Sicht Julian
Kai befreite seine Hand aus meinem Griff und lief schnell zurück ins Schlafzimmer. Fuck, ich bin so ein Idiot. Er wollte bestimmt nicht einmal mit mir schlafen. Was wenn ich ihn zu etwas gedrängt habe, was er nicht wollte? Er war betrunken und hat bestimmt nur deshalb ja gesagt. Er würde doch niemals einfach so mit mir schlafen. Vor allem nicht zwei mal. Ich muss mich entschuldigen, diese Sache darf einfach nicht zwischen uns stehen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn er sich deshalb schlecht fühlt.
Ich klopfte also an die Schlafzimmertür und rief leise seinen Namen.
,,Kai? Darf ich reinkommen? Können wir reden, bitte?" Ich hatte Angst. Große Angst, durch so eine dumme Aktion meinen besten Freund zu verlieren, nur weil ich mich nicht zurückhalten kann.
Er öffnete die Tür, lief aber schnell auf die andere Seite des Zimmers. Ich blieb im Türrahmen stehen. Ich hatte Angst, ihm näher zu kommen. Was wenn er meine Nähe nicht mehr wollte?
,,Kai, bitte. Es tut mir leid. Ich weiß nicht was gestern mit mir los war. Ich wollte dich auf keinen Fall zu etwas drängen, was du nicht wolltest. Ich verstehe, wenn du jetzt erstmal Abstand brauchst, aber bitte, lass uns reden, wenn du bereit bist. Ich wollte dich wirklich zu nichts drängen. Zählt das schon unter Vergewaltigung? Scheiße, ich hab meinen besten Freund vergewaltigt. Kai es tut mir so unglaublich leid. Ich weiß nicht was da über mich gekommen bist. Bitte hass mich nicht." Redete ich immer weiter und begann zu weinen. Ich hatte meinen besten Freund vergewaltigt, zum zweiten mal. Was bin ich nur für ein ekelhafter Mensch? Wie sollte ich mir das jemals verzeihen?
Sofort kam Kai kopfschüttelnd zu mir und zog mich in seine Arme. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge, wo noch einige Knutschflecken von gestern zu sehen waren. Er strich beruhigend über meinen Rücken, doch ich weinte immer mehr.
,,Jule was redest du da? Du hast mich doch nicht vergewaltigt." Beruhigte er mich, worauf ich ihm direkt in die Augen sah. Seine Hände legte er an mein Gesicht.
,,H-hab ich nicht?" Fragte ich nochmal unsicher nach. Worauf er sanft lächelnd den kopf schüttelte.
,,Nein du Spinner. Ich bin genau so Schuld an dem, was passiert ist, wie du. Gib dir nicht die Schuld daran, okay? Es war ein Ausrutscher, ja? Das kann passieren, sollte es zwar nicht, aber manchmal gehen die Fantasien eben mit einem durch. Das macht dich noch lange nicht zu einem schlechten Menschen. Jule du bist toll. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Nie könnte ich dich hassen, okay? Niemals." Sprach er weiter und ich spürte plötzlich so ein komisches Gefühl in mir. Mein ganzer Körper kribbelte und meine Knie wurden weich. Seine Worte hatten mich ziemlich berührt. Wie kann ein Mensch nur so toll sein?
,,Danke Kai." Flüsterte ich und ließ mich wieder in seine Arme fallen. Seine Umarmung strahlte diese Wärme und Geborgenheit aus, die ich gerade brauchte.
,,Oh Gott, was soll ich denn Marie jetzt erzählen?" Platzte es plötzlich aus mir raus.
,,Das liegt ganz bei dir, ob du es ihr verrätst oder nicht. Ich werde nichts sagen, versprochen. Das ist ganz allein deine Entscheidung. Egal wie du dich entscheidest, ich bin für dich da." Wie hatte ich jemanden wie ihn nur verdient? Havy ist einfach der tollste Mensch auf dieser Welt.
,,Komm, wir müssen los. Dein Flug geht bald." Erinnerte er mich. Ich wollte nicht zurück. Nicht zurück nach Dortmund, zu Marie, zu meinem Alltag. Ich wollte hier bleiben, bei ihm. Kai ist gerade der einzige Mensch den ich sehen möchte, dessen Nähe ich spüren will und dessen Stimme ich hören will.
,,Okay, lass uns gehen." Sagte ich traurig und löste mich von ihm.
Die ganze Fahrt über redeten wir nicht miteinander. Doch diesmal lag keine unangenehme Stimmung in der Luft. Er brauchte seine Ruhe zum nachdenken, so wie ich. Doch seine bloße Anwesenheit verschaffte mir innere Ruhe.
Doch dann kam auch schon der Moment, an dem wir uns verabschieden mussten. Ich lächelte ihn kurz an, bevor mich der größere wieder in eine innige Umarmung zog, welche ich sofort erwiderte.
,,Bis bald Jule, wir sehen uns." Verabschiedete er sich und wollte sich wieder lösen, doch ich ließ ihn nicht los. Ich zog ihn noch näher an mich.
,,Bis bald Havy" nuschelte ich in seinen Pullover und löste mich schließlich doch von ihm, bevor ich zu meinem Gate lief. Kurz drehte ich mich nochmal um, um ihm zu winken, doch er war schon wieder weg. Kälte durchfuhr meinen Körper und meine Brust schmerzte. Wieso fühlte ich mich so leer ohne ihn?
Den ganzen Flug über dachte ich nur an ihn und wie wir vor einigen Stunden noch in seinem Bett lagen, alle Sorgen vergessen konnten und uns einfach einander hingaben. Wie gern ich zu diesem Moment zurückkehren würde, doch es geht nicht. Ich müsste zurück nach Deutschland fliegen und meine Hochzeit planen. Doch war es das, was mich wirklich glücklich machte? Das was ich wollte? Ich weiß es nicht. Momentan weiß ich gar nichts mehr. Ständig dachte ich an Kais Worte.
,, Aber du kannst entscheiden, was dich glücklich macht. Und das ist denke ich das, worauf es am Ende ankommt."
Glück. Was bedeutet das überhaupt? Sollte ich mich nicht mehr als glücklich schätzen, weil ich endlich eine Frau an meiner Seite gefunden habe, welche mich liebt? Ich müsste verdammt nochmal glücklich sein, aber ich bin es nicht. Und ich weiß, dass es verdammt nochmal egoistisch klingt.
Was sollte ich tun? Sollte ich einfach zu ihr zurückkehren und so tun, als wäre nichts gewesen? Das wäre nicht fair ihr gegenüber. Ich habe fremdgehen immer als eine der schlimmsten Taten bezeichnet, die man einem anderen Menschen antun kann. Doch jetzt habe ich selbst diese Tat begangen und ich will sie keinesfalls schön reden. Es war das schlimmste, was ich je getan habe. Aber es fühlte sich eben auch verdammt richtig an und ich würde es sofort wieder tun.
Die letzte Nacht würde ich um keinen Preis hergeben. In diesem Moment gab es nur Kai und mich und die Welt blieb für einen kurzen Augenblick stehen. Dieser Augenblick versiegelte sich in meinen Gedanken und ich würde ihn dort aufbewahren, denn es war wohl eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens. Der Moment war perfekt. Ich fühlte mich gut, verstanden, geborgen und glücklich. Und frei. Ich fühlte mich unendlich frei.
Heyy, hier das zweite Kapitel für heute. Heute wird es leider nur bei den beiden Kapiteln bleiben, da ich morgen früh aufstehen muss, weil ich 8 Uhr zur Fahrschule muss. Meine Motivation hält sich daher ziemlich in Grenzen. Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Morgen kommen die nächsten. Schreibt wie immer gern eure Meinungen in die Kommentare, ich würde mich freuen :)
-M <3
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We can go through it, together!
FanfictionWie abhängig man von einem Menschen sein kann merkt man meist erst, wenn es zu spät ist. Und dann tut der Gedanke an diese Person mehr weh, als jede Klinge, jedes Hungergefühl, jeder Messerstich. Liebe lässt uns Dinge tun, von denen wir niemals dach...