich versuche nur, ihn zu beschützen. Deshalb muss er mich gehen lassen. Und vielleicht führt uns das Schicksal irgendwann wieder zusammen. Vielleicht aber auch nicht. Ich hab wahrscheinlich schon viel mehr gesagt, als ich sollte und du denkst dir jetzt sicher, ich übertreibe. Aber bitte versprich mir, immer mal wieder nach Kai zu sehen. Das ist das einzige was ich will. Danke schonmal, du hast was gut bei mir.

Tränen verließen meine Augen. Mein Herz verkrampfte und meine Kehle schnürte sich zu. Ich konnte nicht glaube, was er da geschrieben hatte.

„Versprochen" tippte Timo noch, bevor mich die beiden in eine innige Umarmung zogen, während ich immer mehr Tränen verlor.

We can go through it, together!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt