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Sicht Kai

Zwei Wochen sind nun vergangen, seit Jule und ich uns das letzte Mal gesehen und miteinander gesprochen hatten. Er schrieb mir zwar öfter mal eine Nachricht, ob es mir denn gut geht und ich genug esse, aber mehr dann auch nicht. Ich antwortete immer, dass es mir gut ginge, doch das entsprach wohl kaum der Wahrheit. Auch wenn ich wieder normal aß und nach außen nicht zeigte, was los war, weinte ich jede Nacht in mein Kissen. Ich habe nicht einmal den Kopfkissenbezug gewechselt, auf dem Jule lag. Ich klammerte mich jede Nacht daran fest und atmete seinen Geruch ein. Gott, wie sehr ich ihn vermisse.

Gerade fuhr mich Timo vom Training nach Hause, wo ich wie immer erst den Briefkasten überprüfte. Rechnungen, Werbung, Briefe von meiner Familie. Es war immer das selbe. Bis ich einen lilafarbenen Umschlag entdeckte. Ohne ihn zu öffnen wusste ich direkt, was es war. Die Hochzeitseinladung von Jule und Marie. Schon allein, dass sie lila war, ließ mich wütend werden. Jule wollte in gold-weiß heiraten. Dieses Miststück namens Marie denkt nur an sich. Wie kann Jule sowas mögen? Also werden die Worte, die darin stehen, auch nicht von ihm kommen. Aus allein diesem Grund, wollte ich es erst gar nicht lesen, tat es dann aber doch. Ich setzte mich aufs Sofa und öffnete mit zittrigen Händen den Briefumschlag.


Es ist soweit.

Am 13.07.2022 geben wir, Marie und Julian, uns das Ja-Wort.

Um diesen besonderen Tag noch schöner zu gestalten, laden wir euch, unsere liebsten, ganz herzlich zu unserem Fest der Liebe ein.

Um 11 Uhr beginnt die Trauung im Standesamt Dortmund. Danach wollen wir den restlichen Tag mit euch zelebrieren.

Für genügend Speisen und Getränke ist natürlich auch gesorgt. Bringt ganz viel gute Laune mit.

Wir freuen uns auf euch,

Eure Marie und Julian


Fest der Liebe, ich glaub's auch. Also gute Laune wird für mich an diesem tag anders aussehen. Ich könnte kotzen. Diese Worte kamen definitiv nicht von Julian. Er würde nie Worte wie 'zelebrieren' oder 'Speisen' in den Mund nehmen und schon gar nicht auf Einladungskarten schreiben. Auf der Vorderseite war noch ein Bild der beiden zu sehen. Es war genau das selbe, mit welcher er die Verlobung auf Instagram bekanntgegeben hatte. Sehr originell. Ich hasste alles an dieser Karte. Die schnörkelige weiße Schrift, die Abbildung von zwei Ringen, das Bild auf der Vorderseite, dieses lila. Alles daran war schrecklich und absolut hässlich. War es das, was Julian sich wünschte? Das konnte ich nicht glauben, doch ich musste es akzeptieren.

Er würde sie also wirklich heiraten. In genau zwei Wochen. Also hatte er ihr nichts von uns erzählt. Nein, ganz bestimmt nicht. Sonst wäre niemals diese Einladung in meinem Briefkasten gelandet, geschweige denn in irgendeinem Briefkasten. Hätte er es ihr erzählt, würden sie nicht heiraten. Er hat es nicht getan, dafür müsste er sein perfektes Leben ja aufgeben. Will er wirklich mit einer Lüge den Rest seines Lebens beginnen? 

Bedeutete es ihm so wenig? Bedeutete ich ihm so wenig? War es für ihn wirklich nichts weiter, als ein Ausrutscher? Ich hatte ihm zwar gesagt, ich unterstütze ihn, egal für was er sich entscheidet, aber ich war dennoch enttäuscht und verletzt. Trotzdem würde ich mein Versprechen halten und ihr nichts davon erzählen. 

Für einen kurzen Moment dachte ich sogar daran, nicht bei der Hochzeit aufzutauchen. Das wäre allerdings ziemlich egoistisch und Jule würde mich hassen. Also entschied ich, doch hinzugehen. Ich nahm mein Handy, öffnete WhatsApp und schrieb eine Nachricht an Jule.

Jule❤️

K: Hey Bro, eure Einladung ist grad angekommen. Danke, freue mich schon auf die Hochzeit🤘🏻Dein Trauzeuge lässt dich nicht im Stich❤️

J: Hmm, danke Bro❤️ Freue mich, dich bald wieder zu sehen, vermisse dich

K: Ich dich auch Jule

J: Ich schreib dir später nochmal, muss jetzt Kuchen testen🙄

K: Oh nein, was für eine schlimme Aufgabe😱 Soll ich dich retten? Kai der Retter kommt dir zur Hilfe🏃🏻

J: Du bist ein Idiot, bis später❤️

K: Bis dann❤️ und bekomm mir ja keinen Zuckerschock, du bist sowieso schon nervig genug😚

J: haha, lustig.

K: ❤️

Das war seit Tagen unsere längste Konversation und irgendwie war es schön, wieder wie damals mit ihm schreiben zu können. Wir haben damals immer Späße über den anderen gemacht und genau das machte unsere Freundschaft zu dem, was sie war. Sie war lustig, aufregend, aber auch tiefgründig. Unsere Freundschaft war wie ein Zaun, welchen man nicht durchbrechen könnte. Sie war einfach perfekt. Auch wenn ich mir immer noch mehr wünschte. Aber vielleicht müsste ich die Tatsache akzeptieren, dass Jule nie zu mir gehören wird. Nicht so, wie ich es gern hätte. Er wird mich nie so ansehen, wie ich ihn. Nie werde ich für ihn die große Liebe sein, so wie er für mich. Doch das ist okay, solange er glücklich ist. Sein Glück steht an erster Stelle für mich und wenn es mit Marie war, dann ist das eben so. Es wird mich komplett fertig machen, ihn heiraten zu sehen, doch was sollte ich schon dagegen tun? Ihn bitten, sie nicht zu heiraten? Nein. Das wäre unreif und unfair ihm gegenüber. Er soll glücklich sein. Auch wenn das für mich bedeutet, dass mein Kissen noch viele weitere Nächte als Taschentuch herhalten muss.


Heyy, hier ein weiteres Kapitel für heute. Nicht so spannend, i know aber ich hoffe ihr freut euch trotzdem. Bald müsste es dann spannender werden, wenn alles läuft wie ich will, also bleibt gespannt🤭 Eure Meinungen sind wie immer in den Kommentaren herzlich willkommen :)

-M <3

We can go through it, together!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt